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OECD beschliesst Mindeststeuer
Was die Einigung zum Steuerdeal für die Schweiz bedeutet

Die Schweiz hat sich «unter Bedingungen angeschlossen»: Bundesrat und Finanzminister Ueli Maurer.
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Vertreter von 130 Ländern der Welt haben sich am Donnerstagabend in einer virtuellen Konferenz der OECD – dem Club der reichen Länder – auf ein neues globales Steuerregime für Grosskonzerne geeinigt. Unterzeichnet hat das Abschlusspapier sogar die Schweiz. Irland mit ebenfalls tiefen Unternehmenssteuern hat die Unterschrift verweigert, ebenso weitere acht Staaten.

Was beinhaltet der Deal?

Die Übereinkunft der 130 Staaten entspricht weitestgehend jener der Finanzministerinnen und Finanzminister der G-7-Staaten von Anfang Juni und Plänen, die bei der OECD schon länger debattiert werden. Konkret soll das künftige Steuerregime aus zwei Säulen bestehen:

  • Die erste Säule hat zum Ziel, dass grosse Konzerne auch in Ländern Steuern bezahlen, wo sie physisch kaum präsent sind, aber Umsatz erzielen. Konkret sollen anfänglich Konzerne mit einer Gewinnmarge (Gewinn vor Steuern gemessen am Umsatz) von mehr als 10 Prozent und einem Umsatz von 20 Milliarden Euro weltweit davon betroffen sein. Nach sieben Jahren soll diese Schwelle auf 10 Milliarden gesenkt werden.

  • Die zweite Säule ist eine internationale Mindeststeuer. Sie soll für globale Konzerne mit einem Umsatz von mindestens 750 Millionen Euro gelten.

Was ist neu?

Der Deal geht stärker in die Details als die Einigung der G-7-Staaten. Insbesondere wurden Ausnahmen und Spezialregeln für einige Sektoren und Firmen beschlossen: etwa Abzüge bei der Mindeststeuer (Säule zwei), wenn ein Konzern in einem Land substanziell in Maschinen und Fabriken investiert. Damit hat man vor allem Zweifler wie etwa China oder Indien an Bord geholt.

Den Briten ist man entgegengekommen, indem regulierte Finanzdienstleister von der ersten Säule ausgenommen bleiben. Ausgenommen von Säule eins sind auch Firmen des Gas-, Öl- und Minensektors sowie die internationale Schifffahrt.

Was ist die Position der Schweiz?

Die Schweiz hat sich nach Angaben des Finanzdepartements von Ueli Maurer «trotz grosser Bedenken im Sinn der Weiterführung des Projekts und unter Bedingungen angeschlossen». Mit dem Vorbehalt war sie nicht allein: Länder wie Irland, Ungarn, Estland aus Europa sowie Barbados, Kenia, Nigeria, Sri Lanka, St. Vincent und Peru haben die Unterschrift unter das Abkommen verweigert.

Die Schweiz verlangt, dass die «Interessen kleiner, innovativer Länder berücksichtigt» und die «nationalen Gesetzgebungsverfahren respektiert» werden.

Die Schweiz fordert, «dass bei der definitiven Ausgestaltung der Regeln die Interessen kleiner, innovativer Länder angemessen berücksichtigt» werden. Die Regeln müssten zudem «einheitlich angewendet werden und bei der Mindestbesteuerung eine ausgewogene Lösung zwischen Steuersatz und Bemessungsgrundlage gefunden werden». Diese Wortwahl weist auf die vielen Details hin, die noch offen bleiben, und auf die Befürchtung, dass mächtige Staaten diese zu ihren Gunsten festlegen.

Warum die Zustimmung?

Dass der Bund die Steuer dennoch unterstützt, liegt vor allem an den Risiken eines Scheiterns des Abkommens. Denn dann drohen nationale Alleingänge bei der Erhebung von Steuern, was die Unsicherheit für grosse Konzerne enorm erhöhen würde und zu einer Mehrfachbesteuerung führen könnte. «Eine multilaterale Einigung soll ein Wirrwarr nationaler Lösungen verhindern und so Rechtssicherheit schaffen», schreibt der Bund. Aus diesem Grund unterstützen selbst US-Digitalkonzerne wie Facebook die neuen Regeln.

Wie stark ist die Schweiz betroffen?

Konkret ist laut dem Finanzdepartement von der ersten Säule «weniger als eine Handvoll» Grossunternehmen in der Schweiz betroffen, die angesichts ihrer Tätigkeit im Ausland dort Steuern beziehungsweise einen höheren Betrag abliefern müssten. Dabei dürfte es sich vor allem um die Pharmariesen Novartis und Roche handeln.

Von der Mindeststeuer dürften dagegen rund 200 Schweizer Unternehmen erfasst werden, plus eine Vielzahl Töchter ausländischer Konzerne. In 18 Kantonen liegen die Unternehmenssteuersätze zudem tiefer als die geplanten mindestens 15 Prozent – am tiefsten in Zug mit einem Satz von 11,85 Prozent gemäss einer Erhebung des Beratungsunternehmens KPMG.

Welche finanziellen Folgen das neue Regime hat, hängt wesentlich davon ab, wie es am Ende konkret ausgestaltet wird. Die Schweiz hofft etwa darauf, dass Abzüge wie für Patente (Patentbox) oder für Forschungs- und Entwicklungsausgaben weiter international anerkannt werden. Sie hat sich diese Abzüge für ihr Entgegenkommen gegenüber OECD-Forderungen zur Abschaffung von Steuerprivilegien gesichert.

Die Kantone planen zudem für den Fall einer Steuererhöhung Entlastungen für Unternehmen in anderen Bereichen, hauptsächlich bei den Sozialabgaben. Damit soll eine Abwanderung von Firmen angesichts hoher Lohnkosten verhindert werden, wenn der Steuervorteil entfällt.

Wie geht es weiter?

Gemäss Fahrplan der OECD sollen die konkreten Eckwerte bis zum Oktober stehen und dazu eine Einigung erzielt werden. Bereits im nächsten Jahr sollen die Regeln in die Gesetze überführt und im Jahr 2023 eingeführt werden. Dieser Zeitplan ist allerdings sehr ambitioniert. Denn je konkreter das Vorhaben wird, desto mehr driften die Interessen der Länder auseinander.

In den USA droht der Regierung von Joe Biden zudem grosser Widerstand im Kongress, weil die Republikaner und einige Demokraten sich schwer mit höheren Steuern im Allgemeinen und mit Säule eins im Besonderen anfreunden können. Die Besteuerung von Konzernen am Ort, wo sie Umsatz machen, dürfte vor allem US-Firmen betreffen und den Vereinigten Staaten damit Steuersubstrat entziehen.