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US-Abzug aus Afghanistan
Biden schweigt zum Vormarsch der Taliban

Genug ist genug: «Der Präsident hat klargemacht, dass es nach 20 Jahren an der Zeit ist, dass die amerikanischen Truppen nach Hause kommen», sagte seine Sprecherin im Weissen Haus.
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Falls es noch eines Beweises bedurft haben sollte, dass die USA ihr Engagement in Afghanistan tatsächlich beenden, dann wurde dieser das vergangene Wochenende erbracht. Nachdem die Taliban
mehrere Städte im Norden des Landes eingenommen hatten, war die offizielle Reaktion in Washington vor allem: Schweigen. Inoffiziell liess die US-Regierung verlauten, dass es nun an den afghanischen Regierungstruppen sei, sich den Taliban entgegenzustellen.

Im April hatte Präsident Joe Biden angekündigt, dass sämtliche US-Truppen bis zum 11. September abgezogen würden, bis zum 20. Jahrestag von 9/11 also. Mittlerweile hat Biden den Stichtag auf den 31. August vorverlegt. Schon jetzt sind allerdings nur noch 650 US-Soldaten in Afghanistan stationiert. Seit die Amerikaner ihren Luftwaffenstützpunkt in Bagram im vergangenen Monat offiziell an die afghanischen Regierungstruppen übergeben haben, ist der Einsatz de facto vorbei. US-Unterstützung für die afghanische Armee kommt jetzt allenfalls noch aus der Luft, von Stützpunkten in Katar, den Vereinigten Arabischen Emiraten oder von einem in der Region stationierten Flugzeugträger.

«Das Beste, auf das wir jetzt hoffen können, ist eine Art Patt zwischen den Taliban und den afghanischen Truppen.»

Leon Panetta, ehemaliger US-Verteidigungsminister

Der frühere Verteidigungsminister Leon Panetta sagte am Sonntag, er habe mehr Unterstützung aus der Luft im Kampf gegen die Taliban erwartet. Allerdings gehe er nicht davon aus, dass mehr Luftschläge die Situation entscheidend verändert hätten. «Das Beste, auf das wir jetzt hoffen können, ist eine Art Patt zwischen den Taliban und den afghanischen Truppen», sagte Panetta.

Aus dem Pentagon verlautete, dass man nicht beabsichtige, wieder aktiver einzugreifen. Regierungssprecherin Jen Psaki hatte bereits am Freitag gesagt, dass Biden nicht vorhabe, seine Marschroute zu ändern. «Der Präsident hat klargemacht, dass es nach 20 Jahren an der Zeit ist, dass die amerikanischen Truppen nach Hause kommen», sagte sie im Weissen Haus. Die afghanische Armee habe nach Ansicht Bidens sowohl die Ausbildung als auch die Ausrüstung, um den Kampf gegen die Taliban allein fortzuführen.

Demokraten und Republikaner begrüssen Abzug

Biden war schon als Vizepräsident unter Barack Obama ein Befürworter des Abzugs aus Afghanistan. Seinerzeit ist er von Präsident Obama jedoch überstimmt worden. Dass er den Abzug nun als Präsident vollzieht, wird von einer Mehrheit der Demokraten und der Republikaner in Washington begrüsst.

Angst vor den Taliban: Afghanische Familien fliehen vor den Kämpfen in Kunduz. 

Unter Militärexperten herrscht allerdings Skepsis. Es wird befürchtet, dass die USA bei weiteren militärischen Erfolgen der Taliban gezwungen sein könnten, ihr Engagement doch wieder auszuweiten. Einem Bericht der UNO zufolge sind von Anfang Mai bis Ende Juni 2400 Zivilisten in Afghanistan getötet worden. Das ist die höchste Zahl seit Beginn der UNO-Erhebungen im Jahr 2009. Befürchtet wird, dass darunter viele Menschen sein könnten, die den USA als Übersetzer, Fahrer und in anderen Funktionen geholfen haben. Die Taliban hatten Vergeltung angekündigt.

«Diejenigen, die uns geholfen haben, werden wir nicht zurücklassen.»

US-Präsident Joe Biden

Der US-Kongress hat jüngst 1,1 Milliarden Dollar bewilligt, um die Helfer und deren Angehörige in die USA zu bringen. Präsident Biden hatte vor wenigen Wochen gesagt: «Diejenigen, die uns geholfen haben, werden wir nicht zurücklassen.» Damit reagierte er darauf, dass es in der Vergangenheit monatelang, teils jahrelang dauerte, bis die Asylanträge bearbeitet wurden.

Bis zu 100’000 Afghanen in den USA erwartet

Mittlerweile hat der Kongress die Zahl der Visa für Helfer von 11’000 auf 19’000 aufgestockt. Da die Helfer ihre Angehörigen mitbringen dürfen, könnten laut dem demokratischen Senator Tim Kaine bis zu 50’000 Afghanen in die USA übersiedeln. Laut «New York Times» plant das Pentagon sogar mit bis zu 100’000 Menschen. Allerdings sollen nicht alle Helfer direkt in die USA gebracht werden. Geplant ist, viele von ihnen zunächst in Drittländer zu bringen, während ihre Anträge bearbeitet werden. Unklar ist, was mit denen passiert, deren Anträge abgelehnt werden.

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