Hauseigene FinanzprodukteErste Anleger klagen gegen überteuerte Fonds von Banken
Finanzinstitute verkauften jahrelang hauseigene Finanzprodukte zu vergleichsweise hohen Preisen mit oft schlechterer Rendite. Was betroffene Anlegerinnen und Anleger tun können.
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- Bei bankeigenen Finanzprodukten sind die Gebühren oft deutlich höher als bei Konkurrenzangeboten.
- Aufgrund der höheren Erträge haben Banken einen finanziellen Anreiz, ihrer Kundschaft eigene Produkte zu verkaufen.
- Gemäss einer Studie des VZ Vermögenszentrums hat sich der Anteil bankeigener Produkte in Kundendepots seit 2013 mehr als verdoppelt.
- Laut Finanzmarktaufsicht müssen Banken ihre Kundschaft jetzt auf Interessenkonflikte bei Produktempfehlungen hinweisen.
«Hauseigene Produkte werden im Bankengeschäft zum nächsten grossen Thema», sagt Tobias Aggteleky, Anwalt und Konsulent beim Schweizerischen Anlegerschutzverein. Der Interessenkonflikt bei hauseigenen Produkten der Banken sei «absolut vergleichbar» mit jenem bei Retrozessionen, bei denen Finanzdienstleister für die Vermittlung von bestimmten Finanzprodukten Provisionen erhalten haben.
Denn Finanzinstitute würden ihrer Kundschaft die eigenen Produkte empfehlen, obwohl es im Markt deutlich günstigere Konkurrenzangebote gebe.
Deutliche Zunahme bankeigener Produkte
In der Praxis vertrauen Kundinnen und Kunden ihren Bankberatern und legen einen grossen Teil ihres Vermögens in bankeigene Produkte an. Und dieser Anteil hat in den vergangenen Jahren sogar deutlich zugenommen.
Gemäss einer Untersuchung vom VZ Vermögenszentrum betrug der nach Volumen gewichtete Anteil bankeigener Produkte in Kundendepots durchschnittlich 63 Prozent. Datengrundlage sind Depots von über 4400 Anlegern, die diese im Jahr 2023 vom VZ Vermögenszentrum überprüfen liessen.
Auffällig ist die starke Zunahme seit 2013. Bis zum Jahr 2020 hat sich der Anteil bankeigener Produkte in Depots mehr als verdoppelt. Den Grund dafür sieht Karl Flubacher vom VZ Vermögenszentrum bei den verschärften Vorgaben bei Retrozessionen: «Offenbar haben die Banken die Ertragsausfälle bei Retrozessionen mit zusätzlichen Einnahmen über bankeigene Produkte kompensiert.» Die verschärften Vorgaben basieren auf mehreren Bundesgerichtsentscheiden, gemäss denen Banken Retrozessionen offenlegen und – sofern nichts anderes vereinbart – an die Kundschaft zurückzahlen müssen.
Auch Anwalt Aggteleky geht davon aus, dass dies der Grund für die Zunahme der hauseigenen Produkte in Kundendepots ist. Zugleich betont er mit Verweis auf hohe Summen die Bedeutung dieser Geschäfte aus Konsumentensicht: «Über all die Jahre geht es vermutlich um dreistellige Millionenbeträge, die Kundinnen und Kunden so verlieren.»
Da die Boni von Bankberatern unter anderem mit den Gebührenerträgen verknüpft sind, besteht ein finanzieller Anreiz, der Kundschaft möglichst teure Finanzprodukte zu vermitteln. Solche manchmal noch spezifischer ausgestaltete finanzielle Anreize sind immer wieder ein Thema. So beispielsweise beim Finanzskandal um Greensill Capital, der die Credit Suisse im Jahr 2021 erschütterte. Da solche Vergütungen für Kundinnen und Kunden nicht ersichtlich sind, ist manchmal auch von «Shadow Commissions» (Schattenkommissionen) die Rede.
Mehrere Verfahren hängig
Aggteleky vertritt in mehreren Fällen betroffene Anlegerinnen und Anleger, die wegen zu hoher Gebühren bei hauseigenen Finanzprodukten wie etwa Aktienfonds gegen Banken ein Zivilverfahren eingeleitet haben. Er ist zuversichtlich: «Die Rechtslage spricht klar für die Kundinnen und Kunden.»
Seine rechtliche Argumentation ist leicht nachvollziehbar und lautet wie folgt: Die Bank oder der Vermögensverwalter sind Auftragnehmer. In dieser Funktion sind sie verpflichtet, die eigenen Interessen hinter die Interessen ihrer Kundschaft zurückzustellen. «Das hat auch das Bundesgericht so bestätigt.»
Daraus folgert Aggteleky, dass Banken ihrer Kundschaft die besten im Markt verfügbaren Finanzprodukte empfehlen müssen. Dabei spielt beispielsweise bei ähnlich zusammengesetzten Aktienfonds die Höhe der Gebühren eine zentrale Rolle. Denn je höher die Gebühr ausfällt, desto tiefer ist unter dem Strich die Rendite.
«Ein Arzt muss auch die beste Heilung wählen»
Eine Bank dürfe die eigene Vergütung nicht höher gewichten als das finanzielle Interesse ihrer Kundinnen und Kunden, erläutert Aggteleky. Das unterstreicht er mit einem Vergleich zu einer medizinischen Behandlung: «Ein Arzt muss auch die Variante mit der besten Heilungschance wählen – und nicht jene, mit der er am meisten verdient.»
