Ferien im Land der TalibanWarum Schweizer Touristen nach Afghanistan reisen – trotz offizieller Warnung
Die Schönheit Afghanistans zieht immer mehr Reisende an. Neben Sicherheitsrisiken gibt es auch ethische Bedenken. Ein Unternehmer und ein Schweizer Tourist sagen, wieso sie das nicht abhält.

- Khyber Khan zeigt die Schönheit Afghanistans durch spektakuläre Bilder auf sozialen Netzwerken.
- Sein Unternehmen «Uncharted Afghanistan» bietet 9- bis 14-tägige Reisen ins Land an.
- Der Tourismus in Afghanistan wächst trotz Sicherheitsbedenken und politischer Instabilität.
- Ethische Fragen und Sicherheitsrisiken begleiten den aufstrebenden Tourismus im Land.
Türkisblaue Seen, glasklare Flüsse, grüne Tannenwälder. Pässe, die sich um über 6000 Meter hohe, schneebedeckte Berge winden. Unberührte Landschaften mit mystischen Namen wie Nuristan, Shahr-i Gholghola oder Drachental.
Einige Aufnahmen auf dem Instagram-Kanal von Khyber Khan erinnern an das Berner Oberland oder das Aletschgebiet. Man muss zweimal hinsehen, um zu glauben, dass die Bilder tatsächlich Afghanistan zeigen. Ein Land, das viele mit bärtigen Taliban, öffentlichen Steinigungen und staubigen Wüsten verbinden. «Ich will Afghanistan von einer anderen, positiven Seite zeigen», sagt der Fotograf und Filmemacher im Videogespräch.
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Khyber Khan wuchs in Afghanistan auf. In den 1990er-Jahren floh er mit seiner Familie vor den Taliban nach Grossbritannien. Seit 2016 kehrt er regelmässig in seine Heimat zurück. Mit Kamera und Drohne fängt er spektakuläre Bilder ein, die ihm auf sozialen Netzwerken Zehntausende Follower beschert haben.
Vor zwei Jahren ging der 37-Jährige einen Schritt weiter. Er will, dass Menschen die Schönheit Afghanistans selbst erleben. Im Sommer 2023 gründete er «Uncharted Afghanistan» (das unerforschte Afghanistan), ein Unternehmen, das Reisegruppen ins Land führt. Die Touren heissen «Salam Afghanistan» oder «Adventure Afghanistan» und dauern 9 bis 14 Tage. Sie führen durch Städte wie Kabul und Herat oder in abgelegene Täler.
Eine neuntägige Tour mit «Uncharted Afghanistan» kostet knapp 2750 Franken, ohne Flug und Visa. Es gibt teurere Reiseziele. Für die nächste Tour im Frühling hätten sich auch zwei Touristen aus der Schweiz angemeldet, sagt Khyber Khan. Rein organisatorisch ist eine Afghanistan-Reise nicht besonders schwer. Emirates fliegt regelmässig von Zürich über Dubai nach Kabul. Das notwendige Visum gibt es im Konsulat in München oder beim Zwischenstopp in Dubai.
Tourismus in Afghanistan – für viele klingt das absurd. Doch Khan betritt einen wachsenden Markt. Seit der Machtübernahme der Taliban 2021 zieht das Land mehr Reisende an. Laut der «New York Times» besuchten in den letzten drei Jahren 14’500 Touristinnen und Touristen Afghanistan.
Die Taliban fördern den Tourismus aktiv: Es gibt ein zuständiges Ministerium und einen Informationsminister, der steigende Besucherzahlen verkündet und sich in Medien über die negative Darstellung seines Landes beklagt.

Auf Facebook-Seiten wie «Travel Experience Afghanistan» tauschen sich Interessierte aus. In Whatsapp-Gruppen berichten Reisende über Hotels, Visa und Grenzbeamte. Wie teuer sind Taxis? Ist Februar eine gute Reisezeit? Welches Hotel in Mazar-i Sharif ist das beste? Die Fragen ähneln denen, die man aus klassischen Reiseländern wie Thailand oder Nepal kennt.
Doch Afghanistan ist kein typisches Reiseland. Über 40 Jahre lang tobte dort Krieg. 2021 übernahmen die radikalislamischen Taliban die Macht. Frauen haben kaum Rechte, das Land ist bitterarm, und die Taliban sind international geächtet (lesen Sie hier, wie Afghaninnen unterdrückt werden).
Das Schweizer Aussendepartement warnt
Die Sicherheitslage bleibt ein Thema. «Von Reisen nach Afghanistan wird abgeraten», warnt das Schweizer Aussenministerium EDA auf seiner Website. Touristen müssten wissen, dass die Schweiz «nur begrenzt oder gar nicht helfen» könne. Im Mai 2024 starben ein Afghane und drei spanische Touristen bei einem Angriff in der Provinz Bamyan. Es war der erste tödliche Vorfall seit der Rückkehr der Taliban. Die Hintergründe sind unklar.
Die Reisewarnung hat den Genfer Mathieu nicht abgehalten. Im vergangenen September reiste er mit einem afghanischen Tourguide 14 Tage durch das Land, besuchte unter anderem Städte wie Kabul, Herat und die Band-i-Amir-Seen. «Ich mag Abenteuer und möchte die Dinge mit meinen eigenen Augen sehen», sagt Mathieu, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte, am Telefon.

