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Lauberhornrennen werfen Fragen auf
40’000 Zuschauer und kein Gewinn – wie ist das möglich?

Ein Volksfest und freien Blick auf den Hundschopf: Zehntausende verfolgen die Abfahrt – die meisten vom Gegenhang Girmschbiel.
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Wie hoch ist das Budget?

Die Ausgaben und Einnahmen sind in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Mittlerweile liegt das Budget der Lauberhornrennen zwischen neun und zehn Millionen Franken. Steigende Energiekosten, zusätzliche Sicherheitsmassnahmen sowie Auflagen der Behörden hätten die Kosten erhöht, sagt OK-Präsident Urs Näpflin. «Gleichzeitig ist der Anlass immer mehr gewachsen.» Am Samstag tummeln sich während der Abfahrt 40’000 Menschen auf den Tribünen und am Berg, sie alle haben ein Ticket gekauft.

Das ist die Haupteinnahmequelle der Veranstalter. Denn die Marketing- und Fernsehrechte liegen nicht bei den Organisatoren, sondern bei Swiss-Ski. Einen Teil dieses Geldes gibt der Schweizer Verband zwar weiter an den Veranstalter, den Grossteil aber behält er für die Ausbildung seiner Skifahrerinnen und Skifahrer. Ein Kaderathlet kostet Swiss-Ski schnell einmal 100’000 Franken pro Jahr.

Der Internationale Skiverband FIS indes beteiligt sich nur marginal an den Ausgaben des Veranstalters: Er übernimmt 20 Prozent des Preisgeldes und stellt sein Personal zur Verfügung. Beiträge erhält das Lauberhorn-Komitee dafür von der Gemeinde, vom Kanton Bern und dem Bund in Form des Armee-Einsatzes.

Wie viele Armee-Angehörige sind im Einsatz?

Zwei Personen in Skikleidung tragen Skier auf einer verschneiten Piste in Wengen, mit Blick auf die Stadt im Hintergrund am Tag vor dem Lauberhornrennen 2022.

Der Zivilschutz stellt 150 Leute zur Verfügung, hinzu kommen 150 bis 200 Angehörige der Armee, die ihren WK im Berner Oberland absolvieren. Die 350 Personen arbeiten während dreier Wochen, kümmern sich um die Logistik, um den Aufbau und Abbau von Tribünen und anderen Installationen. Sie montieren die Sicherheitsnetze und schaufeln auf der Piste.

Besonders gefordert sind sie am frühen Samstagmorgen, als der «Guggiföhn» mit bis zu 143 km/h über das Gelände fegt, Zelte abräumt und einen Meter Neuschnee auf die Startkurve weht. Die Helfer können allerdings erst um 6 Uhr loslegen, wenn die Geleise vom Schnee frei gefräst sind und die Bahn wieder fährt. Rund 600 Helfer schaufeln am Samstag auf der Piste. Im Einsatz sind zudem rund 600 Volunteers, die ein Helfergeschenk erhalten und für deren Unterkunft und Verpflegung gesorgt ist.

«Müssten wir alle Zivilschützer, Soldaten und Volunteers bezahlen, wären die Kosten um rund drei Millionen Franken höher», sagt Näpflin. Das könnte der Veranstalter unmöglich stemmen. Die Unterstützung durch Armee und Zivilschutz ist mehr oder weniger gesichert. Bei Anlässen von nationalem Interesse und mit internationaler Ausstrahlung bekommen diese Unterstützung, die in einer Verordnung so geregelt ist.

Was sagt der Veranstalter zur Armee-Kritik?

Immer wieder werden Stimmen laut, die den Einsatz der Armee kritisieren. Das stehe nicht im Pflichtenheft der Armee, heisst es. Näpflin kann die Kritik verstehen, «in erster Linie ist sie für die Landesverteidigung zuständig».

Allerdings habe der Einsatz Gemeinsamkeiten mit einer normalen Übung. So müssten die Truppen auch eng geführt werden, habe der Einsatz ebenfalls ein klares Ziel, das erreicht werden müsse. Was die Soldaten und Zivilschützer am Berg leisten, sei vergleichbar mit dem Katastropheneinsatz wie etwa in Brienz. Auch werde vor Ort gekocht und die Verpflegung am Berg verteilt – wie bei einem anderen Einsatz. Die Kosten für die Mahlzeiten übernimmt der Veranstalter.

