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Untergang der einstigen Grossbank
Knatsch um Credit-Suisse-Übernahme: War der Gutachter befangen?

Axel Lehmann, Chairman Credit Suisse, Colm Kelleher, Chairman UBS, Swiss Finance Minister Karin Keller-Sutter, Swiss Federal President Alain Berset, Thomas J. Jordan, Chairman Swiss National Bank, Marlene Amstad, President FINMA, and Andre Simonazzi, chief communication Swiss government, from left, attend a press conference, on Sunday, 19 March 2023 in Bern. Switzerland's largest bank UBS agreed to take over Credit Suisse for 3 billion Swiss francs ($3.25 billion) in a government-brokered deal over the weekend following days of market upheaval over the health of the banking sector. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
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Anderthalb Jahre nach der Zwangsfusion gibt die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS noch viel Juristenfutter her. Weltweit gibt es Klagen, weil Anleihen im Wert von 16 Milliarden für wertlos erklärt wurden.

In der Schweiz gibt es Klagen von ehemaligen Aktionären der Credit Suisse, die sich über den geringen Preis beschweren, den die UBS für die zweitgrösste Schweizer Bank zahlte.

An einem Wochenende nochmals mehr als die Hälfte verloren

Am 19. März 2023 gaben Bundesrat, Nationalbank, Finanzmarktaufsicht und die beiden Bankspitzen bekannt, dass die UBS nach einem dramatischen Verhandlungsmarathon die Credit Suisse für drei Milliarden Franken übernehme. Das bedeutete für die Aktionäre der untergehenden Bank, dass sie für 22,48 Credit-Suisse-Aktien eine UBS-Aktie erhielten.

Das Umtauschverhältnis entsprach einem Kurs von 76 Rappen pro Credit-Suisse-Aktie. Dies, nachdem die beiden Aktien jahrelang ungefähr gleich viel Wert gewesen waren. Am Freitag vor der Fusion lag der Preis einer Credit-Suisse-Aktie immerhin noch bei 1.86 Franken. Die Anleger verloren also mehr als die Hälfte ihres Geldes.

Klar, dass sich das nicht alle gefallen lassen. So zogen sie denn auch in Heerscharen vor Gericht. 39 von ihnen reichten eine Überprüfungsklage beim Zürcher Handelsgericht ein. Acht Klagen wurden über die drei Organisationen Contract Vault, Legal Pass und Schweizerischer Anlegerschutzverein eingebracht. Sie vertreten zusammen angeblich mehr als 10’000 Aktionäre.

Sie sollen froh sein, dass etwas übrig blieb

Vor einem halben Jahr wurde die Antwort der UBS auf die Klagen öffentlich. Wenig überraschend fanden die Juristen und Gutachter der Bank, dass das Umtauschverhältnis durchaus gerecht gewesen sei. Die Credit-Suisse-Aktionäre könnten sogar froh sein, dass sie überhaupt etwas bekommen hätten, denn ohne die Übernahme wäre die Bank unweigerlich in den Konkurs geschlittert.

Als Beleg für diese These sollte ein Gutachten von Thomas Vettiger dienen, einem Lehrbeauftragten der Universität Zürich. Er lieferte ein 71 Seiten langes Gutachten zum Unternehmenswert der Credit Suisse am 19. März 2023 ab. Es ist eine Abhandlung von theoretischen Ausführungen zu Bewertungsmethoden für Unternehmen. Zudem stellt Vettiger historische Vergleiche mit Bankkonkursen im In- und Ausland an. Und er behauptet, dass in solchen Fällen die Aktionäre kaum mehr etwas bekommen hätten. Auf die Zahlen der Credit-Suisse-Bilanz ging Vettiger kaum ein.

Das so gezeichnete Bild kontrastiert mit dem offiziellen Bild, das von der Credit Suisse kurz vor der Übernahme gezeichnet wurde. Noch am 14. März 2023, fünf Tage vor Bekanntgabe der Übernahme, veröffentlichte die Credit Suisse einen Geschäftsbericht, der der Bank beschied, dass sie über 45 Milliarden Franken Eigenkapital verfügte. Demnach lag der Substanzwert ihrer Aktien Ende März bei 13.10 Franken.

