Aus persönlichen GründenSonderermittler Marti tritt ab – und hinterlässt vier Fälle
Kein Ermittler hat zuletzt im Bundeshaus so viel Staub aufgewirbelt wie Peter Marti. Nun gibt er sein Mandat ab. Die Bundesanwaltschaft muss aufräumen.

Er war eingesetzt worden, um einen überschaubaren Fall von mutmasslichen Amtsgeheimnisverletzungen bei der Geheimdienstaffäre Crypto AG aufzuklären. Dann liess er mehrere Chefbeamte vorübergehend festnehmen, durchsuchte deren Wohnungen und Büros. Doch nun tritt Peter Marti als Sonderermittler ab – ohne den Fall gelöst zu haben. Die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) bestätigte eine entsprechende Meldung von Blick.ch.
Sie schreibt, dass Marti aus persönlichen Gründen (die nicht erläutert werden) um Entbindung vom Mandat als Ausserordentlicher Staatsanwalt gebeten habe. Dieser Bitte hat die AB-BA entsprochen. Marti war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Guter Zeitpunkt, schlechter Zeitpunkt
Der Abgang des 71-jährigen Ex-Richters erfolgt zu einem guten Zeitpunkt: Marti konnte kürzlich seine Untersuchung zum Medienleck vor der Publikation eines Untersuchungsberichts zur Crypto-Affäre abschliessen. Das Strafverfahren gegen zwei Chefbeamte des Aussendepartements, gegen den Schreibenden sowie gegen den früheren Kommunikationschef von Bundesrat Alain Berset, Peter Lauener, musste er allerdings ergebnislos einstellen und Entschädigungs- und Genugtuungszahlungen aussprechen.
Martis Abgang erfolgt aber auch zu einem schlechten Zeitpunkt: Hängig ist ein zweites Verfahren, das sich allein gegen Bersets langjährigen Sprecher richtet. Dabei geht es um Unterlagen zur Covid-19-Bekämpfung, welche Lauener dem Chef des Ringier-Verlags zukommen liess.
Der Corona-Leck-Fall gilt als vertrackt. Das Berner Zwangsmassnahmengericht muss entscheiden, ob beschlagnahmte geschäftliche und private E-Mails Laueners und aus dem Ringier-Verlag verwendet werden dürfen.
Peter Marti hatte beim Bundesamt für Informatik E-Mails für einen Zeitraum von rund sechs Wochen verlangt. Aber er bekam Laueners gesamte Mailbox mit Nachrichten aus zehn Jahren. Über Siegelungs- und Vertraulichkeitsbedenken setzte sich der Sonderermittler hinweg und liess die beigezogene Kantonspolizei Zürich die elektronische Post forensisch auswerten. Hauptsächlich gestützt darauf liess Marti Lauener mehrere Tage inhaftieren, ehe zwei Gerichte die sofortige Freilassung anordneten.
Jetzt muss die Bundesanwaltschaft ran
Wegen der Vorgänge um die Herausgabe der Mailbox hat die Bundesanwaltschaft (BA) kürzlich ein Strafverfahren wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses eröffnet. Es richtet sich gemäss der BA gegen unbekannt.
Nun muss die Bundesanwaltschaft auch den Fall Lauener/Ringier-Verlag übernehmen. Die Aufsichtsbehörde AB-BA schreibt, sie habe «entschieden, dass das Verfahren von der Bundesanwaltschaft weitergeführt werden soll». Eine BA-Sprecherin schreibt: «Sobald die Verfahrensakten bei der BA eingetroffen sind, wird das Strafverfahren durch einen Staatsanwalt der BA fortgeführt.»
Damit landet der Fall dort, wo er gemäss mehreren Rechtsexperten von Anfang an hingehört hätte. Ausserordentliche Staatsanwälte dürfen nämlich nur aktiv werden, wenn jemand aus der Bundesanwaltschaft als Täter infrage kommt. Dies war bei den Corona-Lecks von Beginn weg ausgeschlossen. Trotzdem beharrten die AB-BA sowie Marti auf der Führung des Strafverfahrens durch den Sonderermittler. Sie begründet dies nun nachträglich mit der «Wahrung der Verfahrenseinheit».
Die BA hat kürzlich – wider Willen – auch einen dritten Fall aus dem Marti-Komplex übernehmen müssen. Dabei geht es um Enthüllungen der «Schweiz am Wochenende». Die Zeitung hatte Mitte Januar den Corona-Austausch zwischen Lauener und dem Ringier-Verlag publik gemacht. Der Berichterstattung kann eine Amtsgeheimnisverletzung vorausgegangen sein. Trotzdem wollte die AB-BA überraschenderweise keinen Ausserordentlichen Staatsanwalt einsetzen, obwohl hier die involvierten Ermittler als Täter infrage kommen.
Die BA schreibt nun, sie habe diesen Entscheid ihrer Aufsichtsbehörde zur Kenntnis genommen: «Die BA hat folglich bereits ein entsprechendes Verfahren gegen unbekannt eröffnet und die notwendigen Ermittlungsschritte eingeleitet.»
Ermittelt wird auch noch gegen Peter Marti – durch einen weiteren Sonderermittler. Dieser ist nach einer Strafanzeige Peter Laueners wegen Amtsmissbrauchs und anderer mutmasslicher Delikte aktiv geworden. Für Marti wie für alle anderen Involvierten gilt die Unschuldsvermutung.
Damit sind am Ende der Ära Marti vier Strafverfahren hängig, die es nur wegen der Ära Marti gibt.
Die AB-BA «dankt Peter Marti für seinen engagierten Einsatz».
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