Was macht die Rennen so teuer?

Die Abfahrt am Lauberhorn ist die längste der Welt. Entsprechend aufwendig ist die Pistenpräparierung und das Errichten der Installationen, etwa der Sicherheitsnetze. Zudem ist die Strecke mit grossen Fahrzeugen nicht erreichbar. «Die Kosten sind 30 Prozent höher, als wenn wir mit Lastwagen arbeiten könnten», sagt Näpflin. Der Grossteil des Materials wird mit der Wengernalpbahn transportiert, auf Helikopterflüge wird wo möglich verzichtet.

Die Tribünenteile, die Netze und alles andere landen daher oben bei der Wengernalp, wo es eine Haltestelle gibt. Von dort aus muss das Material verteilt werden. Ein Teil wird dort aufgebaut, befindet sich doch an dieser Stelle der Hang Girmschbiel, wo sich das Gros der Fans einfindet und freien Blick auf den Hundschopf hat.

Zuschauer stehen auf der Tribüne des Skistadions beim Lauberhornrennen, umgeben von verschneiten Bergen.

Bei den meisten anderen Weltcuprennen kann das Material ins Ziel geschafft werden, was die Arbeiten erleichtert. In Wengen werden die ersten Bauten, die auf festem Boden stehen müssen, schon im Oktober erstellt – etwa die A-Netze oder die Plattformen. Die Piste wird ab November präpariert. Der Abtransport dauert dann bis März.

Die ganze Strecke befindet sich auf Landwirtschaftsland, die Organisatoren sind nicht Grundeigentümer, deshalb muss bis auf das Starthaus und das Zielgebäude sowie ein Materiallager jedes Jahr alles auf- und wieder abgebaut werden.

Welche Kosten gibt es noch?

Im Ski-Weltcup ist der Veranstalter zuständig für die Unterbringung der Teams, von Fahrern, Trainern und anderen Mitarbeitern. In Wengen beteiligen sich die Organisatoren auch an den Reisespesen. Zudem muss in jedem Hotel, in dem Athleten nächtigen, 24 Stunden warme Küche angeboten werden. Das ist eine Auflage der FIS und führt zu einem Mehraufwand, den die Veranstalter tragen. Insgesamt sind rund 300’000 Franken vonnöten.

Skirennfahrer Simon Jocher von Team Deutschland zieht sich auf dem Weg zum Abfahrtstraining in einem Zug in Wengen, Schweiz, seine Skischuhe an.

Die Ausgaben für die Angestellten halten sich derweil in Grenzen. Drei Leute sind über das ganze Jahr vollbeschäftigt, Bereichsleiter und Logistikmitarbeiter werden für zwei Monate engagiert und bekommen einen kleinen Zustupf sowie Verpflegung. Viele sind Einheimische, die ehrenamtlich arbeiten. So ist das auch im Organisationskomitee.

Warum schreiben die Veranstalter keinen Gewinn?

Drei Renntage, dreimal ausverkauft, am Samstag 40’000 Zuschauer, VIP-Gäste, konsumierende Fans, eine direkte und indirekte Wertschöpfung in Höhe von rund 40 Millionen Franken für die Region: Die Lauberhornrennen sind ein Erfolgsmodell. Und doch schaut kaum ein Gewinn heraus. Wie ist das möglich?

Das liegt nicht nur an den Kosten, die höher sind als andernorts. Das liegt auch an einer Vereinbarung mit Bund und Kanton. Müssen Rennen abgesagt werden, kommt zum einen eine Versicherung für die wegfallenden Einnahmen auf. Die Police beträgt pro Jahr über eine halbe Million Franken. Zum anderen kommen dann auch Bund und Kanton Bern ins Spiel, die eine Art Defizitgarantie bieten.

Ein Volksfest: Rund 40’000 Zuschauer verfolgen die Abfahrt am Samstag, 24 Stunden zuvor sorgten 27’500 Fans für einen Freitagsrekord.

