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Sicherheitslücke bei Onlineprüfung
Angehende Wirtschafts­prüfer schummelten bei Abschluss­test – und sind jetzt ihre Jobs los

Revisionsarbeiten in einer Firma in Zuerich am 31. Januar 2017.
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In Kürze:
  • Mehrere Prüflinge der Wirtschaftsprüfer-Ausbildung haben Prüfungsergebnisse manipuliert.
  • Sie wurden deshalb für drei Jahre von der Abschlussprüfung ausgeschlossen.
  • Ihre Arbeitgeber entliessen sie wegen verlorenen Vertrauens.
  • Die Prüffirmen fürchten um ihren Ruf.

Für Finanzfachleute ist es ein grosser Karriereschritt. Zuerst Wirtschaft studieren, bei einer grossen Beratungsfirma wie PWC, KPMG, EY oder Deloitte anheuern, berufsbegleitend die Ausbildung zum Wirtschaftsprüfer absolvieren, und dann stehen einem alle Tore offen. Bis zur Chefetage einer grossen Firma.

Jedes Jahr gehen rund 400 junge Finanzexpertinnen und -experten an die Prüfung zum Wirtschaftsprüfer. Es sind karrierebewusste Menschen, die viel auf sich nehmen, um neben dem Job eine anspruchsvolle Ausbildung zu absolvieren. Sie sollen künftig die Finanzzahlen der Firmen genaustens überprüfen und vielleicht auch dem einen oder anderen Bilanzschwindler auf die Schliche kommen.

Mehrere Personen haben Prüfung manipuliert

Ein erstaunlicher Vorgang sorgt daher bei den Wirtschaftsprüfern für Wirbel: Mehrere Personen haben Teile der Zwischenprüfung, des sogenannten Branchenabschlusses, manipuliert. Das bestätigt der Verband Expertsuisse, der sie verantwortet. Dem Vernehmen nach geht es um eine kleine zweistellige Zahl Prüflinge. Sie wurden nun für drei Jahre für die Abschlussprüfung gesperrt. Und weil sie durch die Manipulation das Vertrauen ihrer Arbeitgeber verspielt haben, verlieren sie ihre Jobs.

Der Finanzblog «Inside Paradeplatz» hat zuerst über den Vorfall berichtet. Laut dem Portal wehrt sich mindestens eine von der Prüfung ausgeschlossene Person gegen den Entscheid von Expertsuisse. Es ist kein Einzelfall. Diese Redaktion weiss, dass weitere Personen den Entscheid anfechten. Weitere könnten dazukommen, die Rekursfrist läuft noch einige Tage.

Auf Anfrage äussert sich der Verband nicht zum Vorfall. Er verweist auf ein Schreiben, das an seine Mitglieder ging. «Im Rahmen der forensischen Analyse haben die beigezogenen Spezialisten festgestellt, dass sich mehrere Studierende mittels gezielter Manipulation der Prüfungssoftware in unerlaubter Weise Zugang zum Prüfungssystem verschafft haben.»

Sicherheitslücke machte Antworten einsehbar

Einigen Teilnehmenden der Prüfung scheint es gelungen zu sein, sich die Antworten der Aufgaben anzeigen zu lassen, so hatten sie später einen Vorteil. Umstritten ist, wie einfach oder schwierig dieser Trick war. Laut Expertsuisse hätten die Ausgeschlossenen dafür eine IT-Sicherheitslücke ausgenutzt. Bei «Inside Paradeplatz» heisst es hingegen, dass die Studierenden einfach einen öffentlich einsehbaren Link aufgerufen hätten. Schon hätten sie die Antworten gesehen.

Laut Kennern des Prüfungssystems war es nicht so einfach. Sie erklären den Vorgang so: Die Studierenden können für die einzelnen Prüfungen zwei Versuche absolvieren. Nach dem ersten sehen sie, wie viele Punkte sie erzielt haben. Glauben sie, dass ein besseres Ergebnis drin liegt, können sie einen zweiten Versuch starten. Dann zählt der Durchschnitt aus der Punktzahl aus dem ersten und dem zweiten Versuch.

Damit die angehenden Wirtschaftsprüferinnen und -prüfer keinen Vorteil beim zweiten Versuch haben, sehen sie nach dem ersten Durchgang keine Lösungen, sondern eben nur die eigene Punktzahl.

Nun soll es aber einigen gelungen sein, den Code der Onlineplattform so zu manipulieren, dass sie die Lösungen sahen. Dadurch hatten sie einen Vorteil beim zweiten Durchgang und konnten ein besseres Ergebnis erzielen.

Besonders hohe Ansprüche an Integrität

Dass das nicht sauber sein konnte, scheint auch einigen Prüflingen klar gewesen zu sein, die ebenfalls von der Schwachstelle wussten. Sie haben sich an den Verband gewandt und auf die Lücke hingewiesen. Auch sie seien bestraft worden, aber deutlich weniger scharf als diejenigen, die die Prüfungen manipuliert hätten, heisst es aus dem Umfeld des Verbands. Sie können die Ausbildung in der normalen Zeit absolvieren.

Den Ausschluss der anderen Personen begründet der Verband Expertsuisse in seinem Schreiben damit, dass für Wirtschaftsprüferinnen und -prüfer besonders hohe Standards gelten. Es sei gar nicht entscheidend, ob die Masche einfach oder kompliziert sei, es gehe darum, dass die Personen es überhaupt probiert hätten. Dort heisst es: «Die Reputation und Glaubwürdigkeit der Wirtschaftsprüfung ist zentraler Pfeiler des Wirtschaftssystems.» Für Wirtschaftsprüfer und angehende Wirtschaftsprüfer würden besonders hohe Ansprüche an Integrität und ethisch korrektes Handeln gelten. «Als Verband der Wirtschaftsprüfung pflegen wir eine Null-Toleranz-Politik», heisst es in dem Dokument.

Die Branche fürchtet um ihr Vertrauen. Nach jedem Wirtschaftsskandal wird auch die Frage nach dem Versagen der Buchprüfer aufgeworfen. Sei es beim Untergang des Signa-Imperiums von René Benko, beim Wirecard-Skandal oder beim Ende der Credit Suisse.

KPMG und PWC ziehen Konsequenzen

Daher wollen die Arbeitgeber der betroffenen Personen jeden Zweifel an ihrer Vertrauenswürdigkeit gleich aus der Welt schaffen. Deshalb haben sie die Leute rasch vor die Tür gestellt. Eine Sprecherin des Wirtschaftsprüfers KPMG sagt: «Als Wirtschaftsprüfer stellen wir besonders hohe Ansprüche an uns selbst bezüglich Integrität und haben Verstösse von Mitarbeitenden in dieser Angelegenheit entsprechend sanktioniert.» Auch PWC hat bereits «angemessene Massnahmen» ergriffen. EY kommentiert «einzelne personelle Entscheidungen» nicht. Bei Deloitte soll es hingegen keine Fälle gegeben haben.

Dass die Personen nur aus wenigen Betrieben kommen, lässt den Schluss zu, dass sie sich gekannt haben und untereinander einen Hinweis auf die Schwachstelle der Prüfung gegeben haben.

Für die Betroffenen hat die Sache schwerwiegende Folgen: Sollten sie mit ihrem Rekurs unterliegen, bleiben sie auf drei Jahre gesperrt. Ihren Job sind sie ohnehin los. Die Karriere hat damit einen Knick, bevor sie richtig angefangen hat.