EU-Regeln für soziale MedienBrüssel will Elon Musks Vogel die Flügel stutzen
Die neuen Regeln der EU für soziale Medien wie Facebook, Twitter und Co. treten ab nächster Woche in Kraft. Eine Konfrontation zwischen Twitter-Eigentümer Elon Musk und Brüssel zeichnet sich ab.
Das Spektakel ist garantiert: Abgeordnete im Parlament wollen möglichst rasch Elon Musk vorladen, den neuen Eigentümer des Kurznachrichtendienstes Twitter. Das EU-Parlament müsse führend sein, wenn es darum gehe, europäischen Spielregeln für soziale Medien und EU-Gesetzen Geltung zu verschaffen, heisst es im Aufruf einer Gruppe von Abgeordneten. In der Brüsseler Blase ist die Aufregung jedenfalls gross, seitdem der US-Milliardär die Plattform übernommen hat.
Elon Musk und der zuständige Binnenmarktkommissar Thierry Breton sind bereits per Twitter zu einem kleinen Schlagabtausch angetreten. Der Twitter-Vogel sei jetzt frei, hatte der Amerikaner auf seiner Plattform verkündet. «In Europa muss der Vogel nach unseren europäischen Regeln fliegen», entgegnete der Franzose prompt. Es trifft sich gut, dass diese neuen Regeln in Form des sogenannten Digital Service Act (DSA) nächste Woche in Kraft treten werden. Plattformen wie Twitter werden darin dazu verpflichtet, gegen illegale Inhalte wie Pornografie, Aufruf zu Hass oder Rassismus innert bestimmter Fristen vorzugehen.
Grundgesetz statt Selbstverpflichtung
Nicht mehr Selbstverpflichtung der Konzerne, sondern ein «Grundgesetz für das Internet» soll für Ordnung in der virtuellen Welt sorgen. Wie effektiv die neuen Regeln wirken werden, wird sich erst in einiger Zeit abschätzen lassen. Nach der Inkraftsetzung nächste Woche bekommen Mitgliedsstaaten und EU-Kommission eine längere Übergangszeit, um Kontrollmechanismen aufzubauen. Die Plattformen werden danach illegale Inhalte innert bestimmter Fristen löschen müssen. Twitter und Co müssen reagieren, wenn Behörden oder User entsprechende Inhalte melden.
Nutzerinnen und Nutzer sollen aber auch einfacher als heute dagegen vorgehen können, wenn Inhalte fälschlicherweise gelöscht oder ihre Konten blockiert werden. Die Unternehmen müssen bei Verstössen gegen das neue Gesetz mit hohen Bussen bis zu sechs Prozent des Umsatzes rechnen. Die Konzerne werden zudem ihre Algorithmen Forschenden zugänglich machen müssen. Diese sollen analysieren und öffentlich berichten können, wie die Plattformen Inhalte gewichten und ob sie etwa mit ihren Algorithmen besonders Verschwörungstheorien befeuern.
Gefahr für Demokratie
Nach dem ersten Schlagabtausch mit Binnenmarktkommissar Breton hat Elon Musk signalisiert, sich an die EU-Regeln halten zu wollen. Die beiden Kontrahenten wollen sich in den nächsten Wochen treffen. Im EU-Parlament ist die Skepsis jedoch gross. Die genauen Absichten des neuen Twitter-Eigentümers seien noch nicht klar. Erste Ankündigungen und Handlungen gäben Anlass zur Sorge. Die Gefahr bestehe, dass Standards zu einem Zeitpunkt aufgeweicht würden, da der Kampf gegen Desinformation und Hassrede wichtiger sei denn je. Twitter habe einen wichtigen Einfluss auf die liberale Demokratie weltweit.
Gerade in der Brüsseler Blase von EU-Abgeordneten, Lobbyisten, NGOs und EU-Kommission ist Twitter ein populäres Diskussionsforum. Einige suchen bereits nach alternativen Plattformen, um Elon Musks Eskapaden zu entkommen. Hoch im Kurs ist etwa Mastodon, ein dezentrales Netzwerk mit bisher etwas mehr als einer Million Userinnen und Usern. Im Vergleich zu Twitter mit seinen gegen 300 Millionen Konten wäre man dort allerdings praktisch unter sich.
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