Streit in der Aargauer SVPAndreas Glarner trotzt der Kritik – und bleibt Präsident
Der Aargauer Nationalrat führt weiter die SVP seines Kantons an, obwohl die Diskussionen um seinen Führungsstil lauter sind denn je – und obwohl er selbst eigentlich zurücktreten wollte.

Im entscheidenden Augenblick verpuffte die Kritik. Nach einer Sitzung der Aargauer SVP-Parteispitze ist klar, dass Andreas Glarner Kantonalpräsident bleibt. Der Nationalrat hat sich damit gegen parteiinterne Kritikerinnen und Kritiker durchgesetzt. Und das sogar entgegen seiner ursprünglichen Absicht. Denn eigentlich wollte er sich nicht für eine Wiederwahl zur Verfügung stellen.
Die Gerüchte, dass Glarners Gegner an der Sitzung den Präsidenten stürzen würden, haben sich also nicht bestätigt. Aber die schon lange schwelende Debatte über Glarners Führungs- und Kommunikationsstil ebbt deswegen nicht ab.
Morddrohungen nach Post auf Facebook
Der jüngste Vorfall, der Glarner in die Schlagzeilen katapultierte, war ein Facebook-Post vom November, in dem er behauptete, eine Mitte-Politikerin wolle Straftäter einbürgern. Nach dem Post erhielt die Frau Morddrohungen. Glarner stand einmal mehr als Provokateur am Pranger.
Der Post ging selbst der eigenen Partei zu weit: Die Fraktionschefin der SVP im Aargauer Grossen Rat, Désirée Stutz, sagte: «Aus meiner Sicht ist die Kritik an Andreas Glarner berechtigt.» Das Verhalten der Partei müsse in der Geschäftsleitung der Partei diskutiert werden.
Glarner selbst weist die Verantwortung von sich: «Ich kann nicht für Leute geradestehen, die meine Posts missbrauchen, um andere persönlich anzugreifen.»
Nach dem Vorfall berichtete der «Blick», Glarner wolle aufgrund der parteiinternen Kritik das Präsidium der SVP Aargau niederlegen. Der Artikel zitierte anonyme, parteiinterne Stimmen: Der Post gegen die Mitte-Grossrätin sei «eine Provokation zu viel» gewesen.
Stefan Giezendanner, Grossrat und einflussreiches Mitglied der Aargauer SVP, liess sich darauf mit den Worten zitieren, es wäre für Glarner «ein guter Zeitpunkt, um auf dem Höhepunkt zurückzutreten».
Glarners Rücktritt vom Rücktritt
Tatsächlich: Erst im Oktober hatte die Aargauer SVP einen historischen Erfolg errungen. Die ohnehin schon stärkste Partei im Aargau gewann fünf zusätzliche Parlamentssitze. Zudem verteidigten Jean-Pierre Gallati und die neu angetretene Martina Bircher erfolgreich die beiden SVP-Sitze in der Regierung.
Nachdem der «Blick» den geplanten «Rücktritt auf dem Höhepunkt» publik gemacht hatte, vollzog der offensichtlich verärgerte Parteipräsident die Wende. In einem Interview mit der «Aargauer Zeitung» erklärte Glarner, der Wahlerfolg der SVP bestätige, dass die Partei unter seiner Führung erfolgreich sei. Die neue rechtsbürgerliche Mehrheit sei «ein starkes Argument, weiterzumachen».
Glarner hatte das Parteipräsidium nach einer Wahlschlappe seiner Partei bei den Nationalratswahlen 2019 übernommen. Mit einer von ihm selbst als «Brandrede» bezeichneten Ansprache überzeugte er die SVP-Basis und stach einen gemässigten Kontrahenten aus.
Kritik reicht weit zurück
Zwei Jahre später verlor die SVP unter Glarners Führung bei den Gemeindewahlen im Aargau 23 Sitze. Darauf sagte ein ehemaliger Aargauer SVP-Präsident der «Aargauer Zeitung»: «Seine Tonalität ist nicht gut, Glarner zerstört unsere Partei.»
Aber Glarner hielt sich nicht zurück. Er geriet weiter mit provokanten Posts in die Schlagzeilen. Wegen islamkritischer Äusserungen auf der Plattform X verlangte die Immunitätskommission des Nationalrats erst im November die Aufhebung der parlamentarischen Immunität. Trotz dieser Kontroversen erhält Glarner immer wieder Rückendeckung von der nationalen SVP-Parteiführung.
Ein eigensinniger Parteipräsident
Selbst ihm wohlgesinnte Aargauer SVP-Politikerinnen und -Politiker beschreiben Glarner hinter mehr oder weniger vorgehaltener Hand als eigensinnig, unberechenbar und beratungsresistent. Gleichzeitig wird seine Rolle als Parteipräsident heruntergespielt: Die Hauptlast des letzten erfolgreichen Wahlkampfs habe bei den Bezirksparteien gelegen und nicht bei Glarner.
Pascal Furer, langjähriger Parteisekretär und neuer Fraktionspräsident im Kantonsparlament, fasst es so zusammen: «Mir ist egal, wer unter mir Parteipräsident ist.» Die SVP müsse an ihrer Politik gemessen werden, nicht an ihren Köpfen.
Andreas Glarner selbst hatte sich vor der Sitzung gelassen gegeben. Darüber, wie die Diskussion verlief, drang nach Sitzungsende nichts an die Öffentlichkeit. Die Partei teilte nur kurz mit, dass sich Glarner für eine weitere Amtsperiode zur Verfügung stellt.
Er sagte dazu: «Ich bin für das ausgesprochene Vertrauen sehr dankbar.»
Fehler gefunden?Jetzt melden.