Liveticker zu Rede an Uni ZürichSelenski: «Ich will, dass wir so leben können wie in der Schweiz»
Aus einer geplanten Rede des ukrainischen Präsidenten an der Uni Zürich wurde wegen technischer Probleme eine Frage-Antwort-Rede. Wir berichteten live.

Das Wichtigste in Kürze:
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski erhielt vom Europainstitut eine Einladung für eine Rede an der Universität Zürich.
Wegen technischer Probleme bei der Live-Videoschaltung wurde der Anlass zu einer Frage-Antwort-Runde.
Selenski äusserte sich über den Krieg in seiner Heimat und die globale Sicherheitspolitik – aber auch über sein Verhältnis zur Schweiz.
In den letzten Wochen hat die ukrainische Armee Regionen zurückerobert und die russischen Besatzer in die Flucht geschlagen. Russland ordnete daraufhin eine Teilmobilmachung an.
Am Freitag will Putin die Annexion der vier russisch kontrollierten Regionen in der Ukraine formell vollziehen.
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Selenski verabschiedet sich mit einem Witz: er konnte wenigstens sein Englisch üben
Selenski verabschiedet sich mit einem Witz über die technischen Schwierigkeiten, er würde der Schweiz IT und Sound-Spezialisten schicken. Er beklage sich aber nicht, er hätte so eine Möglichkeit gehabt, sein Englisch zu üben.
«Ich will, dass wir so leben können wie in der Schweiz»
Selenski habe eine prägnante Erinnerung an die Schweiz: Wo genau er in der Schweiz war, wusste er aber nicht auf Anhieb, als er von Evian, einer französischen Gemeinde sprach: «Ich stand auf der Strasse, schaute auf den See und es war so eine schöne Aussicht. Ich realisierte, dass ich die Ukraine so sehr liebe, dass ich alles tun würde, um die nötigen Veränderungen herbeizuführen, damit wir wie die Schweiz leben können.»
«Die Russen haben ihre Kindheit gestohlen»
Die nächste Frage: Was werden Sie Ihren Kindern in ein paar Jahren, nach dem Krieg, erzählen?
Kinder seien keine Kinder mehr, sondern Erwachsene, erklärt Selenski. «Das was sie gesehen haben, macht sie zu Erwachsenen.» Alle Eltern in der Ukraine erleben das Gleiche: «Wenn dein Sohn, der ein Kind war, vor dir steht – durch den Krieg ist er jetzt ein Mann. Er spricht nicht mehr über Spielzeuge. Die einzige Frage, die er stellt, ist, wann Putin sterben wird.» Seine Tochter sei 18 Jahre alt und cleverer als er – «aber sagen sie das niemandem.» Die Russen hätten ihre Kindheit gestohlen. Aber er sei stolz auf die Kinder in der Ukraine.
«Wir wollen unsere Leute nicht verlieren»
Verändern die Referenden etwas? «Wir wollen unsere Leute nicht verlieren», antwortet Selenski.
Machen Sie die russische Regierung verantwortlich oder auch die russische Bevölkerung?
Selenski findet, das sei eine schwierige Frage, man könne nicht nur der Regierung die Schuld zuschieben, auch wenn das Kriminelle seien. «Sie wurden von den Russen gewählt. Die Russen hätten auf die Strasse gehen sollen um zu protestieren, aber sie tun es nicht. Sie haben Angst. Wir sind aber alle von den Sowjetstaaten.»
Die Verbindung bricht wieder ab. Jetzt spricht Selenski halt direkt Englisch, ohne Übersetzer.
Er fährt fort und erklärt, warum ihn die russische Bevölkerung enttäuscht: «Sie hören die Atom-Drohungen ihres Präsidenten und gehen nicht auf die Strasse.»
Wie kann die Ukraine neben Russland weiterleben?
Selenski meint, diese Frage solle besser Russland gestellt werden. Russland werde damit leben müssen, was es der Ukraine angetan hat: «Wir haben eine ganze Generation verloren. Eine ganze Generation hat Angehörige verloren.»
Russland werde mit den Schuldgefühlen leben müssen: «Wegen all den Verlusten und Opfern haben wir Ukrainer jetzt Hass entwickelt». Russland habe sich von der zivilisierten Welt abgeschottet und viele Brücken hinter sich abgebrochen.
Selenski bedankt sich bei den Studierenden für die Unterstützung von Frauen und Kindern und klatscht für sie.
Mario Fehr stellt eine Frage
Ein Mitglied des Zürcher Regierungsrats, Mario Fehr stellt Selenski eine Frage:
«Woher kommt Ihr Lächeln, Ihr Optimismus in solch schwierigen Zeiten?«
Selenski meint, er sei immer inspiriert von den Menschen, die ihn umgeben. Manche wehren die Geschosse Russlands mit ihren nackten Händen ab. Ausserdem motiviere ihn, dass Europa vereint auftritt.
Der Saal klatscht begeistert.
Wo verbingen Sie Ihre ersten Ferien, wenn der Krieg fertig ist?
«Ich werde nach Hause gehen», sagt der Präsident und der ganze Saal lacht.

