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Milliardenprogramm gegen Halbleitermangel 
EU investiert in Chips und macht Industriepolitik à la française 

Die Mikrochips stecken überall drin: EU-Kommissions-Chefin Ursula von der Leyen möchte, dass Europa bei dieser Schlüsseltechnologie unabhängiger von Asien wird.  
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Emmanuel Macron schafft es, der EU seinen Stempel aufzudrücken. Europäische Souveränität ist das Motto des französischen Präsidenten. Und die EU ist dabei, es zu übernehmen. Der neuste Beweis: Ursula von der Leyen hat am Dienstag ein Milliardenprogramm präsentiert, mit dem Brüssel den akuten Mangel an Mikrochips bekämpfen will.

«Wir haben uns zum Ziel gesetzt, im Jahr 2030 einen Anteil von 20 Prozent am Weltmarkt für Chipproduktion zu erreichen», sagte die EU-Kommissions-Chefin. Derzeit liege die EU bei einem Anteil von 10 Prozent: «Da wir wissen, dass sich die Nachfrage auf dem Weltmarkt in dieser Zeit verdoppeln wird, müssen wir unsere Anstrengungen im Grunde vervierfachen.»

Die Mikrochips stecken überall drin und sind derzeit vor allem Mangelware. Daher müssen Kundinnen und Kunden zum Teil Monate auf ihr neues Auto warten. Es geht also auch um Europas Wettbewerbsfähigkeit.

Entsprechend ist das Ziel hochgesteckt. Brüssel will 45 Milliarden Euro mobilisieren, das Geld soll von privaten Investitionen, aus Mitteln nationaler Haushalte, aus EU-Töpfen und von der Europäischen Investitionsbank kommen. Damit es mit der Aufholjagd gegenüber Asien klappt, sollen die bisher strengen Regeln für staatliche Subventionen lockerer interpretiert werden. Auch das ist eine alte Forderung aus Paris, wo man schon länger Hoffnungen in «europäische Champions» setzt, aber damit bisher in Brüssel abgeblitzt ist.

EU-Geld für Chipfabriken

Nun sollen auch neue Fabriken mit EU-Geldern gefördert werden, die bislang in Europa nicht vorhandene Technologien einsetzen wollen. Brüssel will damit Hersteller insbesondere aus Asien nach Europa locken. Bisher waren staatliche Beihilfen nur für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben bis zur Serienreife erlaubt. In der Toolbox sind auch Ausfuhrkontrollen vorgesehen, wie sie die EU zuletzt vorübergehend für die Produktion von Corona-Impfstoffen eingeführt hatte. Die subventionierten Halbleiter sollen schliesslich der Industrie in Europa zugutekommen. 

Vor kurzem hätten Skandinavien, Deutschland oder die Niederlande ähnliche Massnahmen als interventionistisch bis protektionistisch abgelehnt. Selbst in der EU-Kommission gab es in der Frage lange tiefe Gräben, etwa zwischen der Vizepräsidentin Margrethe Vestager und Binnenmarktkommissar Thierry Breton. Die Wettbewerbshüterin aus Dänemark kämpfte für Freihandel und gegen Protektionismus, der Franzose Breton für staatliche Interventionen.

Am Dienstag präsentierten die beiden Kontrahenten das Milliardenprogramm harmonisch nebeneinander. Auch die Reaktionen aus dem EU-Parlament sind fraktionsübergreifend positiv.  Die EU wird französischer, was sich auch in der Krise mit Russland zeigt. Früher hatte Angela Merkel einen direkten Draht zu Präsident Wladimir Putin. Heute fährt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach Moskau und konferiert im Namen der EU fünf Stunden lang mit dem starken Mann im Kreml.

Macrons Motto von der «europäischen Souveränität» scheint immer mehr Anklang zu finden und gehört inzwischen auch zum Repertoire von Ursula von der Leyen oder der neuen Regierungskoalition in Berlin. Das hat mit den Erfahrungen aus der Pandemiebekämpfung, aber auch mit der wachsenden Rivalität mit China und Russland zu tun.

Weiteres aktuelles Beispiel ist der sogenannte CO₂-Grenzmechanismus im Kampf gegen den Klimawandel, der in den nächsten Monaten beschlossen werden soll. Der Grenzmechanismus soll europäische Unternehmen, die auf teure grüne Technologie setzen, vor billiger Konkurrenz aus dem Ausland schützen. 

Schweiz bleibt aussen vor

Im Gespräch ist zudem ein Schutzmechanismus gegen «importierte Entwaldung», also gegen Raubbau bei der Herstellung von Lebensmitteln wie Kaffee, Fleisch oder Palmöl. Auch im Kampf gegen Dumpingpreise aus China hat die EU zuletzt ihre Instrumente gegen sogenannten unfairen Wettbewerb geschärft. Für die Schweiz ist es a priori keine gute Nachricht, wenn die EU protektionistischer wird. Der CO₂-Grenzmechanismus dürfte zwar kein Problem sein, solange die Schweiz beim System der Emissionsbörse (ETS) mitmachen kann.

Beim Subventionswettlauf um die Mikrochips bleibt der Schweiz dagegen nur die Zuschauerrolle. Die EU will hier auch Mittel aus dem Forschungsprogramm Horizon Europe einsetzen, wo die Schweiz derzeit nur als gewöhnlicher Drittstaat mitmachen kann.

Die dänische EU-Kommissarin Margrethe Vestager und der französische Binnenmarktkommissar Thierry Breton waren einst Kontrahenten, nun präsentieren sie Seite an Seite den sogenannten «Chips Act».