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Britische Ex-Premierministerin
Zum Abschied zeigt Theresa May ein bisschen Reue

FILE - Then-British Prime Minister Theresa May leaves after addressing a media conference at an EU summit in Brussels, Friday, March 22, 2019. Former British Prime Minister Theresa May announced Friday, March 8, 2024, that she will quit as a lawmaker when an election is called this year, ending a 27-year parliamentary career that included three years as the nation?s leader during a period roiled by Brexit. (AP Photo/Frank Augstein, File)
Theresa May
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Theresa May sass vergangene Woche dort, wo sie immer sitzt im Unterhaus, seit fünf Jahren: in der Mitte der Regierungsbänke, gleich am Treppenaufgang, erster Platz in Reihe drei. Es waren die ersten Prime Minister’s Questions, seit sie ihren Rückzug zur nächsten Wahl bekannt gegeben hatte, und weil diese so etwas wie die wöchentliche Hauptaufführung im britischen Parlament sind, war es die erste Gelegenheit für den Premier, eine Würdigung auszusprechen.

Aber Rishi Sunak sagte nichts, kein Wort zu May, und es passt nun zu ihrer langen, beeindruckenden, widersprüchlichen Karriere, dass es nicht ihr eigener Parteichef war, der sie würdigte. Sondern Keir Starmer, der Oppositionsführer. Er wünsche ihr einen angenehmen und wohlverdienten Ruhestand, sagte Starmer, sie habe diesem Haus «stets mit Pflichtbewusstsein gedient». May lächelte, es sah aus, als sei sie gerührt.

Freundlich und bodenständig

Theresa May ist seit 1997 Tory-Abgeordnete für Maidenhead, gut 50 Kilometer westlich von London, sie war Fraktionschefin, Parteichefin, Innenministerin und Premierministerin. Dass sie bei der nächsten Wahl nicht mehr antreten will – wie bisher 61 weitere Tories – verkündete May in ihrer Lokalzeitung, dem «Maidenhead Advertiser». Mit nun 67 Jahren habe sie das Gefühl, sagte sie, nicht mehr die nötige Zeit und Hingabe aufbringen zu können.

Wenn man sich mit Mitarbeitern und Abgeordneten unterhält, hört man oft, wie angenehm May im persönlichen Umgang sei, so freundlich, so bodenständig. Dabei verlief Mays Laufbahn alles andere als konfliktfrei. Als Innenministerin von 2010 bis 2016 stand sie für die These, eine migrationsfeindliche Atmosphäre halte sogenannte illegale Flüchtlinge davon ab, nach England zu fliehen, und zerschlage damit auch das Geschäftsmodell von Menschenschmugglern.

«Geh nach Hause»

Durch mehrere Londoner Viertel, in denen überwiegend Bürger mit Migrationshintergrund lebten, liess sie Kleinlaster fahren mit Plakaten, auf denen stand: «Illegal in the UK? Go home or face arrest» («Illegal im Vereinigten Königreich? Geh nach Hause oder rechne damit, verhaftet zu werden»). Ähnliche Beispiele gibt es mehrere, in einer Rede auf dem Parteitag behauptete sie etwa fälschlicherweise, wegen der zu weichen Gesetzgebung sei die Ausweisung eines Asylbewerbers daran gescheitert, dass er eine Katze als Haustier gehabt habe. All das brachte ihr zu Recht viel Kritik ein, aber eben auch Zustimmung am hart rechten Flügel der Tories.

In einem Podcast sagte May kürzlich, sie bereue manches von dem, was damals passiert sei, insbesondere die Kleinlaster seien ein Fehler gewesen. Auch jenseits der Partei blicken ohnehin viele weniger auf May, die Hardlinerin im Innenministerium, zurück, als auf May, die «Remainerin» und falsche Premierministerin zur falschen Zeit.

Es sind diese drei Jahre von 2016 bis 2019, die das historische Bild von Theresa May prägen werden: als sie verzweifelt kämpfte und krachend daran scheiterte, das Chaos in der britischen Politik nach der Entscheidung für den EU-Austritt zu ordnen. Dass sie Boris Johnson zum Aussenminister machte, im Glauben, sie bekomme ihren grössten Widersacher damit in den Griff, sollte sich als eine ihrer zahlreichen Fehleinschätzungen erweisen.

Seit ihrem tränenreichen Rücktritt im Juli 2019 hat sich der Ärger über May in der Partei immerhin gelegt, was auch an ihren Nachfolgern liegt. Während Boris Johnson nach ein paar Lügen zu viel aus dem Parlament verbannt wurde, Liz Truss als entrückte Verschwörungserzählerin um die Welt reist und Rishi Sunak sich vom rechten Flügel herumschubsen lässt, nimmt Theresa May stoisch und umso souveräner wirkend jeden Mittwoch ebendort Platz, wo sie immer sitzt. Manchmal, wenn sie die Treppen hochgeht, sitzt einer ihrer Kollegen schon dort, auf dem ersten Platz der Bank in Reihe drei, aber wenn sie oben ankommt, ist der Platz immer frei.