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Höhenbergsteigen wird noch extremerVier Briten inhalieren Gasgemisch und wagen schnellste Everest-Expedition der Geschichte

Ein führender Anbieter kommerzieller Expeditionen lanciert ein neues Angebot für 150’000 Euro auf den Prestigeberg. Ist das bahnbrechend oder gefährlich?

Bergsteiger in orangefarbenen Anzügen erklimmen einen schneebedeckten Grat in einer hochalpinen Landschaft.
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Der Ansturm beginnt mit dem Artikel in der «Financial Times». Titel: «Wie man in einer Woche den Mount Everest besteigt». In den Stunden danach geht eine E-Mail nach der anderen bei Lukas Furtenbach ein, dem Gründer und Geschäftsführer von Furtenbach Adventures. Die Absender interessieren sich für das Produkt, das der 47-Jährige diesen Frühling auf den Markt bringt: Abflug am Montag, Everest-Gipfel am Donnerstag, rechtzeitig zurück für das Abendessen am Sonntag. Kosten: 150’000 Euro.

Herkömmliche Expeditionen auf die 8000er dauern gut zwei Monate. In dieser Zeit akklimatisiert sich der Körper am Berg natürlich an die extremen Höhen. Bei Furtenbach geht es rasanter. Das sei möglich dank eines Gases, dessen genaue Zusammensetzung er nicht preisgibt. Inzwischen hat er sein Team zusammen für die einwöchige Tour: Vier Briten wollen im Mai diese schnellste Everest-Expedition der Geschichte erleben.

Vom Shrimpfischer zum Everest-Vermarkter

Der Österreicher Furtenbach war Shrimpfischer in den USA, Concierge in Belize und Hausmeister auf einem Campingplatz in Mexiko. Er bestieg die höchsten Berge der Welt; heute ist er einer der führenden westlichen Anbieter von Everest-Expeditionen. Und ein begnadeter Vermarkter. Wer bei ihm bucht, wird von einer Sterneköchin verköstigt, kann Wein trinken und saunieren, alles im Basislager auf rund 5300 m.

Person liegt in einem Bett unter einer durchsichtigen Zeltabdeckung, umgeben von Kissen und Decken.

Vor wenigen Jahren hat Furtenbach den ersten Schritt zur Verkürzung der Expeditionsdauer vollzogen: von zwei Monaten auf drei Wochen. Der Schlüssel für diese sogenannten Flash-Expeditionen sind Hypoxie-Zelte, in denen Kunden daheim rund acht Wochen schlafen. In den luftdichten Hüllen herrscht Sauerstoffarmut, die Zelte simulieren also die Bedingungen an den höchsten Bergen der Welt. Für den Rest der Akklimatisierung sorgen die drei Wochen am Everest.

Die Gasmischung für den Everest bleibt Betriebsgeheimnis

Jetzt geht der Tiroler den nächsten Schritt und verkürzt die Zeit von drei Wochen auf eine. Dafür integriert Furtenbach laut eigenen Angaben ein weiteres Element zur Akklimatisierung: Er verabreicht seinen Kunden eine 30-minütige Behandlung mit einem Gasgemisch. Es besteht insbesondere aus Sauerstoff und dem Edelgas Xenon, der Rest bleibt Betriebsgeheimnis. Furtenbach sagt: «Ich möchte es unseren Mitbewerbern so schwer wie möglich machen. Weil ich wirklich ein Problem damit habe, dass sie alles kopieren, was wir machen.»

Der Ablauf des Unterfangens ist so geplant: Die Kunden akklimatisieren sich wochenlang in Hypoxie-Zelten, die genaue Dauer ist individuell. Zeichnet sich ein Wetterfenster ab, das einen Gipfelversuch zulässt, erhalten sie unter ärztlicher Aufsicht die 30-minütige Behandlung mit dem Xenon-Gemisch. Danach reisen sie nach Kathmandu und von da per Helikopter ins Basislager.

