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Nach Nein zur Juso-Initiative
Bürgerliche und Wirtschaftsverbände arbeiten an Umbau des Steuersystems

Juso-Präsidentin Ronja Jansen musste am Abstimmungssonntag eine herbe Niederlage zur Kenntnis nehmen. 
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Die Niederlage war absehbar: Rund zwei Drittel des Schweizer Stimmvolks sagten Nein zur 99-Prozent-Initiative. Das ist eine deutliche Niederlage.

Die Volksinitiative hatte es quer durch die Bevölkerung schwer. Selbst Wenigverdiende lehnten sie ab, wie eine Nachbefragung von Tamedia zeigt. Bei der Befragung zeigt sich auch, dass eine Mehrheit Sympathien dafür hat, das Reichste 1 Prozent der Bevölkerung tendenziell stärker zu besteuern.

Doch offenbar sah das Stimmvolk in der Juso-Initiative keinen geeigneten Weg dafür. Nur gerade SP- und Grünen-Wählerinnen und Wähler sagten Ja zur Volksinitiative. Von allen anderen wurde das Vorhaben abgelehnt.

Juso-Präsidentin Ronja Jansen sagt: «Es war klar, dass es schwer werden würde. Aber wir haben zumindest eine Debatte lanciert über Verteilgerechtigkeit in der Schweiz.»

Für sie ist klar: Die Juso werden sich auch in Zukunft für eine stärkere Besteuerung für die Reichsten und für Konzerne einsetzen. «Die Vermögenskonzentration nimmt zu in der Schweiz. Und Mitte-rechts arbeitet seit Jahren daran, Vermögende und grosse Firmen zu entlasten», sagt Jansen weiter.

Was Jansen anspricht: Derzeit laufen Versuche, das Steuersystem in der Schweiz zu verändern. Den Linken treibt das Sorgenfalten auf die Stirn.

Verrechnungssteuer ade?

Diese Woche wird im Nationalrat über die Verrechnungssteuer diskutiert, sie soll abgeschafft werden. Damit würden 200 Millionen Franken weniger an Steuern eingenommen werden. Es ist der nächste Kampf von links gegen Steuerpläne der Bürgerlichen – oder wie es die Linken nennen: Steuergeschenke an Reiche und Firmen.

Dazu kommen weitere politische Geschäfte zu Steuerthemen. Zum Beispiel die Abschaffung der Stempelsteuer, womit über 2 Milliarden Franken weniger an Steuereinnahmen gedroht hätten.

Doch im bürgerlichen Lager machte man einen Rückzieher in Bezug auf die ursprünglichen Pläne. Das ist ein erster Sieg für die Ratslinke. Was vom Anliegen übrig blieb: eine Tranche, die 250 Millionen Franken weniger Steuerbelastung für Firmen bedeutet. Links-Grün hat das Referendum dagegen ergriffen.

Von den Entlastungen im Zuge der Abschaffung der Verrechnungssteuer und der Stempelsteuer würden Firmen profitieren.

Die Linken distanzieren sich von Steuerpapier des Bundes

Die im Parlament aktuell diskutierten Fragen sind nur ein Teil der Sorgen der Linken. Wohin die Steuerpolitik in Zukunft gehen könnte, zeigt ein Expertenbericht, der in diesem Frühjahr vom Eidgenössischen Finanzdepartement unter Ueli Maurer veröffentlicht wurde. Das Papier liest sich wie ein Wunschzettel der Wirtschaft.

Das ist kaum erstaunlich. Im eingesetzten Gremium sassen neben Vertretern des Bundes, der Kantone und der Wissenschaft auch solche von Economiesuisse und Swissholdings.

Nicht dabei war die Gegenseite. Eingeladen war nur der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB). Wobei Daniel Lampart vom SGB am Anfang noch mit von der Partie war, aber dann die Expertengruppe verliess.

«Der Bericht beinhaltete vor allem Steuererleichterungen für Firmen und Vermögende. So hätte ich nicht hinter dem Bericht stehen können», sagt Lampart. Für ihn ist klar: Der Bericht ist vor allem auf die Interessen der Wirtschaft ausgerichtet. Einzig dem angedachten Abbau von administrativem Aufwand kann Lampart etwas abgewinnen.

