Kommentar zum Zürcher Messerangriff Die jüdische Gemeinschaft verhält sich bewundernswert – die Politik weniger
Nach dem brutalen Angriff vom Wochenende reagieren Zürcher Politiker mit Populismus. Sie sollten sich ein Beispiel an den Hauptbetroffenen nehmen.
Von der jüdischen Gemeinde kann man gerade in diesen Tagen viel lernen. Etwa wenn man die Reaktionen auf den brutalen Angriff vom Wochenende vergleicht.
Die Zürcher SVP ergriff am Montag im Kantonsrat das Wort. Sie witterte eine politische Chance: «Antisemitismus 2024 kommt nicht von rechts, sondern von der antikapitalistischen Linken oder aus migrantischen Milieus», erklärte SVP-Politiker Tobias Weidmann und nutzte den Angriff auf den jüdisch-orthodoxen Familienvater, um die Themen seiner Partei zu portieren.
Die Linke buhte. Und verliess den Saal.
Und der Zürcher Sicherheitsdirektor Mario Fehr fordert, dass der Bund dem 15-jährigen Täter mit tunesischen Wurzeln das Bürgerrecht entzieht. «Jemand, der so etwas Abscheuliches tut, hat in der Schweiz nichts mehr verloren», begründet er die Massnahme in der NZZ. Dabei kann man einen Teenager kaum abschieben (Lesen Sie hier mehr zur komplizierten Rechtslage).
Und was tut die jüdische Gemeinde?
Sie fürchtet sich vor dem Moment, wenn der Täter wieder freikommt. Weil er weitere Gräueltaten begehen könnte. Und trotzdem sagt Jehuda Spielman, orthodoxer Jude, Zürcher FDP-Gemeinderat und persönlich mit dem Opfer bekannt, bei TeleZüri: «Ich bin skeptisch, ob wir diese Verantwortung einfach nach Tunesien abschieben können. Schliesslich ist es fast unsere Schuld, dass er hier so erzogen und sozialisiert wurde.» Der Täter war 3 Jahre alt, als er den Schweizer Pass erhielt.
Seit dem Attentat sind die jüdischen Stimmen überall zu hören. Sie sind klar und dezidiert. Sie rütteln wach. Aber sie sind nicht populistisch. Sie bleiben ruhig. Das würde auch der Zürcher Politik gut anstehen in so einem Moment.
Nach dem Eklat im Kantonsrat haben sich am Mittwochabend alle Parteien im Gemeinderat auf eine gemeinsame Erklärung geeinigt. Es war kein einfacher Prozess, um einzelne Sätze wurde zäh gerungen.
Dass es trotzdem geklappt hat, lässt immerhin hoffen.
Am 7. März wurde ein Satz zur Ausschaffung ergänzt, damit klar wird, dass es kaum möglich ist, einen Teenager abzuschieben. Zudem wurde an dieser Stelle der Bezug zum Sicherheitsdirektor entfernt.
Fehler gefunden?Jetzt melden.