Konkurs von Bikebox-LädenDer tiefe Fall eines Velovisionärs
Andreas Ackermann bezeichnet sich selbst als Hypnosecoach und Multi-Unternehmer. Doch seine Bikebox-Läden wurden auf merkwürdige Weise in den Konkurs geschickt. Er bestreitet die Vorwürfe.

- Bikebox geriet trotz schnellem Wachstum in finanzielle Schwierigkeiten und meldete Konkurs an.
- Die Verlagerung und die Umbenennung der Firmen vor dem Konkurs erinnern laut Experten an die Methode der «Konkursreiterei».
- Gleichzeitig mit den Konkursen wurde eine Firma namens Bikefox gegründet. Sie soll die Geschäfte fortführen.
- Ackermann bestreitet die Vorwürfe.
Eine neue Vision für die Velobranche und «fortlaufend neue Massstäbe». Das verspricht der Velohändler Bikebox auf seiner Website. Eine Zeit lang schien das gar nicht übertrieben. Nach der Gründung vor etwa fünf Jahren wuchs die Firma mit Hauptsitz in Interlaken rasch auf sechs Filialen, fünf davon im Kanton Bern und eine im Kanton St. Gallen.
Bekannt wurde Bikebox durch ihren Onlinehandel in der gesamten Schweiz. «Dank uns kann sich jeder Fahrradfahren leisten», war die selbstbewusste Ansage.
Doch es gibt ehemalige Mitarbeiter von Bikebox, die eine andere Geschichte erzählen: Bikebox-Lieferanten würden auf Zahlungen in Millionenhöhe warten, andere ihre Velos nur mehr gegen Vorkasse liefern.

Der Blick ins Handelsregister bestätigt nicht nur massive Probleme bei Bikebox. Er zeigt äusserst merkwürdige Vorgänge rund um die Firmenkette: Im Oktober 2024 bekamen die hinter den einzelnen Bikebox-Läden stehenden Gesellschaften neue Namen und verlegten ihren Firmensitz aus den Kantonen Bern und St. Gallen nach Zug. Anfang November 2024 wurde über die neu benannten Firmen der Konkurs eröffnet.
Die Bikebox-Läden arbeiten trotz der Liquidation weiter, nun aber unter einer neuen Trägergesellschaft mit einem täuschend ähnlichen Namen. Statt Bikebox nun: Bikefox. Gegründet wurde diese Firma im Oktober 2024, also etwa zur selben Zeit, als die Vorgängerfirmen Namen und Sitz wechselten.
Ein ganz normaler Vorgang?
Wenn Roland Berli von der Liquidierung einer Firma nach Namens- und Kantonswechsel hört, liegt für ihn die Vermutung nahe: «Firmenbestattung» und «Konkursreiterei». Darüber schreibt der ehemalige Polizist und heutige Inhaber einer Treuhandfirma seine Dissertation, und er weiss, wie schwer der Schaden wiegt, wenn sich durch solche Methoden schwer angeschlagene Unternehmen den Forderungen ihrer Gläubiger entziehen können.
Allein für den Kanton Zürich schätzte die Polizei 2022 den Schaden auf 300 Millionen Franken. Schweizweit geht er vermutlich in die Milliarden. «Wenn jemand eine Firma umbenennt und sie dann auch noch in einen anderen Kanton verlegt, um den Konkurs durchführen zu lassen, weist dies schon auf eine geplante «Versenkung» des Unternehmens hin», sagt Berli.
Wurden die Bikebox-Firmen gezielt in den Konkurs geführt, um sich so der Schulden zu entledigen?
Andreas Ackermann wurde vom Alphirten zum Unternehmer
Der Gründer und Kopf von Bikebox ist der aus dem Kanton Freiburg stammende Andreas Ackermann, der sich selbst «Acki» nennt. Er sagt, dass «zu keinem Zeitpunkt unehrenhafte oder unredliche Beweggründe Treiber unserer Aktivitäten waren».
Weggefährten beschreiben Ackermann als einen Menschen, der schon in jungen Jahren viele überraschende Ideen hatte, aber manchmal auch die Bodenhaftung verlor. In einem Youtube-Interview erzählt «Acki», dass er in der Familie oft mit Suiziden konfrontiert gewesen sei. Als Schüler sei er manchmal nicht gerne nach Hause gegangen. «Ich wusste nicht: Lebt meine Mutter noch?» Bei ihm solle es anders laufen.
Er machte eine Lehre als Forstwart, verbrachte mehrere Sommer als Älpler beim Schwarzsee. Dort traf er auf Moritz Boschung, einen bekannten Älpler und Sportler. Der erinnert sich heute noch gut an den jungen Mann.
«Einmal hat mir Acki erzählt, er habe in Deutschland gelernt, wie man mit den Leuten rede», erzählt Boschung: Man müsse dem Kunden in der ersten halben Stunde immer recht geben – dann bekomme man, was man wolle.

Ackermann war überzeugt, dass er auch ohne Stress viel Geld verdienen kann. Das sei seine «wegweisende Entscheidung» gewesen, schrieb er einmal. Zunächst arbeitete er als Verkäufer für die Velofirma Thömus. 2012 eröffnete er in Tafers einen Veloladen namens Bigfriends. Bald kamen weitere in Thun, Bern oder Münsingen hinzu. Daraus entstand die Bikebox-Kette.
Selbstverwirklichung mit «Acki»
Neben dem Velohandel bietet er über eine eigene Firma Coaching und Hilfe zur Selbstverwirklichung durch Hypnosetherapien an. Philipp Rapp, selbst Coach aus Muri bei Bern, kennt Ackermann seit Jahren. «Acki» sei sowohl als Unternehmer wie als Coach ein Macher, ein Autodidakt. Die Firmen habe er allein durch praktische Erfahrungen und den Austausch mit Führungskräften aufgebaut.

