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Angriffe Israels
Hizbollah sendet ungeheuerliche Provokation

Ein Pressetermin zwischen Trümmern: Hisbollah-Sprecher Muhamed Afif sitzt vor Mikrofonen und Journalisten in einem Vorort Beiruts – vermutlich schauen auch die Israelis zu
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In Kürze:
  • Ein hochrangiger Hizbollah-Vertreter hält mitten im zerbombten Beirut auf offener Strasse eine Medienkonferenz ab.
  • Muhamed Afif behauptet, die Hizbollah sei weiter kampfbereit und gestärkt.
  • Er kritisiert westliche Medien und warnt libanesische Bürger.

Es ist ebenso absurd wie gut inszeniert – und es ist eine ungeheuerliche Provokation: Muhamed Afif, seit Jahren das Mediengesicht der Hizbollah, sitzt in aller Seelenruhe auf dem Mittelstreifen der Imam-Khomeini-Strasse, vor sich ein Tisch mit Mikrofonen, hinter sich die Flaggen der Hizbollah und des Libanon. Um ihn herum drängen sich drei, vier Dutzend Journalisten und Kameraleute.

Links und rechts der breiten Strasse stehen ausgebombte Häuser, häufen sich Schutt und Trümmer zwischen Ruinen. Dass die Israelis den Hizbollah-Mann mit ihren hochmodernen Drohnen aus der Luft nicht nur sehen, sondern wahrscheinlich sogar die Knöpfe an seinem pechschwarzen Hemd zählen können – es ist ihm ganz offensichtlich sehr egal.

Eine Pressekonferenz der Hizbollah, mitten in der Dahieh, in den südlichen Vororten Beiruts, unter freiem Himmel. Zwischen den Ruinen der von den Israelis zerbombten Häuser. Was Afif der Welt vermitteln will, ist klar: Die Hizbollah meldet sich zu Wort – und sie fürchtet sich nicht vor ihrem Feind.

Israelis verkünden, die Hizbollah sei demnächst geschlagen

Das ist alles andere als selbstverständlich. Die israelische Luftwaffe überwacht die Hizbollah-Hochburg im Süden Beiruts mit Drohnen, sie hat jede Menge Spione und Agenten am Boden, sie bombardiert die südliche Vorstadt Beiruts seit drei Wochen jeden Tag und jede Nacht. Hier hat sie Hassan Nasrallah und mehrere andere Führer und Kommandeure der schiitischen Organisation mit bunkerbrechenden Bomben in ihren unterirdischen Kommandozentralen getötet. Hier hat sie davor und danach jede Menge weiterer Hizbollah-Verantwortlicher mit ihren immer wieder erschreckend präzisen Schlägen ausgeschaltet.

TOPSHOT - People walk past the rubble of a building at the site of an Israeli strike on the Basta neighbourhood in the Lebanese capital Beirut on October 11, 2024. At least 22 people were killed in Israeli strikes on a densely populated area of central Beirut on October 10, the Lebanese health ministry said, with a security source saying a Hezbollah figure was the target. (Photo by AFP)

Die Israelis verkünden bereits siegessicher, dass die militante libanesische Schiitenorganisation demnächst geschlagen sein werde. Sie verkünden, dass die israelische Armee den Süden des Libanon erobere. Nur: Die Hizbollah selbst sieht das anders. Sie gibt nicht auf. Sie will nach einer ganzen Reihe von herben Niederlagen das Narrativ selbst bestimmen.

Also setzt Afif sich an einen Tisch, auf dem eine blendend weisse Tischdecke liegt, hält eine halbstündige Rede, beantwortet in aller Ruhe Fragen von Journalisten. Er mag nicht zur allerobersten Führungsetage der Hizbollah gehören, aber er ist nicht irgendwer. Solange die Medienleute sich um ihn drängen, wird ihn die israelische Luftwaffe nicht antasten. Aber danach muss er wieder wegkommen, irgendwo zwischen den Ruinen und im Untergrund verschwinden, ohne dass die Drohnen seine Spur verfolgen, ihn aufspüren.