Die insgesamt 16 Punkte in dem Papier machen deutlich, in welche Richtung das Steuersystem verändert werden soll: «Kapital- und Vermögenssteuer reduzieren», heisst ein Punkt. Oder: «Die Schweiz nimmt eine Spitzenposition im internationalen Standortwettbewerb ein.»

«Der Bericht ist ein 10-Gang-Luxusmenü für die Reichen und schadet einem grossen Teil der Bevölkerung.»

Grünen-Nationalrätin Regula Rytz

Für linke Parlamentarierinnen und Parlamentarier ist der Bericht ein Mahnmal, eine drohende Ahnung, wo es steuertechnisch hingehen soll. «Aktuell läuft bereits eine dramatische Steuerabbauwelle für Vermögende und Kapitalbesitzer», sagt die grüne Nationalrätin Regula Rytz.

Sie spricht die Abschaffung der Stempelsteuer an, die Verrechnungssteuer, aber auch Industriezölle und weitere steuerpolitische Geschäfte. «International ist die Schweiz punkto Steuerbelastung ganz vorne dabei, wir sind konkurrenzfähig gerade für Unternehmen.» Und trotzdem reiche dies den Vertretern der Banken und Konzerne offenbar nicht, wie der Bericht zeige. «Der Bericht ist ein 10-Gang-Luxusmenü für die Reichen und schadet einem grossen Teil der Bevölkerung.»

Freilich sieht dies die Wirtschaft anders. Die Massnahmen im Bericht sollen helfen, die Schweiz für Investitionen attraktiv zu halten, den Wirtschaftsstandort zu stärken. Und gerade im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise sei die Beseitigung steuerlicher Hindernisse für die Betriebe wichtig, liess Economiesuisse verlauten.
Mit in der Expertenrunde war Frank Marty von Economiesuisse. «Die Flughöhe des Berichts ist sehr hoch.» Die Idee war, dass nur Punkte aufgenommen werden, denen alle beteiligten Experten zustimmen konnten. Zuerst sei der Plan gewesen, dass aus dem Papier konkrete Handlungsempfehlungen resultierten. Doch mit der Ankündigung einer
globalen Mindeststeuer habe sich die Situation geändert.

Allerdings: «Hinter den Dingen, die im Papier gefordert werden, stehen wir weiterhin», sagt Marty. Geplant war, dass bis Juni aus dem Bericht konkrete Vorschläge zum Bundesrat gelangen. Darauf wird nun mit Verweis auf die OECD-Pläne über eine globale Mindeststeuer verzichtet.

Globale Mindeststeuer sorgt für Nervosität

Die globale Mindeststeuer ist die grosse Unbekannte in der Frage nach der künftigen Ausrichtung der Steuerpolitik der Schweiz. Niemand weiss derzeit, was genau die Auswirkungen sein könnten. Doch etliche Kantone müssten wohl ihre Steuern für Unternehmen erhöhen. Der Bund ist derzeit daran, eine Strategie zu entwickeln, um auf die Mindeststeuer zu reagieren. Im ersten Quartal 2022 soll sie stehen.

Bereits gibt es erste Vorschläge, wie die Schweiz auf die Steuer reagieren soll. Kantonale FDP-Parteien haben ihre jeweiligen Regierungen dazu aufgefordert, sich einen Plan zurechtzulegen. Und diese Pläne sind voller alter Steuerklassiker der Bürgerlichen, etwa der Abschaffung der Stempelsteuer.

Economiesuisse und Swissholdings legen zudem in einem Papier dar, in welche Richtung es gehen soll. Dort drin kommt etwa der Ruf nach direkten Subventionen zur Finanzierung hoher Löhne und Arbeitsplatzkosten auf, wie die «SonntagsZeitung» schreibt.

Entsprechend klar ist, dass der Druck, das Steuersystem in der Schweiz zu verändern, aufrechterhalten bleibt. Für die Linken heisst das vor allem, sich gegen die Pläne der Bürgerlichen zu stellen.