Finanzierung der 13. AHV-RenteMitte-links wollte die Wundersteuer, doch der Bundesrat zerzaust die Idee
Eine neue Steuer auf Finanztransaktionen soll der öffentlichen Hand Milliarden einbringen, erhoffen sich Parlamentarier. Dass der Bund nichts davon hält, entmutigt sie nicht.
- Der Bundesrat lehnt umfassende Finanztransaktionssteuern aus Gründen der Standortattraktivität ab.
- Ein Ausbau der Emissionsabgabe könnte 200 Millionen Franken für die AHV einbringen.
- Auch eine Hypothekensteuer von 0,1 Prozent könnte hohe Einnahmen generieren.
- Ständerat Beat Rieder plant trotz Gegenwind einen Vorstoss zur Einführung der Steuer.
Die Vorstellung klingt gut: Immer, wenn jemand ein Wertpapier oder eine Währung kauft, soll das mit einem so minimalen Betrag besteuert werden, dass es die involvierten Akteure nicht schmerzt. Weil aber so viele Transaktionen stattfinden, läppert sich am langen Ende doch eine hohe Summe zusammen und hilft so, den Staatshaushalt zu finanzieren.
Klingt das zu gut, um wahr zu sein?
Zumindest der Bundesrat ist dieser Meinung. Er hat am Mittwochmorgen einen Bericht zu den Chancen und Gefahren von Finanztransaktionssteuern in der Schweiz verabschiedet. Es handelte sich dabei um die Erfüllung eines Auftrags, den der Walliser Mitte-Ständerat Beat Rieder vor zwei Jahren durchs Parlament gebracht hatte: Er wollte wissen, ob es mit einem solchen Instrument möglich ist, «die AHV mittel- und langfristig zu finanzieren». Die SP fordert eine solche Steuer schon seit Jahren. Auch aus der grünen Partei gab es Vorstösse dazu.
Die Debatte hat nach der Zustimmung der Bevölkerung zur 13. AHV-Rente im Frühjahr neuen Schwung erhalten. Die zusätzliche Rente kostet mittelfristig über vier Milliarden Franken jährlich. (Lesen Sie hier unsere damalige Berichterstattung zur Debatte über die angebliche Wundersteuer.)
Der Bundesrat hält die Einführung einer umfassenden Steuer unabhängig vom Verwendungszweck für unsinnig. Die Hauptgründe dafür sind folgende:
Standortattraktivität: Selbst wenn die Steuer pro Transaktion im Promillebereich liegt, spüren das die involvierten Parteien. Die Folge wäre, dass viele der betroffenen Akteure abwandern. Insbesondere in der Finanzbranche sind die Unternehmen sehr mobil. «Soweit dies der Fall ist, generiert eine solche Steuer nicht nur keinen Steuerertrag, sondern die Schweiz verliert überdies Wertschöpfung und damit Einnahmen aus anderen Steuern», steht dazu im Bericht. Dies gilt vor allem mit Blick auf den Hochfrequenzhandel, bei dem die Akteure täglich automatisiert Milliarden von sogenannten Trades abwickeln.
Ungewollte Einflüsse auf den Markt: Schon seit der grossen Depression der 1930er-Jahre gilt die Finanztransaktionssteuer vielen Linken als Mittel gegen Auswüchse des Marktes. Sie soll die Spekulation eindämmen und die Volatilität der Kurse senken, wovon man sich Stabilität erhofft. Die Forschung zeigt mittlerweile aber, dass die Massnahme eher zum Gegenteil führt.
Gerechtigkeit: Laut Verfassung sollen Steuern in Abhängigkeit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erhoben werden. Wer mehr besitzt, einnimmt oder konsumiert, wird höher besteuert. Eine Finanztransaktionssteuer belastet jedoch ungeachtet dieser Faktoren jene, die viel handeln.
Die Einführung einer umfassenden Finanztransaktionssteuer kommt für den Bundesrat also nicht infrage. Doch listet er mögliche Einzelmassnahmen auf, die nicht ganz so grosse Schäden nach sich ziehen würden. Und zeigt auf, wie viel der Bund damit einnehmen könnte.
Bereits heute kennt die Schweiz eine Emissionsabgabe, bei der Firmen auf Kapitalerhöhungen ein Prozent an den Bund abliefern müssen. Die Bevölkerung hat eine Abschaffung 2022 an der Urne abgelehnt. Würde die Politik einen Schritt in die entgegengesetzte Richtung beschliessen und die Abgabe auf zwei Prozent erhöhen, könnte der Bund jährlich 200 Millionen Franken einnehmen. Eine zusätzliche Emissionsabgabe auf Obligationen oder Geldmarktpapieren könnte ähnlich viel einbringen.
Eine Steuer von 0,1 Prozent pro Jahr Laufzeit auf Hypotheken könnte zu Einnahmen von über 700 Millionen Franken pro Jahr führen.
Allerdings lehnt der Bundesrat auch diese Massnahmen ab. Ein Ausbau der Emissionsabgabe senkt die Standortattraktivität der Schweiz und behindert die Entfaltung von Unternehmen. Eine Steuer auf Hypotheken erhöht die Kosten für Wohneigentum, was dem verfassungsmässigen Auftrag der Förderung dieses Anliegens widerspricht.
Varianten der Steuer existieren bereits, auch im Ausland
Neben der erwähnten Emissionsabgabe, die pro Jahr 250 Millionen Franken einspielt, kennt die Schweiz heute bereits eine Umsatzabgabe. Diese wird bei jedem Kauf und Verkauf von Wertpapieren über inländische Händler erhoben und bringt der Bundeskasse 1,3 Milliarden im Jahr ein. Die Schweiz zieht also bereits Varianten einer Finanztransaktionssteuer ein.
Gemessen an der Grösse der Volkswirtschaft nimmt sie damit so viel ein wie kein anderes Land. Unter anderem existieren in Spanien, Italien, Frankreich und im Vereinigten Königreich ähnliche Steuern. Auf überstaatlicher Ebene hat sich die Steuer jedoch nie durchsetzen können, obwohl nach der Finanz- und Staatsschuldenkrise nach 2008 sowohl auf Ebene der G-20 als auch der EU Anläufe unternommen wurden. Eine internationale Koordination wäre eine zwingende Voraussetzung für eine umfassende Besteuerung ohne Ausweichmanöver der Betroffenen.
Ständerat Rieder zeigt sich von der Einschätzung des Bundesrats unbeeindruckt. «Nach genauer Analyse und basierend auf diesem Bericht werde ich trotzdem einen Vorstoss einreichen», sagt er. «Die Vorteile der Mehreinnahmen überwiegen.»
Wenn Rieder damit im Parlament Erfolg haben sollte, würde es mehrere Jahre dauern, bis die Steuer eingeführt werden könnte. Die zusätzlichen Kosten in der AHV fallen aber bereits früher an, da die 13. Rente ab 2026 ausgezahlt wird. Der Bundesrat schlägt stattdessen eine Finanzierung der 13. Rente über zusätzliche Mehrwertsteuerprozente vor.
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