Digitale Hochzeit
Er spricht über Digitalisierung und darüber, wie schnell sich die Ukraine an die moderne Welt anpasst und welche Prozesse im ukrainischen Staat schon elektronisch funktionieren – «bei uns kann man sogar online heiraten».
Die Ukraine und die EU
«Wir gehören in die EU». Selenski hat keine Zweifel, dass die Ukraine in ein paar Jahren Mitglied der EU sein wird. Sie könne Wichtiges beitragen.
Wie kommuniziert die Ukraine mit China?
«Wenn ich ehrlich sein darf, ich würde China schon gerne auf der Richtigen Seite der Geschichte stehen sehen», sagt Selenski. China habe momentan eine Position als Zuschauerin inne. Damit sei Selenski nicht unzufrieden aber er würde sich schon Unterstützung wünschen.
Was kann eine Schweizerin tun, um zu helfen?
Die Ukraine müsse befähigt werden, den Menschen in Europa zu zeigen, was in der Ukraine wirklich abgeht: «Wir dürfen nicht riskieren, dass die Solidarität schwindet.»
Selenski betont auch, dass man mit Spenden die Ukraine unterstützen kann. Das Geld geht an humanitäre Hilfe, zum Beispiel an Gesundheitskosten.
Männer dürfen das Land nicht verlassen – auch Studenten nicht
Selenski bezieht Stellung zu den vielen Fragen betreffend ukrainischen Studentinnen und Studenten, die im Forum gestellt wurden: «Ukrainische Studenten und Studentinnen können sich frei bewegen und im Ausland studieren. Aber Männer zwischen 18 und 60 dürfen das Land nicht verlassen. Die Ukraine ist im Krieg. Wir verteidigen alle zusammen unsere Nation. Wir machen das für unsere Kinder.»
Konsequenzen für Atomwaffen müssen klar sein
Selenski findet, es gebe keine Antwort darauf, ob Russland die Nuklearwaffen einsetzen wird. Es komme darauf an, wie sehr die westliche Welt zusammenhält und Russland klar sagen kann, was die spezifischen Konsequenzen wären, wenn Russland Atomwaffen anwendet.
Es gehe darum, präventive Massnahmen zu ergreifen.
Die Wunschliste
Was wären Ihre drei Wünsche an die Schweiz?
«Die Schweiz ist keine Fee, die einfach Wünsche erfüllen kann. Aber ich würde mich sehr freuen, würde die Schweiz uns helfen, die rusisschen Vermögen zu blockieren. Wir als Ukraine sind berechtigt, für den Angriff kompensiert zu werden.»

Weiter kritisiert er die Schweizer Neutralität: «Die Schweiz ist historisch gesehen neutral. Aber wenn es um gut oder böse geht wie jetzt, dann ist es Zeit für eine Änderung»
Erneuter Unterbruch
Selenski schlägt vor, mit den Fragen zu beginnen wegen der technischen Schwierigkeiten. Er witzelt, er habe schon eine tolle Rede vorbereitet aber wenn die Übersetzung ausfällt wäre es einfacher, einfach ein Buch zu schreiben. Der Saal lacht. «Es ist schön, dass ich Euch in diesen schwierigen Zeiten zum lachen bringen kann», sagt der Präsident.
«Kämpfst du oder flüchtest du? Das ist die wichtige Frage hier»
Nachdem geklärt wurde, ob er eine simultane Übersetzung erhält, beginnt der Vortrag.
«Kämpfst du oder flüchtest du? Das ist die wichtige Frage hier», so beginnt Selenski seine Rede.
Kein Ton sondern Glocke
Selenski erscheint auf dem Bildschirm. Jedoch hört man anstatt seiner Stimme die Glocke der Universität Zürich. Der Präsident trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift «Ich bin Ukrainer».
Selenski reagiert entspannt auf die technischen Schwierigkeiten. Die Stimmung ist ausgelassen, alle im Saal lachen.
Standing Ovation
Selenski wird von einer Standing Ovation begrüsst, als er auf dem Screen erscheint.

«Das ist ein grosser Event heute»
Selenski wird angekündet: «Das ist ein grosser Event heute, das ist ein historischer Moment.»
Um Punkt fünf Uhr wird Selenski auftreten. Am Ende seines Vortrags wird es eine Fragerunde geben.
Dreissig Fragen an den Präsidenten sind jetzt schon auf dem Portal, die meisten betreffen das Thema von ukrainischen Studentinnen und Studenten und deren Möglichkeit im Ausland zu studieren.
Der Botschafter der Ukraine adressiert kurz den Saal. Er wird von vielen anwesenden Studentinnen und Studenten auf ukrainisch begrüsst.
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