Streif-Debütant Alessio MiggianoEr kickte beim FCZ, nun ist er das nächste grosse Schweizer Ski-Talent
Der 22-Jährige ist der Sohn eines Sternekochs und war einst FCZ-Junior. Jetzt will er in Kitzbühel in die Fussstapfen von Marco Odermatt und Franjo von Allmen treten.
- Alessio Miggiano ist vor allem im Europacup unterwegs, liess im Training von Gröden aber aufhorchen.
- Der Sohn eines Sternekochs begann sich nach seiner KV-Ausbildung selbst zu vermarkten – mit Erfolg.
- Dank guter Leistungen im Europacup winkt ihm ein Fixplatz im Weltcup.
Erste Schritte im Weltcup können wunderbar sein. Manchmal auch furchteinflössend. Sicher sind sie eindrücklich. Und sie bringen täglich neue Erkenntnisse. Bei Alessio Miggiano zum Beispiel auch die, dass er unter all den Schweizern im Skizirkus nicht der einzige gute Fussballer ist.
«In Gröden durfte ich die Erfahrung machen, dass Beat Feuz sehr begabt ist», sagt der Zürcher Oberländer mit einem Lachen. Er merkte das in den freien Stunden zwischen Trainings und Rennen. Feuz muss offensichtlich nicht mehr aktiv sein, um mit den Jungen mitzuhalten, der 37-Jährige ist heute als Experte für das Schweizer Fernsehen an den Rennen.
Miggiano ist noch am anderen Ende der Erfahrungsskala. 23 wird er im März. Und einst, daher die Anekdote mit Feuz, war er ein talentierter Fussballer. Bis er 13 war, spielte er im Nachwuchs des FC Zürich. Danach entschied er sich für das Skifahren.
Der Weg führte ihn an einen Tisch in Kitzbühel, der umringt ist von Journalisten. Nach ihm kommen die dran, die momentan die grossen Geschichten schreiben im Weltcup, erst Franjo von Allmen, dann Marco Odermatt. Letztes Wochenende in Wengen gewann von Allmen den Super-G, Odermatt am Tag darauf die Abfahrt – vor von Allmen.
Von solchen Heldentaten ist Miggiano noch ein gutes Stück entfernt, er wird am Samstag erstmals zu einer Abfahrt in Kitzbühel starten. Er wird eine hohe Nummer tragen und dann eingreifen, wenn die wichtigsten Entscheidungen gefallen sind. Am Mittwoch trainierte er erstmals auf der Streif, dann wurde ihm gesagt, dass er dabei sei.
«Sehr eindrücklich», «megacool», «fordernd», das ist, was Miggiano zu seiner ersten Fahrt auf dieser Piste mit der langen und berüchtigten Geschichte einfällt. Er redet so, als hätte er schon Hunderte dieser Medientermine hinter sich. Dabei ist es der erste in dieser Form.
In Gröden, wo er Feuz’ Fussballkünste beobachtete, war Miggiano erstmals im Weltcup dabei. In einem Team, das bisher jede Abfahrt des Winters per Doppelsieg gewann, überraschte er mit Rang 6 im Training. Im Rennen war er 1,79 Sekunden langsamer als Sieger Odermatt, weil es eng war, reichte das für Rang 46.
Und jetzt also die Streif. Grösser geht es nicht im Weltcup. Miggiano sagt, jeder Skifahrer träume davon, seinen Namen hier auf der Startnummer lesen zu dürfen. Er sagt aber auch, dass es bestimmt schöner sei, zum 15. Mal hierherzukommen als erstmals. Das fasst den Mythos Hahnenkamm recht gut zusammen.
Bisontatar im Zürcher Oberland
Miggiano kommt aus dem Kanton Zürich, aufgewachsen ist er in Bubikon, einem Dorf im Oberland, bei dem die Skipisten nicht gerade um die Ecke, aber auch nicht allzu weit entfernt liegen. Seine Eltern Rita und Domenico führen den Gasthof Löwen mitten im Dorf, ein Restaurant, das auch mal Bisontatar mit Mascarpone-Mousse oder Ravioli mit Hummerfüllung im Angebot hat.
Die Eltern unterstützen ihren Sohn in den Anfängen seiner Karriere. Im Sommer 2023 schliesst dieser seine KV-Ausbildung ab und beschliesst, Profi zu werden und auf eigenen Füssen zu stehen. Er macht sich auf Sponsorensuche und investiert viel Zeit dafür. Vom Netzwerk der Eltern profitiert er, unter Niveau Weltcup laufe eigentlich alles über Vitamin B, sagt Miggiano. Er ist momentan Teil des B-Kaders, das ist nach Nationalteam und A-Kader die dritthöchste Stufe bei Swiss-Ski.
Miggianos Kopfsponsor, der prominenteste bei den Skifahrern, weil der Name auf dem Helm steht, ist heute das nahe Bubikon gelegene Gartencenter Meier. Dazu kommen drei weitere Hauptsponsoren, elf Partner, sieben Gönner, meist Firmen aus der Region, und um die 60 Private, die zum Gönnerclub «Amiggis» gehören. «Amiggis» ist die Kombination aus Miggiano und Amici, dem italienischen Wort für Freunde.
Italien liegt Miggiano nahe, weil sein Vater aus dem Süden des Landes stammt. Miggiano könnte für Italien fahren, vielleicht hätte er da weniger Konkurrenz. Die Italiener hatten schon bessere Zeiten in den schnellen Disziplinen. In der Abfahrtswertung des Weltcups liegen Mattia Casse, Dominik Paris, Florian Schieder und Christof Innerhofer auf den Rängen 10, 14, 26 und 37. Sie sind 34, 35, 29 und 40 Jahre alt.
Es winkt ein Fixplatz im Weltcup
Miggiano ist momentan vor allem im Europacup unterwegs, der zweiten Liga sozusagen. Am vergangenen Donnerstag, als sich Odermatt, von Allmen und die anderen Granden auf das Schweizer Skifest in Wengen vorbereiteten, gewann er auf dem Pass Thurn, gar nicht weit von Kitzbühel, seine erste Abfahrt.
Und noch bevor er seine Premiere auf der Streif feierte, absolvierte er am Montag und Dienstag auf der Reiteralm zwei Super-G, Ränge 20 und 6. Es soll nicht zu schnell gehen bei Miggiano, die Schweizer sind fürs Erste abgesichert im Speedbereich, niemand muss früher als nötig eingesetzt werden.
Für Miggiano geht das gut auf bisher. In der Abfahrtswertung des Europacups ist er Zweiter, am Mittwoch erlitt sein ärgster Konkurrent, der Österreicher Felix Hacker, im Kitzbühel-Training einen Kreuzbandriss, ohne wirklich zu stürzen, seine Saison ist beendet. Wird Miggiano mindestens Dritter, hat er nächste Saison einen Fixplatz im Weltcup.
Die Form stimmt, die Resultate auch, das Gefühl sowieso. Miggiano sagt: «In einem besseren Moment kann ich nicht zum ersten Mal nach Kitzbühel kommen.»
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