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«Wir verkaufen Dinge, die keiner braucht, aber jeder will»

Mytheresa wagt sich auf einen Markt, der von Mr Porter, Farfetch und Machtesfashion schon gut bedient wird. Foto: Hannes Magerstaedt (Getty Images) ImageCaption. Foto: Fotograf
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Mytheresa gehört mit 377 Millionen Euro Umsatz und 700 Mitarbeitern zu den grössten Onlinehändlern für Luxusmode. Bisher hat man ausschliesslich Frauen beliefert, jetzt können auf der Website auch Männer shoppen. Firmenchef Michael Kliger hat grosse Pläne.

Herr Kliger, wenn Sie 5000 Euro bei Mytheresa Men ausgeben würden: Was läge am Ende in Ihrem Warenkorb?

Ich komme ja eher aus der klassischen Schiene. Für den Winter würde mir eines der Strickteile oder auch ein Mantel von Brunello Cucinelli gefallen. Dazu ein Paar italienische Schuhe von Santoni. Dann war ich gestern im Showroom von Tom Ford, da gab es eine ganz tolle fliederfarbene Lederjacke.

Das alles gibt es neu auf Ihrer Website. Wie stellen Sie sich den typischen männlichen Mytheresa-Kunden vor?

Es ist ein Mann, der beruflich ­vorangekommen ist – klar, für Luxusmode braucht man gewisse Mittel. Online kommt ihm deshalb entgegen, weil er sehr busy ist. Es geht uns um den modischen Mann, der nicht nur zwischen Grau und Anthrazit auswählt. Er trägt starke Farben, ­interessante Schnitte, taillierte Sakkos, knöchelkurze Hosen, Sneakers. Und diesen Mann gibt es überall auf der Welt.

Also im Management sehe ich den irgendwie nicht.

Wir sehen ihn in unserer Zielgruppe absolut, und das Geschäft wird es nachweisen. Natürlich sind das vor allem Männer in Professionen, wo man sich modisch bewegen kann. Aber auch im Management hat sich einiges getan, die Krawatte ist tot.

Luxuskleidung für Herren macht weniger Umsatz als bei den Damen, wächst aber rasant. Wie erklären Sie das?

Stimmt, die Männermode ist ­gerade viel dynamischer. Das hängt damit zusammen, dass der Streetwear-Boom eine neue ­Generation von Männern an den Markt herangeführt hat. Dabei hiess es vor einiger Zeit noch, die nächste Generation werde Luxus gar nicht mehr haben wollen. Das Gegenteil hat sich gezeigt. Dann muss man sehen, dass der asiatische Kunde fast die Hälfte des Luxusmarktes ausmacht. Marken wie Jimmy Choo oder Gucci erzielen in Japan die Hälfte des Umsatzes mit den Herren. Klassische Investitionsgüter für Männer, wie etwa das Auto oder das Eigenheim, haben an Anziehungskraft verloren.

Das Sakko ist das neue Statussymbol?

Und zwar deshalb, weil man stärker als früher seine Individualität betont. Das teure Auto zeigt: Ich bin erfolgreich. Ausgefallene Mode aber zeigt: Ich bin individuell.

«Wir bedienen Sehnsüchte: Ich will schöner sein, erfolgreicher, ich hab eine harte Woche gehabt und will mich belohnen.»

Bücher und Haushaltswaren im Internet zu kaufen, ist für Menschen heute normal. Aber einen Anzug für 4000 Euro: Ist da die Hemmschwelle nicht hoch?

Der Luxusmarkt hat sich online erst spät entwickelt. Bei Büchern und preiswerter Mode macht E-Commerce heute 30 bis 40 Prozent aus, im Luxusbereich sind es nur 10 bis 12 Prozent. Marktforschern zufolge wird der Anteil innerhalb der nächsten drei Jahre aber auf 20 bis 25 Prozent steigen.

