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Mindeststeuer trifft Schweizer Konzerne
Jetzt sollen Nestlé, Novartis und Roche bei Lohnkosten sparen dürfen

Die Arbeitsplätze sollen in der Schweiz bleiben: Wissenschaftlerinnern im Labor bei Novartis in Basel. 
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Für den britischen Finanzminister Rishi Sunak ist der Beschluss der G-7 über die geplante Mindestbesteuerung von Konzernen eine «historische Einigung». Einige Beobachter schwärmen schon davon, dass nun der als schädlich empfundene Standortwettbewerb ein Ende finden könnte. «Der reine Steuerwettbewerb wird eingeschränkt, doch damit verlagert sich der Wettbewerb nur auf andere Felder», meint dagegen Christian Frey, stellvertretender Leiter Finanzen und Steuern bei Economiesuisse.

Fakt ist: Die Schweiz ist von der Unternehmenssteuer-Revolution besonders betroffen. Das Land muss sich was einfallen lassen, damit Konzerne auch in Zukunft hier Arbeitsplätze schaffen. Denn die Pläne der Finanzministerinnen und -minister der G-7-Staaten für eine weltweite Mindeststeuer zielen auf Konzerne wie Roche, Novartis oder Nestlé und damit auf die führenden Schweizer Firmen. Für sie werden sich die Steuern erhöhen.

300 bis 400 Schweizer Konzerne betroffen

«Von der Mindeststeuer sind nur grosse Firmen mit mehr als 750 Millionen Euro Umsatz betroffen, nicht die KMU», erklärt Economiesuisse-Experte Frey. Laut Schätzungen gibt es in der Schweiz 300 bis 400 Konzerne in dieser Grössenordnung. «Es wird in der Schweiz also zu einer Zweiteilung des Steuerrechts kommen», so Frey.

In Basel-Stadt, wo die beiden Pharmakonzerne ihren Hauptsitz haben, beträgt der Unternehmenssteuersatz rund 13 Prozent, er soll auf mindestens 15 Prozent steigen. Doch das ist noch nicht alles: Zugleich sollen hochprofitable Konzerne einen Teil ihres Gewinns dort versteuern, wo sie ihre Umsätze erzielen.

Das trifft die Schweiz ebenso: Die Pharmafirmen Roche und Novartis weisen hohe Gewinnmargen auf und erzielen den Grossteil ihres Umsatzes nicht in ihrem Sitzstaat. In der Schweiz als kleinem Staat werden naturgemäss nur wenig Medikamente abgesetzt, weswegen ein Teil der Steuern durch die neuen Regeln in andere Staaten abwandert. Allen voran in die USA, den grössten Pharmamarkt.

Der Turm der Roche ragt aus dem Nebelmeer in Basel. Der Stadtkanton will für die Pharmaindustrie attraktiv bleiben. 
Foto: Peter Wehrli 

Die geplante Reform hat also zwei Effekte: Da profitable Konzerne wie Roche einen Teil ihrer Gewinnsteuern dort zahlen müssen, wo sie ihre Umsätze erzielen, verliert die Schweiz Steuereinnahmen. Schätzungen gehen von einigen Hundert Millionen Franken pro Jahr aus.

Gleichzeitig werden aber die Unternehmenssteuern für Konzerne auf 15 Prozent steigen. Dadurch erhöhen sich die Einnahmen. «Unter dem Strich dürfte die Schweiz durch die Reform kurzfristig mehr Steuern einnehmen», schätzt Econonomiesuisse-Experte Frey. Das gilt aber nur, wenn keine Firmen abwandern.

«Wir wollen die Steuereinnahmen und Arbeitsplätze hier halten», sagt Sven Michal, Sprecher des Finanzdepartments Basel-Stadt. Deshalb diskutieren Bund und Kantone derzeit verschiedene Ideen, wie mit den zusätzlichen Steuergeldern Ausgleichsmassnahmen bezahlt werden können, damit der Standort Schweiz attraktiv bleibt.

Martin Hess, Leiter Steuern bei Swissholdings, bringt das Dilemma auf den Punkt: «Bisher hatte die Schweiz einen Vorteil bei den Steuern, aber einen Nachteil bei den Löhnen. Der Steuervorteil verschwindet nun weitgehend, der Lohnnachteil aber bleibt.»

Daher wird die Idee diskutiert, den Firmen bei den Lohnnebenkosten entgegenzukommen, um den negativen Steuereffekt zu kompensieren. «Ein Ansatz könnten Zuschüsse zu den Sozialversicherungsbeiträgen der Firmen sein», sagt Steuerexperte Hess. «Solche Zuschüsse gibt es zum Beispiel in Spanien, Schweden, Österreich oder Holland. Frankreich, Grossbritannien oder auch Deutschland kennen ähnliche Ansätze», erklärt er. Diese Idee hatte auch der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler in dieser Zeitung genannt. 

In den Fachgremien kursieren bereits Listen mit Instrumenten, wie EU-Staaten ihre Konzerne bei den Lohnnebenkosten entlasten. Die Liste soll quasi als Werkzeugkasten für die Schweiz dienen.

Beispiel: In Deutschland können Firmen 25 Prozent der Lohnkosten der Beschäftigten im Forschungs- und Entwicklungsbereich von der Gewinnsteuer abziehen. Spanien erlässt Firmen bis zu 40 Prozent der Sozialversicherungsbeiträge für jene Beschäftigte, die im Bereich Forschung und Entwicklung arbeiten.

Knackpunkt Rechtssicherheit

«Wir müssen Mittel finden, die ökonomisch einen vergleichbaren Effekt wie eine Steuersenkung haben», gibt Christian Frey von Economiesuisse als Ziel aus. «Die Debatte hierzu steht erst am Anfang.» Das zuständige Eidgenössische Finanzdepartement will sich nicht in die Karten schauen lassen, an welche Ausgleichsmassnahmen die Regierung denkt. Die Schweiz sei «gut vorbereitet», heisst es nur.

Die Massnahmen müssen dabei nicht nur die Konzerne von den Zusatzsteuern entlasten, sie müssen auch international akzeptiert sein. Was sicher nicht geht, ist zum Beispiel, Roche jenen Betrag als Forschungssubvention zurückzugeben, den der Konzern aufgrund der erhöhten Gewinnsteuern zahlen muss.

Noch ist die Steuerreform aber nicht in trockenen Tüchern. Viele Fragen sind noch offen, zum Beispiel, welche Bemessungsgrundlage herangezogen werden soll, sprich, wie der zu versteuernde Gewinn definiert ist. Christian Lüscher, Präsident der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats, sieht daher keinen Grund zur Panik. Im Standortwettbewerb habe die Schweiz weiterhin gute Karten.