Am 15. März 2023 bestätigten die Nationalbank und die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht, dass die Credit Suisse alle Anforderungen an Kapital und Liquidität erfülle. Am darauf folgenden Wochenende wurde bekannt, dass die Finma sogenannte AT1-Anleihen in der Höhe von 16 Milliarden Franken für ungültig erklärte, was das Eigenkapital der Bank um 16 auf 61 Milliarden Franken erhöhte.

Demgegenüber nimmt sich der Kaufpreis von 3 Milliarden Franken mickrig aus, denn das sind nur 5 Prozent des Buchwerts. Die Anleger glaubten den offiziellen Zahlen allerdings schon lange nicht mehr. Sie bewerteten die Credit Suisse weit unter dem Buchwert. Aber selbst am Freitag vor der Übernahme gab die Börse der Bank einen Wert von 7,3 Milliarden Franken.

Wie viel die Credit Suisse für die UBS wert war, zeigte sich im Halbjahresbericht 2023. Damals machte die UBS dank der Credit-Suisse-Übernahme einen Buchgewinn von fast 30 Milliarden Franken. Als sich vor Jahresfrist zeigte, dass in der Credit Suisse keine zusätzlichen Risiken schlummerten und die Bundesgarantie zurückgegeben wurde, stieg der Aktienkurs der UBS entsprechend.

Ist der Gutachter wirklich unabhängig?

Wegen der vielen unterschiedlichen Zahlen zum Unternehmenswert fordern nun die Kläger eine unabhängige Bewertung der Credit Suisse. «Thomas Vettiger kann das nicht sein, weil er nicht unabhängig ist», sagt Andreas Rüd, der mehrere Kläger vertritt.

Dr. Thomas Vettiger
Managing Partner, Co-Founder IFBC

Vettigers auf Unternehmensfinanzierung, Fusionen und Übernahmen spezialisiertes Zürcher Beratungsunternehmen IFBC bezeichnet sich zwar als unabhängig. In seinem Gutachten legt Vettiger aber offen, dass er gleich nach Abschluss seiner Doktorarbeit die IFBC AG gründete. Gemäss seiner Website kam der erste grosse Auftrag 1998 von der UBS, die damals mit dem Bankverein fusionierte. Die IFBC war seither immer wieder für die UBS tätig, so etwa 2016 bei der «Entwicklung und Implementierung prozessspezifischer Modelle zur Bestimmung der Verschuldungskapazität im Firmenkundengeschäft» und bei der «strategischen Kundenanalyse». Auch führte sie im laufenden Jahr für die UBS Schulungen der Firmenkundenberater zur Kreditbeurteilung durch.

Vettiger ist nicht nur Chef der IFBC, sondern auch Präsident der Investis Holding. Die Immobilienfirma, die mehrheitlich dem Genfer Milliardär Stéphane Bonvin gehört, ist börsenkotiert und besitzt am Genfersee mehr als 3000 Wohnungen. Mit im Verwaltungsrat ist Christian Gellerstad, langjähriger Verwaltungsrat der Credit Suisse.

Diesen Sommer nahm die Investis eine Anleihe von 100 Millionen Franken auf, Leadmanager war die UBS Investment Bank. Seit Mai dieses Jahres ist die UBS über ihre Fonds mit über 3 Prozent an Investis beteiligt. Auf die Frage, ob Vettiger nicht zu sehr befangen sei, wollte die UBS mit Hinweis auf das laufende Verfahren keine Antwort geben.

Einsicht in die Bücher

Ob die Aktionäre mit ihrer Klage durchkommen, ist ungewiss. Der Beweis, wie viel die Credit Suisse bei der Übernahme wirklich wert war, ist für beide Seiten schwer zu erbringen. Die Bank ist ja nicht in den Konkurs gegangen.

Wenn sich die Kläger mit der Forderung nach einem neutralen Gutachten von einer grossen Prüfgesellschaft wie Deloitte oder KPMG durchsetzen, die nicht mit der UBS verbandelt sind, dann muss die UBS die Bücher öffnen. Sie müsste dann viel mehr Informationen darüber geben, wie sich der Zustand der Credit Suisse zum Übernahmezeitpunkt wirklich darstellte.

Das hätte auch Folgen für die laufenden Prozesse der geschädigten Inhaber der AT1-Anleihen, die von der Bank oder der Eidgenossenschaft 16 Milliarden Franken fordern.