Terroranschlag auf PolizeistationWarum ein 14-Jähriger einen Polizisten in Bosnien erstochen hat
Nach einer Messerattacke in einer bosnischen Kleinstadt stirbt ein Polizist, ein anderer wird schwer verletzt. Der Täter wurde verhaftet – und nach ihm auch acht Islamisten.
- Ein 14-Jähriger griff Polizisten in der bosnischen Kleinstadt Bosanska Krupa mit einem Messer an.
- Der Angriff wird als Terroranschlag von den Behörden untersucht.
- Nach dem Angriff wurden mehrere Personen festgenommen und Waffen beschlagnahmt.
- Der Vorfall könnte die ethnischen Spannungen im Balkanland verstärken.
Es ist eine Tat, die viele Menschen in Bosnien-Herzegowina schockiert. Am vergangenen Donnerstag stürmte ein vermummter und erst 14-jähriger Teenager in die Polizeistation der Kleinstadt Bosanska Krupa und stach auf zwei diensthabende Beamte ein. Ein Polizist erlag seinen Verletzungen im Brustbereich, ein anderer überlebte den Angriff und wird derzeit im Spital behandelt.
Der mutmassliche Verbrecher wurde am Tatort von Polizisten überwältigt und festgenommen. Inzwischen hat die bosnische Justiz die Messerattacke als «terroristische Tat» eingestuft. In den lokalen Medien hiess es, der Angriff sei islamistisch motiviert. Die Behörden haben die Berichte weder bestätigt noch dementiert. Es werde ermittelt, ob der Bub zu terroristischen Handlungen angestiftet wurde und mit Extremisten in Verbindung stand.
Waffen, Munition, eine grössere Menge Geld
Innenminister Nenad Nesic, ein bosnischer Serbe, sagte, er verfüge über Informationen, wonach der Täter Verbindungen zu religiösen Fanatikern hatte. Einiges deutet darauf hin. Nach dem tödlichen Angriff nahm die Polizei in Bosanska Krupa und in der Stadt Bihac acht Personen fest. Bei mehreren Hausdurchsuchungen wurden laut einem Polizeisprecher Waffen, Munition, Laptops, Smartphones, USB-Sticks, eine grössere Menge Geld und Schriftstücke in arabischer Sprache beschlagnahmt. Einer der Festgenommenen soll Professor an einer islamischen Hochschule sein, andere waren Lehrer an einer Koranschule in Bosanska Krupa oder standen dieser religiösen Institution nahe.
Dem minderjährigen Messerstecher drohen laut bosnischen Gesetzen keine strafrechtlichen Konsequenzen wie bei Erwachsenen. Er könnte aber in eine geschlossene Erziehungsanstalt eingewiesen werden. Wie und wo sich der Teenager radikalisiert hat, ist bislang nicht bekannt.
Möglicherweise im Internet radikalisiert
Bosnische Sicherheitsexperten vermuten, er könnte wie sehr viele islamistische Attentäter in westlichen Staaten im Internet vom islamistischen Gedankengut geblendet worden sein. Hassprediger, die oft Millionen Follower auf Tiktok, Telegram oder Instagram haben, indoktrinieren gezielt Minderjährige, weil sie weitgehend von der strafrechtlichen Verfolgung ausgenommen werden.
Die Bluttat von Bosanska Krupa könnte die innerethnischen Spannungen im stark polarisierten Balkanland erhöhen. Der getötete Polizist gehört der serbischen Volksgruppe an. Dies wurde von Politikern des serbisch beherrschten Landesteils von Bosnien-Herzegowina besonders hervorgehoben, um vor der Gefahr islamistischer Zellen zu warnen. Allerdings ist der schwer verletzte Polizist ein muslimischer Bosniake. An der Beerdigung des erstochenen Beamten nahmen auch Muslime teil.
Politische Gewalt nicht ausgeschlossen
Der Nahostkrieg hat die ethnisch und religiös definierten Gräben zwischen den drei grössten Volksgruppen – Bosniaken, Serben und Kroaten – vertieft. Der Terrorismusexperte Adrian Shtuni hat schon zu Jahresbeginn in einer Analyse für die in Den Haag ansässige Denkfabrik International Centre for Counter-Terrorism darauf hingewiesen, dass der blutige Konflikt in Gaza Auswirkungen auf die Sicherheit der muslimisch geprägten Balkanstaaten haben könnte. Auch politische Gewalt schloss Shtuni nicht aus.
Der Präsident der bosnisch-serbischen Teilrepublik, Milorad Dodik, gegen den die USA Sanktionen verhängt haben, versucht, sich als Freund Israels zu gerieren. Er unterstellt, die Juden seien von Muslimen genauso bedroht wie die Serben auf dem Balkan. Auf diese Weise versucht er, die jüngste Geschichte Bosniens umzuschreiben und von der Tatsache abzulenken, dass serbische Truppen 1995 in der Kleinstadt Srebrenica einen Völkermord an bosnischen Muslimen verübt haben.
Protestmarsch in Sarajevo
Die jüdischstämmige Bürgermeisterin von Sarajevo, Benjamina Karic, kritisiert dagegen die selektive Empörung im Nahostkonflikt und führte im vergangenen Herbst eine Solidaritätsveranstaltung für die Palästinenser an. Karic verurteilt die Hamas-Verbrechen ohne Wenn und Aber. Auf der Plattform X hat sie appelliert: «Wir müssen menschlich sein und um jedes unschuldige Opfer gleichermassen trauern, sowohl in Israel als auch in Palästina.» Unter der muslimischen Bevölkerung Bosniens ist die Solidarität mit den Palästinensern im Gazastreifen gross. In der Hauptstadt Sarajevo fand am Sonntag ein Protestmarsch statt.
Obwohl die Mehrheit der bosnischen Muslime dem toleranten Islam der hanafitischen Rechtsschule folgt, ist es unbestreitbar, dass nach dem Krieg, der 1995 zu Ende ging, insbesondere in ländlichen Gebieten eine Radikalisierung zu beobachten ist. Laut bosnischen Medien wurden während des Krieges in Syrien fast 80 Bosniaken getötet, die in den Reihen des Islamischen Staates (IS) kämpften. Laut inoffiziellen Angaben haben sich damals etwa 240 Personen aus Bosnien den Extremisten in Syrien und im Irak angeschlossen.
Eine stärkere Radikalisierung als auf dem Balkan ist unter der bosnischen Diaspora zu beobachten, insbesondere in den deutschsprachigen Ländern. Jugendliche ohne Perspektive und soziale Kontrolle fallen oft religiösen Manipulatoren zum Opfer. Anfang September eröffnete ein 18-jähriger Österreicher das Feuer auf das israelische Konsulat in München. Kurz nach diesem Verbrechen wurde bekannt, dass der Angreifer bosnischer Herkunft war. Er wurde von der Polizei niedergeschossen.
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