Sie wagen sich nun auf einen Markt, der von Mr Porter, ­Farfetch und Matchesfashion schon gut bedient wird. Wie wollen Sie Männer überzeugen, dass sie in Zukunft bei Mytheresa shoppen sollen?

Stimmt, wir kommen relativ spät auf die Bühne. Für das erste Jahr haben wir uns kein Umsatzziel gesetzt, da es unser wichtigstes Ziel ist, dass unsere Kunden und Partner am Ende des Jahres verstehen, warum es Mytheresa Men gibt. Und die Antwort kann nicht lauten, dass Männer jetzt auch noch bei uns Saint Laurent, ­Gucci und Balenciaga Sneakers kaufen können.

Sondern?

Die Ausgangsfrage war: Was kommt nach Streetwear? Die Mode wird gerade wieder eleganter, das ist unsere Chance. Wie bewegt man den Käufer, der bisher bei Off-White zu Hause war, sich auch mal Missoni oder Dries Van Noten anzuschauen? Auf der anderen Seite: Wie bewegt man den klassischen Mann dazu, ­etwas modischer zu werden und neben Zegna auch mal Thom Browne zu kaufen?

Sie wollen tendenziell leiser und distinguierter sein als die Konkurrenz.

Etwas leiser, ein bisschen eleganter, ein wenig angezogener – europäischer, wenn Sie so wollen. Dabei nicht unbequem. Sagen wir: ein Sakko von Brunello Cucinelli mit weichen Schultern und trotzdem tailliert. Das ist die Positionierung, streng kuratiert von unseren Einkäufern.

«Das teure Auto zeigt: Ich bin erfolgreich. Ausgefallene Mode aber zeigt: Ich bin individuell.»

So sagt man gern bei Ihnen. Aber ist «kuratieren» nicht ein Euphemismus für ein kleines Sortiment?

Ja, wir haben weniger Marken. Da kann man jetzt sagen: Okay, geh ich gleich zu einem Grossen, der hat alles. Nun wollen Sie am Wochenende aber zu einer Party und suchen ein Cocktaildress. Da gehen Sie entweder zu uns, wir haben 50 Cocktailkleider. Oder Sie gehen zu Farfetch. Aber wollen Sie sich durch 10'000 Kleider klicken? Ich als Kunde hätte das ­Angebot schon gerne intelligent ausgewählt, damit ich nicht erst auf Seite 25 was finde.

Die Vermutung liegt nahe, dass Sie Mytheresa mit der Männersparte auch aufhübschen wollen. Ihr Eigentümer sucht seit neun Monaten nach einem Käufer, um Schulden zu bedienen.

Bei unserem Mutterkonzern gibt es mehrere Überlegungen, die parallel laufen: Wollen wir ­Mytheresa verkaufen, an die Börse bringen oder doch behalten? Der Prozess ist noch nicht abgeschlossen, weil wir in einer glücklichen Situation sind. Wir wachsen, sind erfolgreich, es gibt keinen Zeitdruck. Klar gibt es ­Interessenten, aber es gibt auch gewisse Preisvorstellungen.

«Ich will jemanden, der sich in Mytheresa verliebt», haben Sie gesagt.

Das ist schon ein besonderes ­Geschäft. Du musst sehr sorgsam mit den Kunden umgehen, die sind nicht immer einfach. Du arbeitest mit Marken zusammen, die klare Vorstellungen haben, wie ihre Ware zu präsentieren ist. Du hast Designer, die sich in Einzelfällen melden und sagen, ihnen gefällt ein Produktfoto nicht. Dann ändern wir das Bild sofort, da die Zusammenarbeit mit den Brands und ihre Zufriedenheit an erster Stelle stehen. Wir verkaufen ja keine Funktionskleidung, keine unserer Kundinnen sagt, sie habe nichts mehr anzuziehen. Wir bedienen Sehnsüchte: Ich will schöner sein, erfolgreicher, ich hab eine harte Woche gehabt und will mich belohnen. Wir verkaufen Dinge, die keiner braucht – und, wenn wirs gut machen: die jeder will.