Umstrittene Importe für AKWAxpo ersetzt Uran aus Russland – aber die Sache hat einen Haken
Der Stromkonzern ist wegen der Abhängigkeit von russischen Atomfirmen unter Druck. Nun stehen Verträge mit neuen Anbietern. Doch wie konsequent ist die Abkehr wirklich?

Der Krieg in der Ukraine geht bald ins dritte Jahr. Die EU hat Sanktionen gegen Russland in verschiedenen Bereichen verhängt – nicht aber gegen die russische Nuklearindustrie; zu stark ist die EU hier von Russland abhängig. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat das seiner Ansicht nach gravierende Versäumnis diese Woche am Weltwirtschaftsforum in Davos kritisiert.
Der Import von russischem Uran ist also erlaubt – politisch aber umstritten. Kurz nach Kriegsbeginn im Februar 2022 geriet die Axpo, die den Nordostschweizer Kantonen gehört, deswegen in die Kritik. Der Stromkonzern bezieht den Brennstoff für die Kernkraftwerke Beznau und Leibstadt grösstenteils aus Russland. Es sei inakzeptabel, dass die öffentliche Hand indirekt den russischen Angriffskrieg mitfinanziere, beanstandeten Politiker.
Die Axpo reagierte. Neue Verträge mit Uran-Lieferanten, so versicherte sie, solle es künftig nur noch ohne russische Beteiligungen oder Unterbeteiligungen geben.
Weitere Verträge geplant
Nun, fast zwei Jahre später, präsentiert sie konkrete Resultate. «Erste solche Verträge wurden abgeschlossen, um die mittelfristige Versorgung abzusichern», sagt Sprecher Noël Graber. Um die langfristige Versorgung ebenfalls sicherzustellen, werde der Abschluss weiterer Verträge voraussichtlich in diesem Jahr folgen; Anbieter dafür seien vorhanden.
Von welchen Lieferanten und aus welchen Ländern das Uran neu stammen wird, dazu äussert sich die Axpo nicht. Abbauwürdiges Uran kommt in zahlreichen Ländern vor. Neben Russland liegen Kasachstan, Kanada und Namibia an der Spitze der Förderländer. In Europa ist dies nur noch in der Ukraine der Fall, allerdings gibt es Pläne, den Abbau hier auch anderswo wieder aufzunehmen, etwa in Schweden.
Die neuen Lieferverträge bedeuten freilich nicht das Ende der Axpo-Beziehungen zu Russland: Der Stromkonzern hält an seinen bestehenden Verpflichtungen fest. Die Verträge mit den russischen Lieferanten laufen im Fall von Beznau und Leibstadt bis 2030. Durch die Umsetzung der neuen Beschaffungsstrategie sei die Axpo allerdings nicht auf diesen Brennstoff angewiesen, sagt Sprecher Graber. Das jedoch heisst nicht, dass die Axpo kein Uran mehr aus russischer Quelle bezieht. Wie viel es in Zukunft noch sein wird, lässt er offen. Ungeklärt bleibt damit auch die Frage, wie stark die Loslösung von Russland letztlich ist.
Kritiker werfen der Axpo mangelnde Transparenz vor. «Es ist überfällig, dass die AKW-Betreiber vollumfänglich informieren, woher sie ihren Uranbrennstoff beziehen», sagt Nils Epprecht, Geschäftsleiter der atomkritischen Schweizerischen Energie-Stiftung. Seit bald zwei Jahren versuche sich die Axpo erfolglos von russischem Uran zu lösen. «Dies zeigt, wie stark die Abhängigkeit der Atombranche von Russland ist.»
Woher genau die Axpo das Uran aus Russland bezieht, hat sie bis dato nicht offengelegt. Gemäss Recherchen dieser Redaktion kam für Leibstadt in früheren Jahren zumindest ein Teil davon aus Minen, die Tochterunternehmen des russischen Staatskonzerns Rosatom gehören. Im Fall von Beznau hatte die Axpo selber 2014 bekannt gegeben, Uran aus dem sibirischen Atomkomplex Sewersk beziehen zu wollen.
Schadenersatzzahlungen befürchtet
Eine einseitige Vertragsauflösung mit den russischen Lieferanten kommt für die Axpo nicht infrage. Der Stromkonzern fürchtet hohe Schadenersatzzahlungen; Insider sprechen von 150 bis 200 Millionen Franken. Und er möchte verhindern, dass die russische Seite so «doppelt profitiert», weil das Uran einfach an andere Abnehmer verkauft werden könnte. Wie gross das Risiko einer Klage der russischen Lieferanten gegen die Axpo tatsächlich ist, lässt sich kaum seriös sagen. Nicht zuletzt, weil der genaue Inhalt der Verträge öffentlich nicht bekannt ist.

Die Strategie der Axpo ist umstritten. «Von Russland abhängig zu bleiben, verschlechtert die Versorgungssicherheit, weil es eine falsche Sicherheit ist», sagt Grünen-Nationalrat Bastien Girod. Der Aargauer SVP-Nationalrat Benjamin Giezendanner dagegen warnt vor einer «moralisch gefärbten Beschaffungspolitik», welche die Axpo wirtschaftlich schädigen und auch die Versorgungssicherheit der Schweiz mittelfristig gefährden könnte. Jedes Unternehmen sei angehalten, möglichst eine breite Palette an Lieferanten zu haben, damit es eine möglichst hohe Lieferbereitschaft zu guten Preisen habe.
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