Betrug und andere krumme TourenE-Truck-Pioniere fahren ihr Geschäft an die Wand
Hersteller von Elektro-Lastwagen in den USA profitierten von einem Hype – der sich als «wahnsinnige Blase» entpuppte. Investoren haben Unsummen verloren, mindestens 30 Firmen stehen am Rand des Ruins.
Das Video war nur einer der Beweise im Gerichtsverfahren gegen Trevor Milton, aber es ist symptomatisch für den prekären Zustand der meisten amerikanischen Hersteller von Elektrofahrzeugen. Zu sehen ist ein schwerer Lastenzug in der Wüste von Utah. Der Laster ist zügig unterwegs auf einer einsamen Landstrasse für die Transportfirma U.S. Xpress.
Der Nikola One ist das erste Produkt aus dem Haus des Nikola – doch alles ist nur Schein. Der Lastwagen ist eine Attrappe. Er verfügt über keinen Motor und fährt nur, weil die Strasse abschüssig ist. Zwar sollte Nikola einige Dutzend Elektro-Lastwagen produzieren, aber nie so, wie das Video glauben machte und wie Unternehmenschef Milton den Investoren versichert hatte.
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Nikola habe bereits Bestellungen für mehrere Milliarden Dollar für den emissionsfreien Lastwagen und entwickle zudem einen mit Wasserstoff betriebenen Lastenzug, hiess es in den Börsenunterlagen. Beides war gelogen, wie ein New Yorker Gericht diese Woche feststellte, als es Milton wegen Betrugs zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilte. Die vorgetäuschten Bestellungen stammten von nicht existierenden Firmen und die Wasserstofftechnologie war nicht marktreif.
Doch im Hype um Elektrofahrzeuge in den letzten drei Jahren spielte das offenkundig keine Rolle. Betrügerische Unternehmer wie Milton und schlitzohrige Risikokapitalgeber brachten seit 2020 Dutzende von Unternehmen wie Nikola im Schnellzugverfahren, ohne kritische und unabhängige Analyse, an die Börse und vermarkteten sie mit übertriebenen Versprechen.
Das Nachsehen hatten – wie immer in Börsenmanien – die naiven Privatinvestoren. Aber auch professionelle Anleger wie Blackrock und Fidelity liessen sich anstecken, investierten in die gehypten Elektroautofirmen und erlitten grosse Verluste. Im Fall von Nikola wird die Betrugssumme auf 660 Millionen Dollar geschätzt.
«Die wahnsinnigste Marktblase»
Nikola ist der bisher einzige Hersteller, dem Betrug nachgewiesen wurde. Aber mindestens 30 weitere Firmen stehen am Rand des Ruins. Ihre Wertvernichtung erreicht Dutzende von Milliarden Dollar. Nikola ist zwar noch immer im Geschäft, hat aber 99 Prozent an Wert verloren und warnte davor, im kommenden Jahr kein Geld mehr zu haben. Der andere hoch bejubelte Produzent von Elektrolastwagen, Proterra, ist bereits bankrott gegangen.
Selbst Rivian und Lucid, die immerhin mehrere Tausend Luxuswagen absetzen konnten und denen die besten Überlebenschancen gegeben werden, müssen unten durch. Sie haben nach eigenen Angaben derzeit zwar noch genug Cash, um nächstes Jahr produzieren zu können. Doch die nachlassende Nachfrage nach Elektrofahrzeugen bringt auch sie in Bedrängnis. Da sie mit jedem Wagen Verluste machen und nicht genug Cashflow erarbeiten, müssen sie sich mehr verschulden. Und dies zu stark gestiegenen Zinsen. Ihr Überleben nach dem Jahr 2024 ist gemäss einer Analyse des «Wall Street Journal» nicht gesichert.
Die Aktienkurse spiegeln die tiefe Krise der Branche. Im Schnitt haben die Firmen seit ihrem Markteintritt über 80 Prozent an Wert verloren. Seit dem Höhepunkt während der Covid-Jahre sind es sogar 95 bis 99 Prozent. Das Debakel ist noch extremer als im Krypto-Boom, sagt Gavin Baker, Investmentchef von Atreides Management. «Das ist die wahnsinnigste Marktblase, die ich je gesehen habe.»
Schwindel mit Bestellungen
Akut gefährdet sind besonders kleine Firmen wie Faraday, Lordstown und Canoo, die mit überrissenen Prognosen ausgefallen sind. Faraday etwa verfügt nur noch über 8,6 Millionen Dollar Betriebskapital, nachdem das Unternehmen an der Börse zunächst fast eine Milliarde Dollar beschafft hatte. Der Börsenwert ist von 16 Milliarden auf 15 Millionen Dollar kollabiert. Das Unternehmen musste unter Druck eines kritischen Analystenberichts zugeben, dass die behaupteten 14’000 Bestellungen nicht existierten. Die Börsenaufsicht und das Justizdepartement ermitteln wegen Betrugs.
Auch Canoo, ein Hersteller von Elektrolieferwagen, führte die Investoren in die Irre, als das Unternehmen nicht existierende Bestellungen von Walmart im Wert von 750 Millionen Dollar bekannt gab. Dennoch schossen Investoren noch einmal 390 Millionen ins Unternehmen, bevor Canoo die Bombe platzen liess: Das Überleben der Firma sei «substanziell in Zweifel» gestellt, hiess es im November. Der Marktwert ist seit 2021 um 99 Prozent gefallen.
Protektionismus stösst an Grenzen
Angetrieben wurde die Blase allerdings auch durch einen starken politischen Rückenwind. So lobte Donald Trump 2020 den inzwischen bankrotten Elektrolastwagenhersteller Lordstown, der damals dank Regierungssubventionen eine ehemalige GM-Fabrik in Ohio übernehmen konnte. Lordstown-Gründer Steve Burns habe ein «unglaubliches Konzept» entwickelt, meinte Trump.
Doch bald schon musste Burns seinen Sessel räumen, nachdem Hindenburg, eine für treffsichere Untersuchungen bekannte Analystenfirma, nachgewiesen hatte, dass er auch die Zahl der Bestellungen verfälscht hatte. Die Aktie dümpelt bei einem Dollar, nachdem sie 2021 zu über 400 Dollar gehandelt wurde.
Tesla ist heute – neben Nio aus China – der einzige reine Elektroautohersteller mit einem positiven Cashflow. Doch selbst Tesla stand vor fünf Jahren vor dem Ruin, bevor Elon Musk entschied, auf Massenproduktion umzustellen und mit Preissenkungen die Konkurrenz an die Wand zu fahren. Zudem schirmt Joe Bidens Regierung den amerikanischen Markt mit restriktiven Produktionsquoten vom Wettbewerb durch die günstigeren chinesischen Anbieter wie Nio ab. Doch den meisten US-Herstellern hilft auch dieser Protektionismus nicht mehr weiter.
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