Ackermanns Marke heisst Feelen. Auf der Website preist er seine Coachings mit schwärmerischen Erfahrungsberichten, esoterisch angehauchten Illustrationen und Motivationssprüchen wie «Erfolg ist kein Ziel, sondern eine Reise» an.
Für wenige Tausend Franken ist man dabei. Längerfristige Coachings könnten schon mal in die hunderttausend Franken gehen, sagt Rapp.
Ehemalige Mitarbeiter loben Ackermanns Initiativen und Innovationen. Manche sehen ihn als Visionär, der die Velobranche aufgerüttelt habe. So beschreibt sich Ackermann in einem Youtube-Interview auch selbst – als «brutal kreativ» und mit «zu vielen Ideen». Seine einzige Herausforderung? Zu schnelles Wachstum. «Ich habe eine Idee und sage: Lasst uns kreieren, bum, bum, bum, bum.»
Volle Auftragsbücher während der Pandemie
In der Velobranche stellte sich das schnelle Wachstum als Falle heraus. Während der Pandemie suchten die Menschen Frischluft und Bewegung – und kauften Velos wie wild. Die Auftragsbücher in der Branche waren voll, die Gewinne hoch.
Doch ab 2023 führte eine unheilvolle Mischung aus globalen Lieferschwierigkeiten, rückgängiger Nachfrage und vollen Lagern zu massiven Umsatz- und Gewinneinbussen. Bekanntes Beispiel ist die Schliessung der Fabrik des E-Bike-Pioniers Flyer im bernischen Huttwil.
«Nach der Party herrscht in der Schweizer Fahrradbranche aktuell der Kater», sagt Martin Platter, Geschäftsleiter von Velosuisse. Viele Händler blieben auf den bestellten Velos sitzen. Auch Bikebox.

Das bestätigt Andreas Ackermann im Gespräch mit dieser Redaktion: Die Preise für Bikes seien nach der Pandemie drastisch gefallen, «das bekamen wir zu spüren». Man habe Sanierungsmassnahmen gestartet und mit den Gläubigern Gespräche über eine Reorganisation geführt. Weil das nicht alle Gläubiger akzeptierten, habe man Konkurs anmelden müssen. «Dabei habe auch ich mein gesamtes Privatvermögen verloren», sagt Ackermann.
Verschleierung durch Verlegung?
Dass der Konkurs der Bikebox-Kette im Herbst 2024 weitgehend unbemerkt über die Bühne ging, lag wohl auch daran, dass sie kurz zuvor Namen und Firmensitz geändert hatte. Durch die Verlegung des Firmensitzes in einen anderen Kanton solle häufig die Zahlungsunfähigkeit verschleiert werden, bestätigt das Konkursamt Zug: Die Veröffentlichung im Amtsblatt erfolge nur im neuen Kanton und mit dem neuen Firmennamen, schreibt die Medienstelle: «Dies kann auch dazu führen, dass Gläubiger nicht oder erst zu spät vom Konkurs einer Gesellschaft erfahren.»
Weil der volkswirtschaftliche Schaden der Konkursreiterei in den vergangenen Jahren immer höher wurde, zwingt nun eine Gesetzesänderung die Konkursämter zum Handeln: Sie müssen bei Verdacht auf Konkursreiterei Strafanzeige erstatten. Das Gesetz trat mit Januar 2025 in Kraft. Auf Misswirtschaft steht eine Geldstrafe oder bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe.
Allerdings weiss der ehemalige Ermittler Roland Berli, wie schwer Konkursreiterei nachzuweisen ist. Denn die Konkursämter sind in jedem Kanton anders organisiert, was den Datenaustausch zwischen den Kantonen erheblich erschwert. «Vor Inkraftsetzung der neuen gesetzlichen Bestimmungen haben die Konkursämter oftmals auf Strafanzeigen verzichtet, denn der Ermittlungsaufwand ist enorm und die Erfolgsaussichten teils gering», sagt Berli.
Bikefox statt Bikebox
Andreas Ackermann weist den Verdacht der Konkursreiterei energisch zurück: Er habe die Firmen nach Zug übersiedelt, weil es dort bereits eine von ihm gegründete GmbH gegeben habe.
Und die Umbenennung sei aus Reputationsgründen erfolgt: «Wir wollten doch aus dem Konkurs heraus die neuen Unternehmen möglichst unbelastet zu neuem Erfolg führen.» Von Unklarheiten könne keine Rede sein, sagt Ackermann: «Mit den Gläubigern standen und stehen wir in offenem Austausch.»
In der parallel zum Konkurs gegründeten Firma Bikefox scheint der Name Andreas Ackermann nicht mehr auf. Als Verwaltungsräte sind jedoch zwei seiner langjährigen Mitstreiter eingetragen.

In den besten Zeiten arbeiteten für Ackermanns Läden 80 Personen, mittlerweile sollen es nur mehr rund 30 sein. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gingen von selbst. In Münsingen will der frühere Shopleiter mit ehemaligen Bikebox-Angestellten einen eigenen Laden aufbauen.
Beim Laden in Ostermundigen zeigt noch ein grosser Wegweiser zum Ausstellungsraum. Doch er führt ins Leere. Dort steht kein einziges Velo mehr.
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