Aggteleky ist zuversichtlich, dass Zivilgerichte in den anstehenden Verfahren den Banken im Umgang mit eigenen Produkten enge Grenzen setzen werden. Dies nicht zuletzt aufgrund eines Rundschreibens der Finanzmarktaufsicht (Finma) vom vergangenen Oktober, das Anfang Jahr mit einer Übergangsfrist von sechs Monaten in Kraft getreten ist. Ein Schwerpunkt dieses Rundschreibens sind hauseigene Produkte.
Demnach müssen Finanzdienstleister Kundinnen und Kunden bei Empfehlungen von Produkten auf Interessenkonflikte aufmerksam machen. Sie müssen auch darüber informieren, ob das berücksichtigte Angebot nur eigene Finanzinstrumente umfasst oder auch solche von anderen Anbietern. Und schliesslich müssen sie «angemessene Massnahmen» treffen, um Interessenkonflikte zu vermeiden. So dürften hauseigene Produkte nur noch nach objektiven, branchenüblichen Kriterien ausgewählt werden, und Anreize für Bankberater, hauseigene Produkte vorzuziehen, müssen beseitigt werden.
Die Schweizerische Bankiervereinigung kritisierte in der Anhörung «die Systematik der vorgeschlagenen Regeln» als «problematisch». Sie verlangte den Verzicht auf einige der neuen Vorgaben, unter anderem weil damit «die gesetzliche Möglichkeit der Kundeninformation im Falle unvermeidbarer Interessenkonflikte» beseitigt würde. Zu den Gründen der Zunahme von bankeigenen Produkten in den Kundendepots wollte sich die Bankiervereinigung gegenüber dieser Redaktion nicht äussern.
Für Gerichte ist ein Rundschreiben der Finma zwar nicht verbindlich, wie Aggteleky festhält. Dennoch haben solche Vorgaben für Finanzdienstleister eine gewisse Signalwirkung.
Gerichtsverfahren nur bei hohen Summen sinnvoll
Wer überzeugt ist, dass die Bank ihm mit hauseigenen Produkten zu viele Gebühren abgeknöpft hat, kann ein gerichtliches Verfahren einleiten. Doch das lohnt sich laut Aggteleky nur bei hohen Summen und einem Streitwert ab rund 100’000 Franken.
Das Verfahren ist aufwendig. Denn der Anspruch der Geschädigten muss aus einem Vergleich mit günstigeren und besseren Konkurrenzprodukten ermittelt werden.
Für Kleinanleger ist ein rechtliches Vorgehen somit kein Thema, obwohl viele von ihnen bankeigene Produkte im Depot haben. Anders wäre es, wenn in der Schweiz Kollektiv- oder Sammelklagen möglich wären.
Doch immerhin können Kleinanleger ein Vermittlungsverfahren gemäss Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg) einleiten. Die Kosten dafür trägt die zuständige Finanzdienstleisterin. Wie Aggteleky ausführt, können dabei rasch einmal rund 10’000 Franken anfallen. Kleinanleger, die konkrete Hinweise auf eine Benachteiligung bei Gebühren oder Rendite haben, können also hier ansetzen. Möglicherweise ebnet das den Weg zu einer zufriedenstellenden Verhandlungslösung. Hinweise zu diesem Vermittlungsverfahren findet man üblicherweise im Kleingedruckten (AGB).
So können sie überhöhte Gebühren vermeiden
Trotz Fidleg und dem erwähnten Finma-Rundschreiben ist laut Aggleteky das Problem mit überhöhten Gebühren und oft schlechterer Rendite bei hauseigenen Finanzprodukten noch lange nicht vom Tisch. Der Grund: «Die Finma ist eher zurückhaltend bei der Durchsetzung dieser Vorgaben – ihr fehlen teilweise auch die Mittel dazu.»
Insofern schadet es nicht, wenn Bankkundinnen und -kunden hauseigene Produkte weiterhin kritisch hinterfragen. In der Regel geht es um aktiv verwaltete Fonds, deren Zusammensetzung Fachleute den aktuellen Marktentwicklungen anpassen. Das aktive Management rechtfertigt hier die höhere Gebühr. Im Gegensatz dazu stehen die deutlich günstigeren passiven Fonds (ETF), die beispielsweise einen Aktienindex abbilden. Oft gibt es zwischen aktiven und passiven Fonds inhaltlich keine grossen Unterschiede. Deshalb ist es wichtig, die Zusammensetzung und die Gebühren eines Fonds mit Konkurrenzprodukten zu vergleichen. Im Zweifelsfall sollte man eine Zweitmeinung einholen.
Laut Karl Flubacher vom VZ Vermögenszentrum kann der Unterschied zwischen aktiven und passiven Fonds jährlich locker ein Prozent oder mehr ausmachen. Entsprechend tiefer fällt unter dem Strich die Rendite für die Kundschaft aus.
Als Orientierungshilfe verweist Flubacher auf das Dokument mit Schlüsselinformationen («Key Information Document»), das Banken zu Finanzprodukten anbieten müssen. Darin werden einerseits auch die oft zu wenig beachteten Gebühren – wie für Ankauf, Verkauf und Courtage – ausgewiesen. Andererseits steht da, wie hoch die Kosten und Risiken bei einer Investition von 10’000 Franken ausfallen. So erhalten Anlegerinnen und Anleger eine leicht nachvollziehbare Information, um ein Finanzprodukt besser einschätzen zu können.
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