Gastbeitrag zur SicherheitspolitikWer die Schweiz schützen will, schaltet die AKW ab
Das Parlament rüstet die Armee auf, weil es die Sicherheit der Schweiz gefährdet sieht. Hat es dabei nicht etwas Wichtiges übersehen?
![Die beiden Kernreaktoren Beznau 1 (links) und Beznau 2 des Kernkraftwerks Beznau mit dem Logo des Energiekonzerns Axpo, fotografiert am Montag, 6. Mai 2024 in Boettstein. Der 1969 in Betrieb genommene Reaktor Beznau 1 und der 1971 in Betrieb genommene Reaktor Beznau 2 gehören zu den ältesten Reaktoren der Welt. Beide Reaktoren nutzen das Wasser der Aare zur Kühlung. (KEYSTONE/Christian Beutler)](https://cdn.unitycms.io/images/6lO5ABUvaIx9u7AZHs23ij.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=Q6UsDG-xzxg)
Die bürgerlichen Parteien haben sich im Parlament durchgesetzt: Das Militärbudget wird in den nächsten Jahren um viele Milliarden Franken angehoben, um die Widerstandskraft der Schweiz zu sichern.
Die Frage sei erlaubt: Reicht die geplante Aufrüstung, oder gibt es andere, wichtigere und kostengünstigere Massnahmen, die unsere Verwundbarkeit markant reduzieren würden?
Der Krieg in der Ukraine lehrt uns, dass moderne Kriegsführung zuerst die Lebensader des Landes zerstört – die Infrastruktur der Energieversorgung. Atomkraftwerke mit grossen Mengen hochradioaktiven Materials sind dabei ein besonders gefährdetes Ziel.
Ein zukünftiger Angreifer könnte drohen, unsere Atomkraftwerke zu zerstören, wenn wir seine Forderungen nicht erfüllen. Mit nur wenigen Raketen könnte er das Mittelland unbewohnbar machen. Wir sind erpressbar, und im schlimmsten Fall verlieren wir unsere Heimat. Flugzeuge und Abwehrsysteme helfen da wenig.
Russlands Machthaber Wladimir Putin hat in der Ukraine vor allem deshalb noch nicht nach dieser Räson gehandelt, weil er die Ukraine als russisches Land betrachtet, das er für sich beanspruchen möchte. Andere Aggressoren unserer Zeit hätten da weit weniger Skrupel.
Veraltet, umweltschädlich und unwirtschaftlich
Wenn es wirklich darum geht, die Schweiz militärisch zu schützen, müssen alle Atomkraftwerke stillgelegt werden. Sie sind ein zu grosses Sicherheitsrisiko. Zudem brauchen wir sie nicht mehr: Sie sind veraltet, umweltschädlich und unwirtschaftlich. Anstatt auf neue Atomkraftwerke zu warten, setzen wir besser auf moderne Geothermie, die ganzjährlich heimische Energie ohne die Gefahr von Erdbeben liefert.
In Zukunft wird es im Sommer günstigen überschüssigen Solarstrom geben. Dieser kann für die Produktion von Wasserstoff, CO₂-neutralem Methan oder Methanol als flexible Energiespeicher verwendet werden. Zudem sind Wasserkraftwerke in den Bergen die grösste und flexibelste Batterie. Sie sind erst im Frühling leer, genau dann, wenn die Solarenergie im Flachland wieder viel Strom liefert. Unsere geplante nachhaltige Energieversorgung kommt ohne Atomkraft aus.
Übertragungsleitungen und Grosskraftwerke sind im Kriegsfall einfache Ziele. Dazu kommt ein zentraler weiterer Sicherheitsaspekt: Keine Stromversorgung ist so resilient wie die vorgesehene dezentrale Energieversorgung mit Tausenden Kleinanlagen und Quartierspeichern.
Klar ist: Ohne Atomreaktoren wird unser Strom einheimisch, ökologischer und günstiger. Das Risiko von Atomreaktoren ist zu hoch für eine sichere Schweiz. Wer für die Sicherheit der Schweiz höhere Militärausgaben befürwortet, muss konsequenterweise auch gegen Atomkraftwerke sein.
Hans-Rudolf Zulliger ist Physiker und Nuklearingenieur.
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