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Regenwald in Brasilien
Im Amazonas wüten Brände wie seit Jahrzehnten nicht mehr

TOPSHOT - Aerial view of an area of Amazon rainforest deforested by illegal fire in the municipality of Labrea, Amazonas State, Brazil, taken on August 20, 2024. . Residents of Porto Velho in the Brazilian Amazon have barely seen sunlight in days as a thick cloud of smoke from forest fires envelops their city. (Photo by EVARISTO SA / AFP)
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Der 16. August war ein trauriger Tag für den Amazonas-Regenwald. Die Satelliten, mit denen das staatliche brasilianische Weltrauminstitut Inpe die Region überwacht, registrierten innerhalb von nur 24 Stunden mehr als 1000 neue Brandherde. Und zusammen mit denen, die seit Anfang des Jahres von den Wissenschaftlern aufgezeichnet worden waren, überstieg die Zahl die Marke von 40’000. So viele Feuersbrünste gab es um diese Jahreszeit seit beinahe zwei Jahrzehnten nicht mehr.

Umweltschützer und Wissenschaftlerinnen schlagen nun Alarm. Und die linke Regierung von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva gerät in Erklärungsnöte. Denn eigentlich hatte der Staatschef versprochen, den Amazonas und die Umwelt zu schützen, zum Wohl Brasiliens und der gesamten Menschheit (lesen Sie hier ein Porträt über Brasiliens Umweltministerin, die den Amazonas schützen soll).

Dass Teile des südamerikanischen Regenwalds in Flammen aufgehen, ist schon so etwas wie trauriger Alltag. Der Wald erstreckt sich über mehr als fünf Millionen Quadratkilometer und neun Länder, vor allem Brasilien, aber auch Bolivien, Ecuador oder Peru. Zwischen uralten Baumriesen wachsen Orchideen, Paradiesvogelblumen und Palmen. Es gibt Affen und Tapire, Jaguare und Adler, Frösche, Otter, Papageien, Spinnen und Ameisen.

Anders aber als in Nordeuropa oder im Westen der USA, wo Wälder teilweise auf Brände angepasst und sogar auf sie angewiesen sind, hat Feuer im Amazonas-Regenwald fast nie natürliche Ursachen. Es wird gelegt, meist vorsätzlich, von Viehzüchtern oder Bauern.

Früher Urwaldriesen, jetzt endlose Felder und Weiden

Brasilien hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einer Agrargrossmacht entwickelt. Längst leben mehr Rinder im Land als Menschen, und nirgendwo auf der Welt wächst heute mehr Soja als dort. Der Aufstieg aber hat einen Preis: Dort, wo früher Urwaldriesen standen, erstrecken sich jetzt endlose Felder und Weiden. Brasilianischen Behörden zufolge wurden seit Beginn des Monitorings im Jahr 1988 bis 2020 rund 730’000 Quadratkilometer Amazonas-Regenwald durch Abholzung und Brandstiftung vernichtet. Zum Vergleich: Die Fläche der Schweiz beträgt knapp 41’300 Quadratkilometer.

Anfang der Nullerjahre begann die damals linke Regierung Brasiliens, den Kahlschlag zu bekämpfen. Die Abholzungszahlen sanken – um von 2019 an unter der Regierung von Jair Bolsonaro wieder sprunghaft anzusteigen. Die mächtige Agrarlobby hatte den ultrarechten Politiker mit an die Macht gebracht. Kaum im Amt, bedankte er sich, indem er Umweltgesetze aushöhlte, Gelder für Schutzbehörden zusammenstrich und Personal entliess.

Mehr als zwei Milliarden Bäume sollen allein in Bolsonaros vier Regierungsjahren gerodet worden sein. Doch dann, 2022, gewann bei den Präsidentschaftswahlen abermals eine linke Regierung. Und noch vor seinem Amtsantritt versprach der heutige Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva eine erneute Kehrtwende in der Umweltpolitik: «Null Abholzung bis 2030!»

Behörden wurden wieder ausgebaut und neue Schutzprojekte gestartet. Prompt sank die Abholzung wieder, Lula jubelte, die Welt atmete auf: Der Amazonas, die grüne Lunge der Welt, essenziell für den Kampf gegen den Klimawandel, schien gerettet!

Der Rauch zieht bis nach Uruguay

Nun aber sind da die Feuer. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum hat sich ihre Zahl in den ersten acht Monaten des Jahres 2024 mehr als verdoppelt. Der Rauch zieht hinunter bis ins mehrere Tausend Kilometer entfernte Uruguay. Und für die Amazonas-Metropole Manaus haben Gesundheitsbehörden wegen der schlechten Luftqualität eine Warnung herausgegeben.

Dazu kommt, dass auch die Cerrado-Savanne im Südosten Brasiliens in Flammen steht, ebenso wie das Pantanal, ein riesiges Feuchtgebiet, das sich grösstenteils über Südbrasilien erstreckt. Für das erste Halbjahr 2024 verzeichnete das brasilianische Weltrauminstitut Inpe dort über 3500 Feuerausbrüche – mehr als 2020, das bis zu diesem Zeitpunkt als das verheerendste Brandjahr galt.

Die Gründe für die Feuersbrünste, da sind sich die meisten Experten einig, liegen zum einen in der Rekorddürre, die Teile von Brasilien im vergangenen Jahr ereilte. Ausgelöst vom Wetterphänomen El Niño und vermutlich noch verstärkt durch den Klimawandel, verwandelten sich sonst mächtige Flüsse im Amazonas-Regenwald in traurige Rinnsale oder trockneten sogar ganz aus.

Eine schwere Prüfung für die Regierung

Wissenschaftler glauben aber auch, dass die massive Abholzung der zurückliegenden Jahrzehnte eine Rolle spielen könnte: Der Amazonas ist vor allem auch deshalb ein Regenwald, weil Millionen Pflanzen dort – vereinfacht gesagt – über Verdunstung Niederschlag generieren. Sinkt die Biomasse, gerät dieses System aus dem Gleichgewicht und wird anfälliger für Brände – und das wiederum wirkt sich beispielsweise auf das Pantanal aus, das über Luftströme aus dem Amazonas mit Feuchtigkeit versorgt wird (lesen Sie hier über Kipppunkte komplizierter Ökosysteme).

Für Brasiliens linke Regierung sind die Brände eine schwere Prüfung. Präsident Lula hat sich international als Umweltschützer und Bewahrer des Amazonas-Regenwalds stilisiert. Zudem soll nächstes Jahr der UNO-Klimagipfel COP 30 im brasilianischen Belém stattfinden. Unkontrolliert loderndes Feuer und verkohlte Erde passen da schlecht ins Bild.

Gelder wurden nun bereitgestellt, 137 Millionen Real, umgerechnet etwa 21,4 Millionen Franken: für Feuerwehrleute, bessere Ausrüstung und Präventions­massnahmen. Ausserdem hat Staatschef Lula vor ein paar Wochen bei einem Besuch im Pantanal ein neues Gesetz unterzeichnet. Er sprach von einem «Meilenstein» für die Bekämpfung der Brände in ganz Brasilien. Ob er recht behält, muss sich erst noch zeigen: Im Amazonas-Regenwald hat die Brandsaison gerade erst begonnen.