Debatte zum MesserangriffEklat im Zürcher Kantonsrat – Linke verlässt geschlossen den Saal
Nach dem Messerangriff auf einen orthodoxen Juden in Zürich wirft Rechtsaussen der Linken Antisemitismus vor. SP, Grüne und AL standen demonstrativ auf und gingen ins Foyer.
Zum Eklat während der Ratssitzung kam es nach einer Wortmeldung von Kantonsrat Tobias Weidmann (SVP, Hettlingen). Er griff in der Fraktionserklärung der SVP-EDU zur Messerattacke auf einen orthodoxen Juden vom Samstagabend die Linke verbal an. Weidmann sagte: «Antisemitismus 2024 kommt nicht von rechts, sondern von der antikapitalistischen Linken oder aus migrantischen Milieus.» Die Linke war empört. Erst buhten die Kantonsrätinnen und Kantonsräte nur. Dann wurden sie immer lauter. Schliesslich verliessen sie geschlossen den Saal.
Weidmann redete unbeirrt weiter und sagte Sätze wie: «Antisemiten tragen meistens keine Springerstiefel, sondern Arafat-Tuch oder Che-Guevara-T-Shirts». Solange die «vermeintlich Toleranten» die wahren Urheber des Antisemitismus nicht beim Namen nennen würden, seien ihre Mitleidsbekundungen hohle Phrasen. Die Unruhe im Saal – ohren- und augenfällig.
Rueff-Frenkel erschüttert
Die FDP-Kantonsrätin Sonja Rueff-Frenkel sah sich zu einer Gegenrede genötigt. «So etwas habe ich noch nie erlebt», sagte sie sichtlich erschüttert. Rueff-Frenkel, selber Jüdin, sagte, sie sei enttäuscht von der Reaktion sowohl von links als auch von rechts. «Es ist egal, ob mein Sohn von einem Messer in der linken oder der rechten Hand niedergestochen wird. Ich fühle mich unsicher wegen des Antisemitismus», sagte Rueff-Frenkel.
Es sei zwar so, dass der gewalttätige Antisemitismus meistens von Muslimen ausginge. Sie distanzierte sich trotz dieser Aussage aber von der Haltung der SVP-EDU-Fraktion.
Der Antisemitismus sei ein gesellschaftliches Problem. «Drei Polizisten mehr vor einer Synagoge nützen mir nichts, die sind bald wieder weg», sagte Rueff-Frenkel. Dass die Ratslinke den Saal verlassen hat, habe sie noch nie erlebt. «Aber wir haben ein Problem, links und rechts – wir alle sind als Gesellschaft gefordert.»
Fehr verspricht Aufklärung
Rueff-Frenkel hatte aufgrund ihres Hintergrundes gewissermassen das Schlusswort in dieser Frage. Von den Parteien, die den Rat verliessen, ergriff niemand das Wort.
Der Grüne Fraktionschef Thomas Forrer sagte später: «Opfer von antisemitischen Taten darf man politisch nicht instrumentalisieren.» Die SVP habe die Tat für die eigene politische Agenda nutzen wollen. Hätte man sich im Rat geäussert, wäre man auf dieses «politische Spiel» eingestiegen, sagte Forrer. «Wir halten das aus demokratischer Perspektive für verwerflich» und man habe deshalb aus Protest den Saal verlassen.
Bereits vor dem Eklat hatte Jacqueline Fehr (SP) im Namen des Regierungsrates zum Vorfall am Samstagabend geäussert: «Ich verurteile den Angriff aufs Schärfste, und ich wünsche den Angehörigen viel Kraft und dem Verletzten eine rasche und vollständige Genesung.»
Die Umstände würden nach allen Regeln des Rechtsstaates untersucht. Es sei aber insbesondere bei der Interpretation von Teilinformationen Vorsicht geboten. Fehr sprach von sich als «Religionsministerin» und sagte, dass sich alle Menschen im Kanton sicher fühlen sollten. «Wir akzeptieren keine Ausgrenzung.» Rassismus und Antisemitismus seien ein gesellschaftliches Problem. «Es braucht das Engagement von uns allen – jeden Tag.»
Auch die GLP in einer Medienmitteilung und die EVP in einer Fraktionserklärung haben ihre Bestürzung über den Messerangriff zum Ausdruck gebracht und die Tat verurteilt. Nach gut 20 Minuten ging der Rat zum ordentlichen Betrieb über – SP, Grüne und AL kehrten zurück.
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