Durchbruch im Titel-StreitBerufsleute sollen den Bachelor nun doch erhalten
Der Druck aus Praxis und Politik wirkt: Nach jahrelangem Widerstand schlägt das Bildungs-Staatssekretariat die Titel «Professional Bachelor» und «Professional Master» vor.
Manchmal mahlen die Mühlen in Bundesbern erstaunlich schnell. Seit mehr als zehn Jahren beklagen Politiker und Praktikerinnen, schweizerische Berufsleute seien gegenüber der ausländischen Konkurrenz benachteiligt, weil sie keinen Bachelor oder Master erhalten, wenn sie sich nach der Lehre weitergebildet haben.
Der vorläufig letzte Versuch, diese Titel einzuführen, scheiterte in der Frühjahrssession im Ständerat. (Lesen Sie hier mehr dazu.) Nationalräte und Nationalrätinnen aus sämtlichen sechs Fraktionen forderten daraufhin in gleichlautenden Vorstössen einen Neuanlauf.
Signal an Jugendliche und Eltern
Keinen Monat später handelte das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI). Gemäss Recherchen dieser Zeitung präsentierte es den Bildungsorganisationen und den Sozialpartnern einen Vorschlag, wie der «Professional Bachelor» und der «Professional Master» doch noch eingeführt werden könnten: nämlich als Ergänzung zu den heutigen, im hiesigen Arbeitsmarkt bekannten Titeln.
Absolventinnen und Absolventen einer eidgenössischen Berufsprüfung sowie eines Diploms HF sollen sich demnach zusätzlich «Professional Bachelor» nennen dürfen. Wer eine eidgenössische höhere Fachprüfung abgelegt hat, soll den «Professional Master» als Titelzusatz bekommen.
Damit rückt das SBFI von seiner bisherigen Linie ab. Vor ein paar Jahren versuchte es die Benachteiligung schweizerischer Berufsleute zu beseitigen, indem es neue Titel kreierte, zum Beispiel das «Advanced Federal Diploma of Higher Education». Doch diese «konnten sich im Feld nicht etablieren», wie das Staatssekretariat jetzt einräumt.
Mit den ergänzenden Titeln «Professional Bachelor» und «Professional Master» sollten die Sichtbarkeit und Verständlichkeit der Abschlüsse höherer Berufsbildung erhöht werden, heisst es in den Konsultationsunterlagen. Und weiter: «Dies insbesondere auch als Signal an Jugendliche und Eltern in der Schweiz, die sich für einen Bildungsweg entscheiden.»
Die schweizerischen Berufsleute seien die am besten ausgebildeten; im Staatssekretariat sei offensichtlich die Einsicht gereift, wie enorm wichtig gleichwertige Titel für sie seien, freut sich der Berner SP-Nationalrat Matthias Aebischer, der den parlamentarischen Kampf für die Titel anführt. Freude über die «lang ersehnte und dringend notwendige Aufwertung von Berufsbildung und höherer Berufsbildung» herrscht auch bei Gewerbeverbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler. Endlich werde ersichtlich, dass man auch auf diesem Weg berufliche Karriere machen könne.
«Es ist eine einfach anzuwendende Lösung, mit der aber nicht alle einverstanden sein werden.»
Von einem «gut durchdachten Vorgehen» spricht Rudolf Strahm. Der Bildungsexperte und ehemalige SP-Nationalrat setzt sich angesichts des Fachkräftemangels für die neuen Titel ein. Im Interview mit dieser Zeitung hatte er dem SBFI vorgeworfen, die Berufsbildung permanent zu benachteiligen und abzuwerten. Nun attestiert er dem Staatssekretariat «den erfreulichen Willen zur Zielstrebigkeit und Lösungsorientierung».
Als Knacknuss ortet Strahm allerdings den Punkt, dass alle Berufsprüfungen gleich behandelt werden sollen. «Es ist eine einfach anzuwendende Lösung, mit der aber nicht alle einverstanden sein werden», sagt auch Aebischer.
Tatsächlich hält sich bei der Schweizerischen Konferenz der Höheren Fachschulen (K-HF) die Begeisterung in Grenzen. Präsident Peter Berger weist auf die unterschiedlichen Voraussetzungen der verschiedenen Ausbildungen hin. Jene der Höheren Fachschulen seien reglementiert, die Vorbereitung für eine Berufsprüfung jedoch nicht.
Gleicher Titel für den kürzeren Bildungsweg
Wer zum Beispiel einen eidgenössischen Fachausweis als Holzbau-Vorarbeiter erwerben will, kann nach etwa 1000 Stunden einschliesslich Projektarbeit an die Berufsprüfung. Ein diplomierter Holztechniker HF hingegen braucht 5400 Stunden für seinen Abschluss. Beide dürften sich aber künftig «Professional Bachelor» nennen.
Um den unterschiedlichen Anforderungen an den Bildungsweg Rechnung zu tragen, möchte die Konferenz der Höheren Fachschulen den Professional Bachelor als Titel, nicht als Zusatz. Eine Pflegefachfrau wäre demzufolge eine «Professional Bachelor in Pflege» mit dem Zusatz «dipl. Pflegefachfrau HF» statt wie vom SBFI vorgeschlagen umgekehrt. Ein Elektrotechniker bekäme analog den Titel «Professional Bachelor in Elektrotechnik» mit dem Zusatz «dipl. Elektrotechniker».
Trotz dieses Vorbehalts verzichtet die Konferenz der Höheren Fachschulen auf Fundamentalopposition gegen den Vorschlag aus Bern. «Wir kämpfen seit 15 Jahren für angemessene Titel – jetzt müssen wir mal einen Punkt machen», sagt Berger. Man wolle mithelfen, dass es endlich vorwärtsgehe, nach dem Motto: «Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.»
Hochschulverband hält sich bedeckt
Wobei der Spatz auch noch nicht gesichert ist. Das SBFI hat unter anderem Swissuniversities konsultiert – die Dachorganisation der Schweizer Hochschulen, an deren Widerstand die Einführung des «Professional Bachelor» im Parlament gescheitert ist.
Zum neuesten Vorschlag gibt es auf Anfrage zwar noch keine Stellungnahme. Auf der Website von Swissuniversities steht aber weiterhin, dass die Titel Bachelor und Master aus dem Hochschulbereich stammen. Würden sie auch für die höhere Berufsbildung eingeführt, würde «eher Verwirrung geschaffen».
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