Dort lernen sie die Sherpas kennen. Zwei Stunden später beginnt der Aufstieg, ganz ohne klassische Akklimatisierung vor Ort. Vom Basislager bis zum Gipfel sind drei Tage eingeplant, für den Abstieg ein weiterer. Sieben Tage nach der Abreise sollen die Kunden wieder bei sich zu Hause sein.

Furtenbach sagt: «Das ist schon sehr aggressiv.»

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Auf seiner Website verspricht er den Kunden «unlimitierten Sauerstoff». Die Regler an den Sauerstoffflaschen, speziell für Furtenbach entwickelt, erlauben bis zu acht Liter Sauerstoff pro Minute, was aussergewöhnlich viel ist. Furtenbach setzt diese Flussrate punktuell ein, um etwa Schlüsselstellen kurz vor dem Gipfel schneller zu passieren.

Dass Xenon auf der Dopingliste steht, spielt keine Rolle

Ein Schlüssel dieser Speedbegehung soll also die Xenon-Behandlung sein – doch was ist das überhaupt für ein Gas? Xenon zählt zu den seltensten chemischen Elementen überhaupt. Es wird unter anderem in Lampen eingesetzt oder als Narkosegas, was wegen des hohen Preises allerdings kaum vorkommt. Die 30-minütige Xenon-Behandlung, die Furtenbach anbietet, soll bis zu 5000 Dollar pro Kunde kosten.

Unter der Haube: Lukas Furtenbach während einer Xenon-Behandlung.

Rund um die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi kam Xenon in die Schlagzeilen, weil die Russen damit gedopt haben sollen. Es regt die körpereigene Produktion von Erythropoetin (Epo) an, was zu einer Steigerung der Produktion von roten Blutkörperchen führt und damit zur besseren Versorgung des Körpers mit Sauerstoff. Der gleiche Mechanismus wird ausgelöst, wenn Athleten Epo spritzen, was gesundheitliche Risiken mit sich bringen kann und in der Anwendung umständlicher ist.

Xenon steht auf der Dopingliste. Für diese Geschichte ist das irrelevant, weil Höhenbergsteigen kein organisierter Sport ist und es deswegen kein Doping im sportrechtlichen Sinn gibt. Aber Furtenbach will genau jenen Effekt nutzen, dessentwegen es Xenon auf die Dopingliste geschafft hat. Er sieht in der Behandlung mit Xenon «eigentlich nur eine neue Form der Akklimatisierung und einen Sicherheitsgewinn», wie er sagt.

Xenon-Ansatz: Kaum Studien zum Höhenbergsteigen

Ein Facharzt für Anästhesie, der auch in der Höhenmedizin arbeitet und nicht namentlich genannt werden möchte, hält die Anwendung des Effekts von Xenon auf die Akklimatisierung für «spekulativ». Und die medizinische Kommission der Internationalen Union der Alpinismusvereinigungen (UIAA), zu der auch der Schweizer Alpen-Club (SAC) gehört, empfiehlt in einer «Stellungnahme zu Xenon und Höhenbergsteigen» vom 22. Januar die «bewährten Methoden zur Akklimatisierung», denn es gibt kaum Studien dazu, wie und ob Xenon für Höhenbergsteiger wirkt.

Furtenbach sagt: «Man unterstellt uns, dass wir nicht seriös seien. Aber wir würden nie jemandem etwas anbieten, wenn wir nicht sicher sein können, dass alles hundert Prozent wasserdicht ist. Das zeigt unsere einwandfreie Sicherheits- und Erfolgsstatistik sehr eindrucksvoll.»

Ein Mann mit braunem Haar trägt eine grüne Daunenjacke und ein schwarzes T-Shirt. Er steht mit verschränkten Armen vor einem grauen Hintergrund.

