Material für BrennstäbeSchweizer Kernkraftwerke beziehen Uran aus Russland
Die Spur von Beznau und Leibstadt führt zum russischen Staatskonzern Rosatom und nach Sibirien. Nun prüft die Axpo, welche Folgen der Krieg in der Ukraine für die Uranlieferungen hat.
Die Schweizer Energieversorgung ist abhängig von Russland – nicht nur beim Gas, wie es derzeit viel diskutiert wird. Sondern auch beim Uran, dem Brennstoff für Kernkraftwerke. Allerdings nicht auf den ersten Blick. Seit 2003 müssen die Betreiber der Schweizer Kernkraftwerke alle Kernmaterialbestände im Ausland, die sich in ihrem Besitz befinden, den Aufsichtsbehörden des Bundes melden. Aktuell umfasst die Liste des Bundes fünf Länder: Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Schweden und die USA.
Doch für die Herkunft des Urans hat diese Liste nur bedingt Aussagekraft. Das zeigt sich bei Beznau. Die Axpo, welche dort die beiden Meiler betreibt, bezieht den Brennstoff zwar bei Framatome in Deutschland, doch es gibt einen Unterlieferanten aus Russland, wie der Stromkonzern bestätigt.
Die Axpo untersucht nun, wie sich der Krieg in der Ukraine auf diese Lieferkette auswirkt. «Über die konkreten Implikationen der Geschehnisse können wir aber noch keine Angaben machen», sagt Axpo-Sprecher Antonio Sommavilla.
Kritik von Umweltorganisationen
Ähnlich tönt es beim Kernkraftwerk Leibstadt, das laut eigenen Angaben etwa die Hälfte des Urans aus Russland bezieht. «Wie sich die aktuellen Geschehnisse auf die Verfügbarkeit von Uran aus Russland auswirken werden, lässt sich im Moment nicht absehen», sagt Sprecher Thomas Gerlach.
Von derlei Sorgen sind die Betreiber des Kernkraftwerks Gösgen nicht geplagt: «Da Russland nicht zu unseren Lieferländern gehört, erwarten wir momentan keine Beeinträchtigungen», sagt Sprecherin Barbara Kreyenbühl.
Woher genau Leibstadt – wo die Axpo Hauptaktionärin ist – das russische Uran bezieht, sagen die Betreiber nicht. Gemäss Informationen dieser Zeitung stammte in den letzten Jahren zumindest ein Teil des angereicherten Urans für Leibstadt aus Minen, die Tochterunternehmen des russischen Staatskonzerns Rosatom gehören. Im Fall von Beznau kommt das Uran womöglich aus dem sibirischen Atomkomplex Seversk. 2014 hatte die Axpo jedenfalls bekannt gegeben, künftig auf diese Quelle setzen zu wollen.
Zuvor war sie wegen ihres Uranbezugs aus dem russischen Majak in die Kritik geraten. Umweltorganisationen hatten moniert, dass der Betrieb der Wiederaufbereitungsanlage Grenzwerte überschreiten und Mensch sowie Umwelt belasten würde. Die Axpo selber fand keine Hinweise darauf. Ihren Verzicht begründete sie mit der fehlenden Transparenz über die dort herrschenden Verhältnisse. Seit 2013 greift die Axpo gemäss eigenen Angaben nicht mehr auf Material aus Majak zurück.
Vorräte für mehrere Jahre
Ob die Kraftwerksbetreiber ihre Lieferketten anpassen werden, ist offen. Branchenkenner sagen, die Laufzeiten der Lieferverträge betrügen teils mehrere Jahre. Ein Brennelement hat nach rund fünf Jahren ausgedient. Deshalb tauschen die Betreiber beim alljährlichen Wechsel ein Fünftel der Brennelemente gegen frische aus.
Beznau und Leibstadt haben laut eigenen Angaben jedenfalls genügend Vorrat, um ihre Meiler mehrere Jahre betreiben zu können. «Sollten bestehende Beschaffungswege ausfallen, verfügen wir zudem über Alternativen», sagt Axpo-Sprecher Sommavilla, ohne konkreter zu werden. Die Leibstadt-Betreiber dagegen sagen, sie könnten etablierte Lieferantenbeziehungen mit Kanada «stärker nutzen».
«Uran aus Russland zu beziehen, war schon vor dem Ukraine-Krieg problematisch.»
Abbauwürdiges Uran kommt in zahlreichen Ländern vor. Russland gehört zu den bedeutenden Förderländern, die grössten sind Kanada, Australien und Kasachstan, die etwa drei Viertel des Marktes ausmachen. Wird mit dem Krieg in der Ukraine eine Anpassung nötig? «Uran aus oder über Russland zu beziehen, war schon vor dem Ukraine-Krieg problematisch», sagt Nils Epprecht, Geschäftsführer der atomkritischen Schweizerischen Energie-Stiftung (SES).
Über den Abbau dort sei noch weniger bekannt als in Ländern wie Australien oder Kanada. «Wenn, dann wären die westlichen Anbieter zu bevorzugen.» Doch auch in diesen Ländern führe der Uran-Abbau lokal zu grosser Verschmutzung und sei, da zum Teil in indigenen Gebieten gelegen, auch politisch «nicht unproblematisch».
Die Nuklearbranche bestreitet das. Uranminen würden zwar einen Eingriff in die Umwelt erfordern, ebenso wie die Gewinnung von Eisen und Kupfer für den Bau von Windparks oder Solaranlagen. Entscheidend sei aber, wie eine Mine betrieben werde. Heute stünden alle Uranminen unter behördlicher Aufsicht. Zahlreiche Uranminen seien nach Umweltnormen zertifiziert. SES-Geschäftsführer Epprecht sieht das anders: «Sauberen Uran-Abbau gibt es nicht.»
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