Die Miliz werde kämpfen, sagt ihr Sprecher – und siegen

Angst vor den Israelis, das ist Teil der nachmittäglichen Inszenierung, zeigt Afif jedenfalls keine. Seine Botschaft: Die Hizbollah ist noch immer da. Sie hat sich trotz aller schweren Schläge neu aufgestellt «von der obersten Führung bis zum Soldaten». «Ich versichere, die Widerstandsbewegung ist intakt, wir führen den Krieg auf dem Schlachtfeld.» Damit diese Botschaft auch ankommt, wiederholt er sie gleich noch einmal: «Die Bewegung ist intakt. Wir haben Waffen. Wir haben Tausende Kämpfer.»

Der Hizbollah-Sprecher wendet sich an die eigenen Anhänger, an die Libanesen, an die Israelis und an die Welt. Was er seinen Gefolgsleuten, den Kämpfern, und vor allem den mehr als 1,2 Millionen Flüchtlingen und Ausgebombten in ihrem Elend mitzuteilen hat: «Ihr seid das Volk des Widerstands. Ihr seid unser Herz und unsere Seele.» Nach dem Sieg, der unausweichlich sei, würden sie alle zurückkehren in ihre Häuser und in alle Landesteile, aus denen sie geflohen seien vor den Bomben: «In die Dahieh, in die Bekaa-Ebene, in den Süden des Libanon.» Die Hizbollah bitte um Verzeihung für die Toten und Verletzten, für das bittere Los der Vertriebenen. Man werde Sorge tragen, dass all die zerstörten Häuser wieder aufgebaut würden, «noch schöner als früher».

Afif trifft den Ton der schiitischen Gefühlswelt, die immer eine religiöse Gefühlswelt ist: «Unsere Kultur ist die Kultur von Kerbala.» Kerbala – das versteht jeder Schiit. Kerbala ist das Martyrium des Imam Hussein, der im siebten Jahrhundert in einer aussichtslosen Schlacht gegen seine unbarmherzigen Feinde ums Leben kam. Der Imam Hussein, das ist der Held, der bis heute das Vorbild aller Schiiten bleibt. Und dann betont der Hizbollah-Mann: Dieser Krieg werde nicht als ein zweites Kerbala enden: «Der Imam Hussein, er stirbt kein zweites Mal.»

Auch die westlichen Medien bekommen ihren Teil ab

Damit ist der Ton gesetzt, und so geht es weiter. Er sagt, diesmal werde man siegen. Von einer sich abzeichnenden Niederlage der Hizbollah zu sprechen, sei «zu früh, zu früh, zu früh». Man werde den Israelis eine Niederlage nach der anderen zufügen, um den Feind «aus einer Position der Stärke zum Waffenstillstand zu zwingen».

TOPSHOT - Lebanese civil defence members and other people inspect the site of an Israeli airstrike on the Basta neighbourhood of Beirut on October 10, 2024. Israel expanded operations in Lebanon nearly a year after Hezbollah began exchanging fire in support of its ally, Hamas, following the Palestinian group's deadly attack on Israel on October 7, 2023. (Photo by AFP)

Dann setzt der Hizbollah-Sprecher an zum Rundumschlag. Die Darstellung der Israelis, dass sie grosse militärische Erfolge im Südlibanon errängen – das sei alles falsch. Die Israelis kämen nicht voran im Südlibanon. Sie verbreiteten «Siegespropaganda und Lügen», hingen aber knapp hinter der Grenze fest, sagt er. Auch die westlichen Medien bekommen ihren Teil ab: Sie verbreiteten die israelische Darstellung ungeprüft.

Und an all die im Land gewandt, die bereits auf den Untergang der Hizbollah hoffen, sagt er nur: «Keiner soll hoffen, dass die Hizbollah kein politischer Faktor mehr sein wird im Libanon. Dieser Krieg beginnt gerade erst.»