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Wahlen im Aargau und in Basel-Stadt
Ein Rechtsrutsch und eine grosse Gewinnerin im Aargau

Martina Bircher, SVP, (links) und Andreas Glarner, SVP, freuen sich ueber die Wahl in den Aargauer Regierungsrat, fotografiert am Sonntag, 20. Oktober 2024 in Aarau. (KEYSTONE/Christian Beutler)
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In Kürze:
  • Martina Bircher wurde zur Aargauer Regierungsrätin gewählt.
  • Die SVP legte in den Wahlen im Aargau und in Basel-Stadt deutlich zu, auch die FDP konnte zulegen.
  • Politologe Hermann sieht in den Ergebnissen eine Abwehrhaltung gegenüber dem Fremden und Unbekannten.
  • Die Debatte werde darum im ganzen Land zuwanderungskritischer werden.

Martina Bircher hatte eine ziemlich präzise Vorstellung von der Last, die in den vergangenen Wochen auf ihren Schultern hockte.

50 Kilogramm, sagte sie, fühle sie sich nun leichter, als sie von ihrer Wahl zur Aargauer Regierungsrätin erfuhr. Bircher war die grosse Favoritin für den frei gewordenen SVP-Sitz im fünfköpfigen Gremium. Ihre Partei ist im Aargau seit Jahren eine Macht. Anders formuliert: Sie konnte nur verlieren.  

Dieses Gefühl war ihr bisher eher fremd. Bisher konnte sie fast nur gewinnen. Ein Politikerinnenleben lang sei sie unterschätzt worden, erzählte die 40-Jährige am Freitag vor der Wahl. Wegen ihrer Grösse (1,60 m), wegen ihrer unkonventionellen Art (sehr direkt und undiplomatisch). Und weil sie eine Frau ist. Selbst aus der eigenen Partei spürte sie regelmässig Widerstand.

Bircher hat es den Zweiflerinnen und Nörglern gezeigt. Ihre Wahl ist ein weiteres Ausrufezeichen in ihrem Lebenslauf. Darin stehen die Stationen: Realschülerin, Fachhochschulabsolventin, Unternehmerin. Ihre politische Karriere führte sie vom Gemeinderat über den Nationalrat in den Regierungsrat. Sie machte das mit einem sackgroben Kurs gegenüber Asylsuchenden und Sozialhilfebedürftigen, gleichzeitig zeigte sie sich gesellschaftspolitisch fast schon progressiv und förderte Kitas.

Es war auch eine Frauenwahl

Ihr Hauptgegner, GLP-Nationalrat Beat Flach, landet darum abgeschlagen und mit 20’000 Stimmen Abstand auf dem sechsten Platz, wohl auch wegen seines Geschlechts. Seit 2019 war der Aargauer Regierungsrat ein Men-only-Gremium. Das wollte die Bevölkerung offensichtlich ändern.

Das Abschneiden von Bircher steht für das Resultat ihrer gesamten Partei. Nachdem diese vor vier Jahren noch zwei Sitze verloren hatte, gewinnt sie nun fünf dazu. Die Welt hat sich seither verändert. SVP-Themen wie Asyl und Einwanderung ziehen wieder, der Klimawandel dafür umso weniger. Daher verlieren die Grünen im Aargau vier Sitze – so viel, wie sie 2020 gewonnen haben.

Das hat im Aargau grundsätzliche Folgen. Die progressiven Kräfte verlieren im Kantonsparlament ihre Mehrheit. Daniel Hölzle, der Präsident der Grünen, sagte gegenüber dem Sender Tele M1: «Das werden mühsame vier Jahre.» 

Auf der Gegenseite spitzte SVP-Parteipräsident Andreas Glarner in den Interviews seine Lippen. Kundige Leute wissen: Das ist eine Geste, die entweder eine glarnersche Provokation ankündigt (für einmal nicht der Fall) oder aber ein leicht unterdrücktes Zeichen von heller Freude ist. Tatsächlich, der Wahlsonntag war ein Triumph für die SVP. 

Was bedeutet das für die Schweiz?

Es gab eine Zeit, da war der Aargau so etwas wie die kleine Schweiz. Man nannte ihn einen Durchschnittskanton und zog Parallelen von dessen Wahlresultaten auf das ganze Land. Das könne man heute nur noch beschränkt tun, sagt Politologe Michael Hermann. Der Aargau sei seit den 90er-Jahren bürgerlicher geworden, zugleich wurden andere Kantone durch ihre grossen Städte urbaner und tendenziell linker.

Zusammenfassung *LIVE-Wahldebatte: Politnerds erklären – wer gewinnt, wer verliert?* mit Michael Hermann und Sarah Buetikofer, moderiert von Mario Staeuble.
19.01.2023
(URS JAUDAS/TAGES-ANZEIGER)

Die Aargauer Resultate zeigen aber zusammen mit jenen von Basel-Stadt, wo die SVP ebenfalls zugelegt hat, eine verstärkte Abwehrhaltung gegenüber dem Fremden und Unbekannten im Land.

Die zweite Aargauer Gewinnerin ist die FDP. Hinter ihr liegen schwierige Monate, seit den nationalen Wahlen im Oktober 2023 verlor sie in fünf kantonalen Wahlen vier Mal.

«Mich erinnern die Resultate ziemlich stark ans Jahr 2015», sagt Hermann. Im Zuge der Flüchtlingskrise legten damals ebenfalls die SVP und die FDP am stärksten zu. Der Ton in der Politik nahm ernste und sehr zuwanderungskritische Züge an. «Ich denke, dass das künftig ebenfalls noch mehr der Fall sein wird», sagt er. Politikerinnen und Politiker im Land würden die Resultate lesen und interpretieren. Der Schluss daraus sei ziemlich einfach: Nach rechts ziehen lohnt sich.

Darum ist der Politbeobachter Hermann vor allem gespannt auf die Reaktion der Mitte und ihres Präsidenten Gerhard Pfister, der bekanntlich gerne mit dem Zeitgeist surfe.

Es gebe aber noch eine zweite Erkenntnis aus dem Jahr 2015, erzählt Hermann. Damals meinte man, die Bürgerlichen würden nun für Ewigkeiten mit ihren Themen um die Zuwanderung dominieren. «Das war definitiv nicht so. Es änderte sich sehr schnell wieder.» Nur ein Jahr später erlitt die SVP mit ihrer Durchsetzungsinitiative ein wahres Debakel, später kam die grüne Welle.

In einer früheren Version stand, dass Städte wie Basel wieder bürgerlicher wählen, nachdem sie sich zuvor um diesen Trend foutiert hatten. Das ist falsch. Das Mitte-Rechts-Lager in Basel ist schwächer als bei den letzten Wahlen 2020.