Kommentar zum GaspreisBloss kein Preisdeckel
Lange warnte Brüssel vor einer Obergrenze für den Gaspreis: Jetzt zeigt sich EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen plötzlich offen. Das ist ein Fehler.
Deckel drauf und fertig – es klingt bestechend einfach: Viele Regierungen fordern seit Wochen, dass sich die EU auf einen Gaspreisdeckel einigt, eine Obergrenze für Käufe und Verkäufe also. Das Kalkül dabei: Wenn die Stadtwerke danach weniger für ihr Gas zahlen müssen, werden im nächsten Schritt auch die Preise für die Haushalte und Firmen sinken. Trotz dieser vermeintlichen Vorteile warnte die EU-Kommission lange vor einem derartigen Ansatz. Doch jetzt zeigt sich deren Präsidentin Ursula von der Leyen auf einmal offen dafür.
Das sollte sie besser nicht tun – denn ein solches System hat grosse Tücken. Es gefährdet die Versorgungssicherheit und erzwingt weitere harsche Eingriffe. Auf derartige Risiken weist von der Leyen selbst hin. In einem Brief an die EU-Staats- und -Regierungschefs – pünktlich abgeschickt vor dem derzeitigen Gipfeltreffen in Prag – skizziert von der Leyen die nächsten Schritte gegen die hohen Energiekosten. Der unselige Gaspreisdeckel wird darin als eine Option genannt.
Hinter ihrer neuen und befremdlichen Offenheit dürfte politisches Kalkül stecken. 15 EU-Regierungen, darunter die französische und die italienische, hatten in einem Brief an die Kommission verlangt, dass die Behörde das Thema endlich vorantreibt. Von der Leyen will nicht länger als Blockiererin dastehen – und spielt den Ball elegant zurück ins Feld der Befürworter. Diese Deckel-Enthusiasten müssen nun die skeptischen EU-Regierungen überzeugen, dass solch ein europaweites Instrument im Gas-Grosshandel funktionieren kann und unterstützenswert ist. Das wird ihnen sehr schwerfallen. Und das wiederum bedeutet wohl, dass die Obergrenze nicht kommen wird, mangels Rückendeckung.
Ein Gaspreisdeckel würde hässliche Debatten auslösen.
Das grösste Problem beim Deckel ist, dass er die Lenkungswirkung der Preise untergräbt: Knappe Rohstoffe sollten dahin geliefert werden, wo sie am meisten gebraucht werden und den meisten Nutzen stiften. Gibt es nicht genug Gas, sollten also jene Käufer den Zuschlag erhalten, die am meisten zu zahlen bereit sind. Setzt die EU aber niedrigere Preise per Gesetz fest, spielt es keine Rolle mehr, ob ein Unternehmen oder ein Land mehr zahlen will als das andere. Der Preis ist ja fix. In einer Gasnotlage müsste dann eine europäische Behörde entscheiden, wie viel Gas in welchen Mitgliedsstaat und in welche Branche fliesst. Das würde hässliche Debatten auslösen.
Hinzu kommt: Die Mitgliedsstaaten müssten massive Subventionen an die Gasimporteure überweisen. Diese zahlen am Weltmarkt schliesslich diejenigen Preise für Gas, die dort – also ausserhalb der EU – fällig sind. Nur so können sie Tankschiffe mit Flüssigerdgas aus den USA oder Katar nach Europa locken, damit hier der Wegfall der russischen Lieferungen ausgeglichen wird. Dürften die Importeure das Gas in der EU nur gedeckelt weiterverkaufen, machten sie Verluste.
Die Obergrenze klingt also einfach, wird aber nicht funktionieren. Stattdessen sollte die EU einen anderen Weg wählen. Die Regierungen der 27 Mitgliedsstaaten sollten gegenüber Förderländern gemeinsam als Käufer auftreten und ihre Verhandlungsmacht nutzen, um mehr Lieferungen zu besseren Preisen durchzusetzen. Das wird nicht einfach. Doch es könnte funktionieren.
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