Die Idee, Xenon für die Akklimatisierung einzusetzen, kommt von Michael Fries, Chefarzt für Anästhesie im St.-Vincenz-Krankenhaus in Limburg, Deutschland. Er hatte ein Radiointerview mit Furtenbach gehört und schlug ihm die Methode vor. Furtenbach hat sie selbst ausprobiert, unter anderem für den Everest (8849 m) und den Lhotse (8516 m).

Zudem hätten 14 weitere Menschen die Methode getestet. Eng begleitet, wie Mediziner Fries sagt: «Mit Interviews, mit Sättigungsmessungen. Und die fielen zum Teil besser aus als bei den Sherpas.» Fries hält das gesundheitsschädliche Potenzial seiner Methode für «extrem gering» und die «Nebenwirkungen für fast nicht vorhanden».

Ein Arzt wird dabei sein, wenn die Kunden die 30-minütige Behandlung erhalten. Noch ist allerdings einiges unklar. Zum Beispiel, wo sie das Xenon verabreicht bekommen. Oder wann genau der richtige Tag dafür ist. Fries sagt: «Man braucht rund zwei Wochen Vorlaufzeit. Denn die Stimulation des Epos tritt verzögert auf. Nur so gibt es eine adäquate Produktion von Epo und entsprechend den roten Blutkörperchen.»

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Klassische Expeditionen setzen bei der Akklimatisierung auf Rotationen am Berg. Das bedeutet, dass Bergsteigerinnen mehrmals in höhere Lager aufsteigen und danach wieder ins Basislager zurückkehren. Das bedeutet auch, dass die Bergsteiger zum Beispiel mehrmals durch den Khumbu-Gletscher steigen müssen. Er ist eine der gefährlichsten Stellen einer Everest-Besteigung von nepalesischer Seite, weil der Gletscher ständig in Bewegung ist, Spalten aufgehen und Eisschlag droht.

Wer sich nur eine Woche anstatt zwei Monate am Berg aufhält, ist diesen Gefahrenzonen kürzer ausgesetzt. Zudem will Furtenbach die Sauerstoffvorräte am Berg verdoppeln: «Ich setze meine Kunden nicht dem Risiko aus, dass sie in drei Tagen auf 8000 Meter aufsteigen, und dann ist da zufällig kein Sauerstoff mehr, weil dieser von einem Mitbewerber gestohlen worden ist.»

Bald im Raumanzug auf den Everest?

Irgendwann will Furtenbach Expeditionen anbieten können, bei denen sich die Kunden ausschliesslich mit Xenon akklimatisieren. «Aber dafür brauchen wir mehr Erfahrungswerte», sagt er. «Vielleicht gibt es einmal eine medizinische Studie. Und dann wird es ein Produkt sein, das wir anbieten können. Bis dahin werden wir immer auch mit Hypoxie-Zelten akklimatisieren.»

Furtenbach hat durch seine konsequente Vermarktung die Expeditionslandschaft am Everest verändert. Dadurch ist er bei manchen Bergsteigern umstritten. Er glaubt, dass in Zukunft Menschen mit einem raumfahrtartigen Anzug auf dem Gipfel stehen werden, mit einem geschlossenen System also, ähnlich der Druckkabine im Flugzeug.

Höher geht nicht, aber schneller

Bis es so weit ist, könnte die Ein-Wochen-Expedition zum ultimativen Produkt werden – für sehr reiche Menschen. Zu diesen gehören die vier Briten der Mai-Expedition nicht einmal. Sie alle bezahlen einen unbekannten Einstiegspreis, der unter den angestrebten 150’000 Euro liegt.

Einer von ihnen ist Garth Miller, Pilot bei British Airways und ehemaliger Offizier der britischen Armee. Er erklärt der «Financial Times», was für ihn diese Pilot-Expedition auf den Everest ausmacht: «Höher kannst du nicht aufsteigen. Aber schneller.»

Korrektur: In einer ersten Version äusserte sich auch ein Schweizer Experte zu Xenon. Er hat seine Aussage mittlerweile zurückgezogen, darum wurde sie entfernt.