Nikon, Sony und Leica im TestWo die Kamera Zukunft hat
Smartphones haben die Kamera überflüssig gemacht – zumindest fast. In manchen Bereichen floriert der Kameramarkt.
Billige Kompaktkameras gibt es praktisch keine mehr. Auch Spiegelreflexkameras haben ausgedient. Smartphones haben im Kameramarkt einen gigantischen Flurschaden hinterlassen. Aber kein Wunder: Für fast alles reicht heute das Handy. Wozu dann noch ein zusätzliches Gerät kaufen – und mit sich rumtragen?
So schlecht das Aufkommen der Smartphones für die trägen Kamerahersteller war, so gut ist es für uns Kunden. Wer heute als Hersteller noch Kameras verkaufen will, muss sich richtig Mühe geben. Unsere drei Beispiele zeigen, wo die Hersteller das tun und in welchen Nischen traditionelle Kameras tatsächlich noch eine Zukunft haben:
Profitechnik für ambitionierte Amateure
Obwohl ich gern mit «richtigen» Kameras fotografiere, ertappe ich mich immer öfter dabei, dass das Smartphone meine Bedürfnisse im Alltag hervorragend bedient: Das habe ich immer dabei und es sorgt mit allerlei Algorithmen für hervorragende Bilder selbst bei schwierigen Bedingungen: Ein weiss ausgebrannter Himmel bei hellem Sonnenschein? Passiert beim iPhone dank den ausgeklügelten HDR-Funktionen nie!
Die vor Monatsfrist lancierte Z8 von Nikon hat indes alles, um die alte Leidenschaft an der «richtigen» Fotografie neu zu entfachen. Als kleinere «Schwester» des Topmodells Z9 war sie mit den Alltagsaufgaben, mit denen ich sie behelligt habe, komplett unterfordert: Mit dem lichtstarken Vollformatsensor mit 45,7 Megapixeln, dem schnellen Autofokus und Bildraten zwischen 20 und 120 Fotos pro Sekunde lädt sie dazu ein, sich in schwieriges Terrain vorzuwagen: journalistische Reportagen bei schwierigen bis unmöglichen Lichtverhältnissen, Sport- und Tierfotografie etwa. Oder in den Videobereich: Nikon nennt die Z9 eine Hybridkamera, was bedeutet, dass sie genauso für professionelles Filmen geeignet ist. Die Kamera filmt nicht nur in 4k-, sondern auch in 8k-Auflösung und mit Profivideoformaten (N-Raw und Pro Res RAW), die sich auch für Kinoproduktionen eignen. Als alter Nikon-Hase komme ich mit der Bedienung sofort zurecht.
Ich schätze das ausklappbare Display, das sich nach oben und unten schwenken, aber nicht für Selfies ausklappen lässt – dieses Manko lässt sich aber kompensieren, indem sich die Kamera auch via Smartphone über die Snapbridge-App fernsteuern lässt. Ein Kritikpunkt in diesem Zusammenhang: Die Nikon-Kameras sind bei meinen Tests notorische Bluetooth-Verweigerer, aber die Verbindung per WLAN klappt – muss aber jeweils manuell eingerichtet werden. Ein weiterer Kritikpunkt: Im Vergleich zu meiner klassischen Spiegelreflex habe ich mich noch nicht an die deutlich kürzere Akkulaufzeit gewöhnt. Trotzdem: Diese Kamera reizt zu fotografischen Grenzerfahrungen – auch wenn für mein Können die noch etwas kompaktere und leichtere Z6 ausreichend wäre. Auch was den Preis angeht: Die Z8 kostet offiziell 4599 Franken. (schü.)
Vlog-Kamera im Jasskartenformat
2020 hat Sony mit der ZV1 eine Goldader gefunden. Da normale Kompaktfotokameras kaum noch besser werden, hat Sony die beliebte RX100 zu einer Videokamera umgebaut und umbenannt. Das Z steht für die Generation Z und das V für Vlog. Die Kamera ist dem Vernehmen nach so gut angekommen, dass Sony daraus eine ganze Produktfamilie entwickelt hat. Mit der ZV E1 gibt es sogar eine voll auf Video ausgelegte und selbst für Profis spannende Vollformatkamera.
Das neuste Modell ist aber die ZV1 II (990 Franken): eine Kompaktkamera mit fest verbautem Objektiv, die kaum grösser ist als ein Stapel Jasskarten oder eine Zigarettenschachtel. Anders als das Vorgängermodell, das eine etwas lieblos umfunktionierte Fotokamera war, ist die ZV1 II nun rundum für Video-Fans optimiert. Das Zoom-Objektiv ist weitwinkliger (praktisch, wenn man die Kamera in der Hand hält und sich selber filmt), dank USB-C kann man die ZV1 II auch als Computer-Webcam nutzen, und das ganze Menü ist deutlich Touchscreen-freundlicher.
Im Alltag gefallen vor allem das Miniformat und die einfache Bedienung. Selbst Leute, die nicht wissen, welche Verschlusszeit bei welcher Bildwiederholrate nötig ist, bekommen damit sehr gute Videos hin. Der von Sony bekannte Augenautofokus sorgt dafür, dass sich die filmende Person nicht darum kümmern muss, ob sie richtig im Bild ist. Die Kamera regelt das.
Wer mit der Selfiekamera des eigenen Handys nicht mehr zufrieden ist und auf der Suche nach einer einfachen, aber doch qualitativ hochstehenden Kamera ist, wird an der ZV1 II viel Freude haben. Und ja, man kann damit natürlich auch fotografieren. Einen Sucher hat sie jedoch nicht. (zei)
Luxus und Genuss für Anspruchsvolle
Wenn man sich am oberen Ende der Preisskala umschaut, findet man neben gigantischen Profikameras, die man nun wirklich nicht mit in den Urlaub oder auf einen Spaziergang nehmen möchte, nur einen Hersteller: Leica. Der deutsche Kamerapionier, der unter anderem die erste Kompaktkamera erfunden hat, hat im Premium- und im Luxus-Sektor keine Konkurrenz zu fürchten.
Für Leute, die entweder zeigen wollen, wie viel Geld sie haben, oder einfach nur sehr viel Freude an Design und Fotografie haben, führt kein Weg an Leica vorbei. Während Leicas ikonische M-Kameras gleichermassen für Bildqualität und schwierige Bedienung bekannt sind, ist die Q viel zugänglicher. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine Kompaktkamera. Das festverbaute 28-mm-Objektiv bietet in etwa dieselbe Brennweite wie die 1x-Kamera eines Smartphones. Kombiniert mit der sehr hohen Auflösung des Fotosensors kann man aber digital zoomen.
Das neuste Modell ist die Q3 (6200 Franken). Sie bietet neben einem 60-Megapixel-Sensor die gewohnt einfache und elegante Bedienung. Da die Q anders als die M einen Autofokus hat, kann man auch als Anfängerin oder Anfänger sofort umwerfende Fotos schiessen.
Neu kann man bei der Q3 den Bildschirm auch nach oben oder unten klappen. Leider allerdings nicht zur Seite, sodass man sich damit auch selber filmen oder fotografieren könnte. Bei der Vlog-Fraktion fällt die Q3 deshalb durch.
Auch wenn es bei anderen Herstellern für deutlich weniger Geld vergleichbare Technik gibt, wird auch die Q3 mit ihrer einzigartigen Kombination aus Einfachheit, Eleganz und Bildqualität ihr Publikum finden. Dass es für die Kamera Wartelisten gibt, sagt eigentlich schon alles. (zei)
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