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Ski-Highlight in Kitzbühel
Marco Odermatt über seine Teamkollegen: «Ich fühlte mich wie im falschen Film»

Ein Mann mit einer Red-Bull-Mütze lächelt und spricht während einer Pressekonferenz in Wengen, umgeben von Mikrofonen.
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Irgendwann wird es eng in diesem Raum im Schweizer Teamhotel. Stuhl um Stuhl wird herangerückt an den grossen Tisch, Journalist um Journalistin nimmt darauf Platz. Am Ende sitzen zwei Dutzend auf den Stühlen, um seinen Worten zu lauschen, es ist ein Medienauflauf, wie es ihn im Skisport kaum je gibt.

Marco Odermatt hat sich allmählich an den Rummel gewöhnt, der um seine Person herrscht. Als Sieger der Lauberhornabfahrt ist er angereist nach Tirol, als Leader im Riesenslalom, im Super-G, in der Abfahrt und im Gesamtweltcup. Der Nidwaldner ist auch in diesem Winter die alles überstrahlende Figur. Und in Kitzbühel, da ist die Aufmerksamkeit eben besonders gross. Weil das Rennen beachtet wird wie kein anderes; weil Odermatt der Dominator und Favorit ist; aber auch, weil er mit seinen 27 Jahren gesagt hat, er habe nur noch ein Ziel in seiner Karriere: die Abfahrt auf der berüchtigten Streif zu gewinnen, am besten schon diesen Samstag.

Ob er denn wirklich keine anderen Ziele mehr habe in seiner Karriere, wird Odermatt gefragt. «Nein, das ist mein letztes grosses Ziel. Das heisst nicht, dass ich keine Kugeln mehr gewinnen will oder keine Medaillen, aber auf der Liste derjenigen Sachen, die ich noch nicht gewonnen habe, ist dieser Triumph der einzige, der übrig bleibt.»

Bei Odermatt ist alles etwas anders

Es sind verrückte Worte für einen Sportler, der an seinem Alter gemessen die besten Jahre eigentlich noch vor sich haben müsste – gerade in der Abfahrt, in der manche erst in ihren Dreissigern so richtig aufblühen, einige fahren gar bis 40 und länger. Doch beim dreifachen Gesamtweltcupsieger ist alles etwas anders – offenbar ist es auch die Zeitrechnung.

Während sich die meisten Abfahrer in seinem Alter hinter erfahrenen Teamkollegen in Ruhe entwickeln können, steht er im grellen Scheinwerferlicht. Natürlich liegt das an seinen Leistungen, an seinen 43 Weltcupsiegen, die er nun schon gesammelt und mit denen er die Schweizer Skilegende Pirmin Zurbriggen mit ihren 40 Triumphen überholt hat. Aber er wäre auch der Leader dieses Teams, ginge es nur ums Alter.

In den letzten Jahren sind Fahrer wie Beat Feuz, Carlo Janka, Patrick Küng, Marc Gisin oder Mauro Caviezel zurückgetreten, allesamt Grössen des Abfahrtssports. Zudem fehlt Niels Hintermann wegen seiner Krebserkrankung.

Wie ist das nun für ihn mit den Teamkollegen, die allesamt jünger sind als er? Odermatt, der vorwiegend im Riesenslalomteam trainiert, schmunzelt, als er die Frage hört. «Als ich letztes Jahr an die ersten Speedrennen reiste, fühlte ich mich wie im falschen Film. Ich fühlte mich wirklich alt. Als ich vor sechs Jahren in die Mannschaft stiess, war ich noch mit Abstand der Jüngste, das hat sich extrem verändert», sagt Odermatt. Und ergänzt: «Aber die Leistungen sind auch so ganz gut, das ist das Wichtigste.»

Natürlich ist es eine gewaltige Untertreibung. Das Schweizer Abfahrtsteam schaffte in dieser Saison, was noch nie in der 58-jährigen Weltcupgeschichte irgendeiner Mannschaft gelang: Es hat in den ersten vier Abfahrten vier Doppelsiege geholt. Zweimal hiess dabei der Sieger nicht Odermatt, sondern Justin Murisier und Alexis Monney. Dreimal Zweiter wurde Franjo von Allmen, der erst 23-jährige Berner Oberländer, für den die gängige Zeitrechnung ebenso wenig zu gelten scheint wie für Odermatt. In Wengen gewann von Allmen letzte Woche gar den Super-G.

Odermatt fühlt sich nicht als Leader

Odermatt gilt als Teamplayer, der sich mit der Rolle als Vorbild und Tippgeber bestens arrangiert hat. Er selbst sagt: «Es fühlt sich nicht an wie eine Leaderrolle, eine Hierarchie gibt es bei uns nicht, wir leben eine andere Kultur.» Die Erfolgsgeschichte gründet auch darin, dass sich das Team als Einheit sieht und jeder dem anderen hilft.

Vorneweg aber, da marschiert zumindest in der Öffentlichkeit Odermatt. «Ich bin derjenige, der den grossen Druck hat. Das gibt den Jüngeren die Chance, in meinem Sog mitzuziehen.» Sie tun das vorzüglich. Ob er denn überhaupt Lust habe, seinen Teamkollegen noch Tipps zu geben, jetzt, da sie ihn allmählich bedrängten, wird Odermatt auch noch gefragt. «Bei Franjo muss ich wohl allmählich damit aufhören», sagt er und lacht. «Nein, im Ernst: Er ist ohnehin kaum auf Inputs angewiesen, er hat einen klaren Plan und macht seine Schritte sehr schnell.»

Später an diesem Abend redet auch von Allmen. Er sehe sich noch nicht auf gleichem Niveau mit seinem Teamkollegen, sagt er, «Marco hat eine Breite und eine Konstanz, die ich noch nicht habe». Ihre Beziehung habe sich allein aufgrund ihrer gemeinsamen Reiserei verändert, «aber was ich an Marco schätze: Auch als ich noch nicht diese Leistungen brachte, hat er mich anerkannt. Wir redeten immer auf Augenhöhe. Niemand hat das Gefühl, unter ihm zu stehen.»

Nach aussen aber, da überstrahlt Odermatt noch immer alle. So ist das ebenso in dieser Woche in Kitzbühel, wo er auch deshalb der grosse Favorit ist, weil viele Gegner fehlen. Auch darauf wird er angesprochen. Ob er das Gefühl habe, dass sich etwas ändern müsse im Abfahrtssport, weil das Material mittlerweile zu aggressiv abgestimmt und die Pisten zu schwierig seien. «Wir könnten ja auch nur in den Skischuhen hinunterfahren, dann wären wir weniger schnell, und es wäre weniger aggressiv», sagt er leicht schnippisch, was er auch sein kann, wenn ihm eine Frage missfällt. «In der Formel 1 sagt auch keiner, die Autos müssten auf den Geraden 150 statt 350 km/h fahren, das macht den Sport speziell. Skisport ist gefährlich, das wissen wir, jedem sind die Konsequenzen bewusst, die drohen. Wir müssen nur die Bedingungen so gut hinkriegen wie möglich, wir müssen stark sein, um Verletzungen vorzubeugen und Risiken entgegenzuwirken. Aber grosse Veränderungen sind nicht realistisch.»

Dann ist die Fragerunde vorbei, verlässt Odermatt den Raum. Mit seinem letzten grossen Ziel im Kopf: dem Sieg auf der Streif von Kitzbühel.