Mamablog: Strafen als ErziehungsmethodeAls mich meine Chefin zur Schnecke machte
Eine untersagte Kaffeepause öffnete unserer Bloggerin die Augen: Mit Strafen zu erziehen, kann nicht funktionieren.
Kürzlich sass ich im Büro, als mir meine Chefin wutentbrannt ein Bündel Papier aufs Pult schmiss. «Sabine! Du hast die Dossiers wieder nicht alphabetisch geordnet!» Ihr Gesicht war rot, ihre Stimme bebte. «Warum muss ich dir bloss alles zehn Mal sagen?» Ja, warum? «Vergessen», würde sich wohl nicht gut machen. Also schwieg ich.
«Nun gut, Kaffeepause!», änderte sich ihr Ton und ich war erleichtert, dass nun der versöhnliche Teil kommen würde. Doch ich sollte mich täuschen. «Aber nicht für dich! Du kriegst heute keinen Kaffee, sondern bleibst am Pult und denkst über deine Schusseligkeit nach!»
Mit diesen Worten knallte sie die Türe hinter sich zu. War ich eben noch reumütig wegen meines Fehlers gewesen, löste sich Reue und Einsicht mit der Streichung der ersehnten Pause in Luft auf. Spinnt die? Was hat dieser kleine Fehler mit meinem wohlverdienten Break zu tun? Sieht die denn nicht, wie viel ich gut mache?
Ich überprüfte kurz, ob wirklich alle in die Pause verschwunden waren, und schlich dann zum nahen Kiosk, um mir den grössten Kaffee ever zu holen – den ich doppelt genoss, da er so schön verboten war. Dabei schmiedete ich einen Plan: Sie würde ihre Dokumente heute schön alphabetisch geordnet bekommen. Den Rest des Tages würde ich dann unauffällig streiken, indem ich irgendwelche Pseudoarbeiten erledige. So geht man nicht mit mir um!
Strafen sind nicht zum Erziehen da
Falls sie nun bereits nach Adressen für arbeitsrechtliche Beratung googeln oder mir anbieten wollen, diesem Albtraum von Chefin mal «ordentlich d’Chnöpf iztue», danke ich Ihnen von Herzen. Doch ihr Engagement ist nicht nötig: Diese Geschichte ist rein fiktiv und hat sich auch nicht nur annähernd so zugetragen. Es wäre schliesslich höchst skandalös, wenn eine Vorgesetzte ihre Macht so missbrauchen würde, um zu bekommen, was sie will. Abgesehen davon auch kontraproduktiv. Oder glaubt hier wirklich jemand, dass meine Motivation durch ihre demütigende Machtdemonstration so gesteigert worden wäre, dass ich zur Mitarbeiterin des Jahres hätte werden können?
Ich empfand Scham, Wut und eine unbändige Lust, mich an der «Zwetschge» zu rächen.
Bei Kindern jedoch wird nicht selten davon ausgegangen, dass Bestrafungen ihr Verhalten verbessern würden. Ähnlich wie mir der fiktive Kaffee werden ihnen täglich Medien, Desserts oder Treffen mit Freunden gestrichen, wenn sie die Erwartungen von Erwachsenen nicht erfüllen. Und noch immer ist es weit verbreitet, dass kleine Menschen zum Nachdenken über Schuld auf den «stillen Stuhl» geschickt werden. In nicht wenigen Familien wird Erziehung noch immer mit Strafe in Verbindung gebracht, wovon ich schon immer so wenig überzeugt war wie von übertriebenem Loben. Doch seit ich mich in die Rolle der Bestraften einfühlte, bin ich überzeugt, dass diese Methode nicht zielführend sein kann. Und das nicht, weil ich Kinder in Watte packen und ihnen bloss Einhörner im Regenbogen anstatt das echte Leben zumuten will. Im Gegenteil, ich bin der Überzeugung, dass Strafen das echte Leben verhindern. Sie stehen dem Erlangen von Eigenverantwortung und Lernen im Weg und öffnen nicht selten eine Welt, zu der wir Eltern keinen Zugang mehr haben.
Verbesserungspotenzial? Mitnichten!
Zwar mag eine Strafe für den Moment durchaus wirksam sein, was sie ja auch so verführerisch macht. Langfristig bewirkt sie aber oft das genaue Gegenteil von erwünschter Kooperation. Auch deshalb, weil kein Mensch unter Stress effektiv lernen kann. Denn welche Gefühle wurden in mir geweckt, als ich selbst in der Rolle der abgestraften Mitarbeiterin war? Einsicht, Schuldgefühle und ein Plan, wie ich es zukünftig besser machen kann? Mitnichten. Stattdessen empfand ich Scham, Wut und eine unbändige Lust, mich an der «Zwetschge» zu rächen. Ihr Auftritt löste in mir das Bedürfnis nach Heimlichkeit aus, Misstrauen in unsere Beziehung und den Vorsatz, ihr meine Schwächen nicht mehr zu zeigen.
Ich glaube, dass es Kindern oft genauso geht, wenn sie bestraft werden. Weil Kinder eben auch nur Menschen sind und sich wie wir mit einfallsreichen Strategien zu schützen wissen. Sollte ich also je wieder in Versuchung geraten, die hilflose Keule der Drohungen zu schwingen, werde ich mich an mein Experiment erinnern. Und hoffentlich auch daran, dass der Schuss meiner Chefin so was von nach hinten losging.
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