Stempelsteuer gerettet Linke jubelt – Bürgerliche stoppen Steuergeschenke über 2 Milliarden Franken
Nachdem SP und Grüne das Referendum ergriffen haben, tritt die Rechte bei der Abschaffung der Stempelsteuer auf die Bremse. Aus Angst vor einem Loch in der Staatskasse.
Scheibchenweise werde die Salami kleiner: Mit diesem Bild kündigte SP-Co-Präsident Cédric Wermuth im Juni das Referendum gegen die Aufhebung der Stempelsteuer an. «Scheibchenweise kommen die Geschäfte nun ins Parlament und werden durchgewinkt. Und am Ende haben wir ein riesiges Loch in der Kasse. Das ist ein perfides Täuschungsmanöver», sagte er damals.
Doch keine drei Monate später tritt das Parlament bereits auf die Bremse. Und verhindert, dass ein grosses Stück der Salami abgeschnitten wird.
Worum geht es? Die Wirtschaft und ihre bürgerlichen Allianzpartner stören sich schon lange an der Stempelsteuer. Diese ist nicht mehr das, was sie im Wortlaut sein sollte. Es geht dabei nicht um eine Abgabe, wenn man einen amtlichen Stempel benötigt. Sondern sie wird fällig, wenn man bestimmte Transaktionen vornimmt. Beispielsweise wenn eine Firma neues Eigenkapital aufnimmt. Oder wenn mit Aktien gehandelt wird. Insgesamt fliessen über 2 Milliarden Franken pro Jahr in die Staatskasse wegen der Stempelsteuer.
Linke rief den Klassenkampf aus
Bereits 2009 lancierte die FDP einen Vorstoss zur Abschaffung der Stempelsteuer. Im Juni winkte das Parlament den ersten Teil dieser Pläne durch. Es geht dabei um eine Abgabe auf die Aufnahme von Eigenkapital bei Firmen. 250 Millionen Franken weniger werden dadurch eingenommen – die Unternehmen entlastet. Dagegen hat Links-Grün ein Referendum ergriffen und vorsorglich den rhetorischen Klassenkampf ausgerufen.
Der zweite Teil kommt in diesem Herbst in den Nationalrat. Dabei geht es um die Abschaffung der Umsatzabgabe auf gewisse inländische und auf ausländische Obligationen sowie die Abschaffung der Abgabe auf Lebensversicherungen.
Eine linke Minderheit stellt sich gegen diese Abschaffung. Rund 220 Millionen Franken würden dadurch geschätzt weniger eingenommen pro Jahr. Es ist realistisch, dass dieser Teil der Stempelsteuer nach der Diskussion im Nationalrat bestehen bleibt.
Der ganz grosse Brocken ist der dritte Teil. Und dieser ist nun gestoppt worden. Die Wirtschaftskommission des Nationalrats teilte dies am Mittwoch mit. Dabei geht es um die Abschaffung der Umsatzabgabe auf den übrigen ausländischen Wertschriften sowie der Abgabe auf Sach- und Vermögensversicherungen. Fast 1,8 Milliarden Franken wären bei einer Abschaffung dieses Teils der Stempelsteuer pro Jahr weniger in die Kassen des Bundes geflossen.
«Wir müssen nun zuerst die Corona-Schulden abbauen, da wäre die Abschaffung der Stempelsteuer nicht opportun.»
Grünen-Nationalrätin Regula Rytz sagt dazu: «Offenbar hat die Rechte gemerkt, dass sie nun überladen.» Es sei ein grosser Erfolg, dass nun die grossen Steuerausfälle vom Tisch seien. Die Linke sieht die Kehrtwende als Folge ihres Referendums gegen den ersten Teil des Projekts. «Wir sind erfreut, dass die Übung im Lauf abgebrochen wurde», sagt SP-Co-Präsident Cédric Wermuth. Das Referendum habe damit bereits vor der Abstimmung gewirkt – und Steuergeschenke von 2 Milliarden Franken verhindert. «Die bürgerlichen Parteien wollten die geplante Salamitaktik vertuschen. Das ist ihnen nicht gelungen.»
Der Antrag, das Thema in der Kommission fallen zu lassen, kam von Mitte-Nationalrat Leo Müller. Er sagt: «Es ist völlig unrealistisch, dass man dies in der heutigen Zeit, gerade wegen Corona, unterstützt.» Und man könne damit den Vorwurf der Salamitaktik entkräften.
Die GLP gehört bei der ersten Tranche der Abschaffung der Stempelsteuer zu den Befürwortern. Beim dritten Teil sieht das anders aus. «Man muss bei diesen Steuervorlagen immer das Kosten-Nutzenverhältnis genau anschauen. Und dieses ist beim dritten Teil negativ», sagt Nationalrat und GLP-Präsident Jürg Grossen. Unter diesem Aspekt sinnvoll sei hingegen, dass die Verrechnungssteuer auf Zinserträgen weitgehend und die Umsatzabgabe auf Schweizer Obligationen abgeschafft werde.
Verrechnungssteuer soll fallen
SVP-Nationalrat Thomas Matter sagt: «Es ist schlicht der falsche Zeitpunkt dafür. Wir müssen nun zuerst die Corona-Schulden abbauen, da wäre die Abschaffung der Stempelsteuer nicht opportun.» Zudem sei der Umbau bei der Verrechnungssteuer für die SVP wichtiger. Ganz vom Tisch ist die Abschaffung der Stempelsteuer allerdings für Matter nicht. «Wenn es dem Staatshaushalt in ein paar Jahren wieder besser geht und die Corona-Schulden verringert sind, können wir wieder über die Stempelsteuer sprechen.»
Anders als bei der Stempelsteuer ging die Diskussion über die Verrechnungssteuer aus. Dort unterlag Links-Grün den Bürgerlichen in der Kommission. Die Verrechnungssteuer auf Zinsen soll weitgehend abgeschafft werden. Rund 200 Millionen würden damit pro Jahr weniger eingenommen werden, schätzt der Bundesrat.
Er geht jedoch davon aus, dass dank der Reform der Schweizer Wirtschaftsstandort profitiert und so die Mindereinnahmen bereits in fünf Jahren wieder aufgeholt werden. Gleichzeitig erhofft sich der Bundesrat mehr Arbeitsplätze. Das Geschäft kommt nun in den Nationalrat.
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