Analyse zum Chaos an FlughäfenBauchlandung mit Ansage
Weil das Personal fehlt, streichen die Airlines Flüge und stauen sich die Koffer. Wie konnte sich die Flugindustrie nur derart verkalkulieren?
Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben, besagt ein Sprichwort. Klingt banal, hoffnungslos altmodisch und doch aktueller denn je, wenn man derzeit einen Blick auf die Warteschlangen in den Abfertigungshallen der Flughäfen wirft. Die Koffer stauen sich an der Gepäckausgabe. Menschen halten ein Nickerchen auf Gepäckbändern. Und Flugpassagiere muntern sich mit Zurufen auf, wenn die Schlange vor der Sicherheitskontrolle sich um eine Fusslänge nach vorne bewegt. Es ist ein Chaos mit Ansage, und das verwundert aus mehreren Gründen.
Allein deshalb, weil die Fluggesellschaften schon vor Wochen bemerkt haben, dass sich da irgendwie Unheil zusammenbraut. Swiss und Lufthansa kündigten an, dass man wegen Personalmangels Hunderte Flüge streichen werde, ausgerechnet im Ferienmonat Juli. Undenkbar vor Corona, undenkbar noch im Winter, als Fluggesellschaften wie potenzielle Passagiere darauf hofften, dass all die leidigen pandemiebedingten Reisebeschränkungen mit Beginn der Sommersaison endlich fallen würden. Irgendwie scheint die Flugwirtschaft selbst nicht an den von ihr ersehnten Reiseboom geglaubt zu haben.
Passagiere und Personal als Leidtragende
Vielleicht hatten die einen oder anderen Verantwortlichen noch damit gerechnet, dass sich das Reiseverhalten in gut zwei Jahren Pandemie geändert hätte. Immerhin verringerte sich der durch Flugreisen verursachte weltweite Kohlendioxid-Ausstoss wegen all der Reisebeschränkungen deutlich. Man hätte daraus schliessen können, dass viele künftig auf Flugreisen verzichten und stattdessen durch die Schweiz wandern oder radeln würden.
Aber es wirkt eher so, als hätte nur eine Art schwerer Corona-Deckel die Reisenden am Boden gehalten. Und nun nutzen offensichtlich viele die Chance für eine Flugreise, bevor möglicherweise im Herbst erneut Corona-Beschränkungen ins Haus stehen. Weg in die Sonne oder endlich mal wieder Verwandte in anderen Ecken Europas sehen.
Jenseits dieser eher emotionalen Faktoren hätte die Flugwirtschaft durchaus rechnen können, und zwar auf Basis der vorliegenden Buchungen. Eine Studie des Flughafen-Dienstleisters Sita kam kürzlich zu dem Ergebnis, dass das Interesse an Geschäfts- und Urlaubsreisen wieder deutlich steigt. Deshalb erstaunt es um so mehr, dass die Fluggesellschaften nicht rechtzeitig reagierten und Personal aufstockten. Wer die Chance hatte, eine sichere und im Idealfall besser bezahlte Stelle zu finden, wird nicht zurückkehren an den Flughafen. Die Leidtragenden dieser kreativen Personalpolitik sind die verbliebenen Angestellten – und all die Reisenden. Aber sie haben in jedem Fall etwas erlebt.
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