Er sei kein «tête brulée», kein Heisssporn, und habe sich vor der Reise genau informiert. In Afghanistan selber habe er traditionelle, lokale Kleidung getragen. Zum einen, um an den Checkpoints zeitraubende Kontrollen zu vermeiden. Zum anderen, um seinen Respekt gegenüber der afghanischen Kultur zu zeigen. «Ich hatte überhaupt keine Angst», sagt der Genfer. Er würde eine Reise aber nicht allen empfehlen, «es braucht schon Reiseerfahrung», sagt Mathieu, der auch schon im Iran, in Pakistan und Syrien war.
Tee trinken mit den Taliban
Der Genfer ist nicht der einzige Schweizer, der im vergangenen Jahr Afghanistan als Tourist besucht hat. Der Videoblogger Torsten Marx («Torsten Marx Adventures») aus Aarburg AG reiste im vergangenen Juli mit dem Töff durch Afghanistan und produzierte dazu das Video «Tee mit den Taliban». Auch Frauen machen sich auf den Weg. Auf der Facebook-Seite «Afghanistan Travel Experience» schreiben zwei Schweizerinnen von ihrer Reise.
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Die bekannteste Afghanistan-Touristin kommt aber aus Schottland. Die Reise-Influencerin Emma Witters («Raw adventures with real people») besuchte Afghanistan seit 2022 bereits viermal. Für diesen Frühling plant sie ihre nächste Reise.
Auf Youtube und Instagram teilt sie Videos mit Titeln wie «Granatapfel essen mit den Taliban» oder «Streetfood in Afghanistan». Die Filme zeigen sie im Kontakt mit Einheimischen. Ihr Haar bedeckt sie mit einem Kopftuch. Eine Gesichtsverschleierung oder Burka habe niemand von ihr verlangt. «Ich mache mir keine Sorgen um meine Sicherheit», sagt Witters.
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Das sagt sie, obwohl sie bei ihrer ersten Reise 2022 mehrmals von Taliban-Offiziellen festgehalten wurde. Diese hätten wohl nicht gewusst, was die Schottin mit ihrer Kamera im Land wollte, erzählt sie. Lokale Kontakte hätten ihr stets geholfen.
Ein anderes Mal wurde ein Hotel in Kabul angegriffen, in dem sie Wochen zuvor übernachtet hatte. «Tourismus in Afghanistan birgt Risiken und ist nicht für jeden geeignet», sagt Witters. «Aber ich vertraue meinen Instinkten.»
Warum reist Witters nach Afghanistan? Frühere Videos zeigen sie mit Soldaten in Bagdad oder bei einer Schiessübung in Pakistan. «Die Medien berichten sehr negativ über diese Länder. Ich will mir selbst ein Bild machen», sagt sie. Besonders beeindruckt habe sie die Freundlichkeit der Einheimischen, die sich über Touristen wie sie freuten.

«Absolute Sicherheit gibt es nirgends. Auch in Mexiko gibt es Gewalt und Mord, trotzdem reisen jedes Jahr unzählige Touristen dorthin», sagt der Unternehmer Khyber Khan. Allerdings verirren sich Mexiko-Reisende selten in Gebiete, die von Drogenkartellen kontrolliert werden.
«Die Sicherheitslage in Afghanistan hat sich in den letzten drei Jahren deutlich verbessert», betont Khan. Er arbeite mit Einheimischen zusammen, die die Sicherheit der Reisenden gewährleisten.

Doch Reisen nach Afghanistan werfen auch ethische Fragen auf. Das sagt der afghanischstämmige Zürcher Arzt Maiwand Ahmadsei. Er kämpft gegen das Bildungsverbot der Taliban für Mädchen. Mit der NGO Afghan Women Support (AWS) bietet er im Rahmen der «Afghan University of Medical Sciences» Onlinekurse für Medizinstudentinnen an. Kürzlich gelang es seinem Team, Praxisunterricht vor Ort zu organisieren.
«Es ist eine bittere Ironie, dass die Taliban jetzt für Sicherheit sorgen – dieselben Taliban, die das Land jahrzehntelang terrorisiert haben», sagte Ahmadsei. Für viele in der Diaspora sei es ein Herzenswunsch, ihre Heimat zu sehen. Doch man müsse wissen, dass die Taliban den Tourismus auch aus politischen Gründen fördern.
Die Taliban profitieren nicht nur finanziell von Visa- und Reisegebühren. Sie nutzen auch die Bilder der Reise-Influencer, um ein geschöntes Bild des Landes zu verbreiten. «Touristen müssen sich bewusst sein, dass sie instrumentalisiert werden», sagt Ahmadsei. Für ihn ist es bitter, zu sehen, dass die Taliban Frauen brutal unterdrücken, sich aber gegenüber Touristen freundlich geben.

Andererseits könnten die Taliban durch den Kontakt mit Reisenden einen anderen Blick auf den Westen gewinnen. Und natürlich profitierten auch lokale Hotels und Restaurants vom Tourismus, sagt Ahmadsei. «Ich will niemandem von einer Afghanistan-Reise abraten – aber empfehlen würde ich sie auch nicht», lautet das gemischte Fazit des Zürcher Arztes.
Auch Khyber Khan kennt die ethischen Diskussionen. Er betont, dass er keine Werbung für die Taliban mache. Ihm gehe es darum, eine Brücke zwischen Touristen und der afghanischen Bevölkerung zu schlagen. «Afghanistan», sagt er, «ist grösser als die Taliban oder jede andere Regierung.» Wer das verstehen wolle, müsse das Land selbst erleben.
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