DPD-Chef im Interview «Die Schweiz hat die höchste Retourenquote Europas»
Die Kritik am Black Friday ist laut – und kommt jetzt auch von unerwarteter Seite: Tilmann Schultze, Schweiz-Chef des Paketlieferdienstes DPD, findet die Entwicklung nicht nachhaltig.

Herr Schultze, diese Woche ist Black Friday. Vermutlich freuen Sie sich darauf?
Selbstverständlich. Am Black Friday können unsere Kunden mehr Produkte verkaufen – das macht sie glücklich. Und je glücklicher unsere Kunden sind, desto glücklicher bin ich.
Das wird für Sie als DPD-Chef wie Weihnachten – der schönste Tag des Jahres.
Dieser Tag bedeutet, dass wir riesige Berge an Paketen transportieren dürfen, und tatsächlich zählen wir den Black Friday und alle anderen Rabatttage zusammen mit den Vorweihnachtstagen zur «Peak Period», der umsatzstärksten Zeit des Jahres. Durchschnittlich transportieren wir dann jeweils 50 Prozent mehr Pakete als an Tagen ausserhalb dieser «Peak Period». Dieses Jahr rechnen wir am Black Friday schweizweit mit 180’000 Paketen.
Wie bewältigen Sie das?
Für Black Friday und Cyber Monday planen wir rund 7 Prozent mehr Personal ein, wobei wir auf Temporärangestellte zurückgreifen werden. Die Mitarbeitenden dürfen im November und Dezember, wo es sehr hektisch ist, keine Ferien beziehen. Sie können diese Überzeiten dann jeweils im Januar und Februar kompensieren. Hinzu kommt: Gearbeitet wird auch am Wochenende, und wir vom Management packen ebenfalls mit an.
Sie arbeiten ebenfalls an der Front? Als Kurier?
Nicht als Kurier, denn ich könnte nicht garantieren, dass alle Pakete tatsächlich ankommen. Im Gegensatz zu unseren professionellen Kurieren kenne ich mich bei der Tour-Planung zu wenig gut aus. Zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen vom Management arbeite ich hingegen im Depot mit beim Umladen der Pakete.
«Als Bürger frage ich mich, wie nachhaltig solche Rabatttage wie Black Friday und Cyber Monday tatsächlich sind.»
Ist der Job im Depot härter als derjenige an der Kundenfront?
Letztes Jahr habe ich eine ganze Ladung Manor-Pakete sortiert. Ich kann Ihnen sagen: Am nächsten Tag hatte ich heftigen Muskelkater.
Wie hoch ist der Stundenlohn eines Kuriers?
All unsere Kuriere bekommen im Minimum die Mindestlöhne, welche im Gesamtarbeitsvertrag definiert wurden. Der effektive Stundenlohn ist dabei von mehreren Faktoren abhängig, wie der Region oder des Alters. In Genf liegt dieser bei etwas über 24 Franken.
Wenn man Ihnen zuhört, erhält man den Eindruck, der Black Friday sei auch eine Last für Sie und DPD?
Stimmt, ich habe verschiedene Herzen in meiner Brust: Als CEO freue ich mich für unsere Kunden, und als Onlineshopper freue ich mich über tiefere Preise. Als Bürger frage ich mich, wie nachhaltig solche Rabatttage wie Black Friday und Cyber Monday tatsächlich sind.
Sie stören sich aus Nachhaltigkeitsgründen an der Rabattschlacht?
Der enorme Ansturm während der Rabatttage ist für verschiedene Akteure ein Problem: Unsere Kapazitäten werden enorm strapaziert, aber auch die Lieferketten. Zudem werden Pakete oft zurückgeschickt, heisst: Die Menschen kaufen mehr, als sie tatsächlich brauchen. Die Schweiz hat die höchste Retourenquote Europas, wie unser DPD-Barometer zeigt. Es ist aus Umweltschutzgründen nicht sinnvoll, dass Pakete mehrmals hin- und zurückgefahren werden. Auch wenn wir in den Städten in elektrische Fahrzeuge investiert haben: Diese Rabatttage sind teilweise wenig nachhaltig.
Sie sagen also, der Black Friday gehört abgeschafft?
Nein, das sage ich nicht. Ich sehe das differenziert, aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Ich bin CEO eines Paketdienstleisters und trage damit die Verantwortung für über 1000 Mitarbeitende. Als Bürger dieses Landes müssen wir uns jedoch angesichts des immer deutlicher werdenden Klimawandels fragen, ob diese Paketflut sinnvoll ist. Massnahmen, die hier entgegenwirken, sind nötig. Hilfreich ist etwa, dass einige Onlinehändler nun kostenpflichtige Retouren eingeführt haben.
«Wir sehen und erwarten auch für 2023 keinen Rückgang, im Gegenteil.»
Nun ist die Stimmung der Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten so schlecht wie noch nie. Das zeigt die jüngste Umfrage des Staatssekretariats für Wirtschaft Seco. Spüren Sie das?
Unser Paketvolumen am Black Friday ist seit einigen Jahren ungefähr gleich. Wir sehen, dass die erste Hälfte des Jahres sehr ruhig war – die Umsätze waren geringer, doch man muss sehen, dass wir im Vorjahreshalbjahr in einem Teilweise-Lockdown waren. Ab Mai und Juni hat es angezogen. Damals waren die Volumen von DPD Schweiz höher als in den Vergleichsmonaten im Vorjahr.
Sie haben keine Hinweise auf getrübte Konsumentenstimmung?
Nein, im Gegenteil: Das Weihnachtsgeschäft wird gut ausfallen.
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