Diese ist allerdings gedeckelt und liegt inklusive der Armeeleistungen im siebenstelligen Bereich. Fallen allerdings einmal alle Rennen aus, wie das 2021 aufgrund der Coronapandemie war, bleiben die Veranstalter auf einem Minus sitzen. Das kann existenzbedrohend sein. «Wäre der Bund damals nicht eingeschritten, gäbe es uns heute nicht mehr», sagt Näpflin. Zurückzahlen müssen die Organisatoren dieses Notgeld indes nicht. Können sie auch gar nicht.

Und damit zur anderen Seite der Medaille. Schliesst der Anlass nämlich mit einem Gewinn ab, können die Veranstalter diesen nicht etwa zurückstellen für schlechtere Jahre. Nein, dann wird dieser mit den Ausgaben gegengerechnet, welche die öffentliche Hand hatte. Einfach gesagt: Je mehr Gewinn die Lauberhornrennen machen, desto weniger Unterstützung gibt es von Bund und Kanton. Deshalb schaut auch dann eine schwarze Null heraus, wenn der Anlass «vorwärts» gemacht hätte.

Was läuft beim Klassiker in Kitzbühel anders?

Dass in Wengen um einen Torbogen auf dem Hundschopf gestritten wurde, dürfte in Kitzbühel für Kopfschütteln gesorgt haben. Die Rennen auf der Streif sind vermarktet wie sonst keine. Selbst in der Nacht leuchtet die Strecke hell mit den Logos der Hauptsponsoren, übertrieben gesagt, ist jeder Meter verkauft. Das liegt am System: Kitzbühel ist das einzige Rennen, das sich selbst vermarkten darf und über die Werbe- und Fernsehrechte verfügt.

Diesen Deal haben sich die Veranstalter mit dem österreichischen Verband Ski Austria ausbedungen, einen Teil der Einnahmen geben sie diesem ab. In der Schweiz dagegen hält Swiss-Ski seit Mitte der 1980er-Jahre die Rechte an allen heimischen Weltcuprennen. Die Einnahmen aus dem Torbogen kommen deshalb vor allem dem Skiverband zugute. Aus dessen Vermarktungstopf erhalten die Veranstalter je nach Wichtigkeit und Renommee des Anlasses Geld.

Blick auf die Hausbergkante bei den 83. Hahnenkamm-Rennen 2023 in Kitzbühel, Österreich. Schneebedeckte Piste mit Red Bull Werbung.

Im Fall von Wengen lag dieser Betrag über viele Jahre bei rund zwei Millionen Franken. 2018 führte das zum Streit zwischen Wengen und Swiss-Ski, die Berner Oberländer zogen an den Sportgerichtshof CAS, um eine höhere Entschädigung zu bekommen. Der Streit eskalierte 2020, als Swiss-Ski die Prestigerennen aus dem Kalender streichen liess. Selbst Sportministerin Viola Amherd musste sich einschalten, um zu schlichten – die Parteien einigten sich aussergerichtlich.

Mit dem Deal, der einen höheren Beitrag von Swiss-Ski beinhaltet, kann Näpflin leben. Jedenfalls plant er keinen weiteren Vorstoss. «Erstens sind wir nicht gewinnorientiert, und zweitens profitieren wir auch von der Arbeit des Verbandes und den erfolgreichen Schweizer Athleten.» Beim Blick nach Kitzbühel könnte aber durchaus Neid entstehen. «Ein solches System ist hierzulande undenkbar, weil wir sonst die Kosten der Armee und des Zivilschutzes selbst tragen müssten und unter dem Strich nicht besser dastehen würden. Zudem würden wir Swiss-Ski die Mittel für die Athleten und den Staff entziehen», sagt Näpflin.

Mit dem unterschiedlichen System begründet Näpflin auch die Differenzen bezüglich Preisgeld. Während Kitzbühel mittlerweile pro Rennen die Rekordsumme von 333’500 Euro verteilt, ist es in Wengen das von der FIS vorgeschriebene Minimum von 144’000 Franken. Ein Lauberhornsieger bekommt 47’000 Franken, wer in Kitzbühel triumphiert, kriegt 100’000 Euro.