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Meinung

Papablog: Künstliche Intelligenz und der Tod
Wie werden wir in Zukunft trauern?

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Erst der Anfang: Noch ist die Fiktion deutlich zu erkennen – doch das wird sich bald ändern.
Trauer der Zukunft: Ein virtuelles Projekt ermöglicht einer Mutter, ihre verstorbene Tochter wiederzusehen.
Schmerzhaftes Wiedersehen: Der sehnlichste Wunsch der Mutter konnte erfüllt werden.
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Es gibt eine alte indische Legende über den Erfinder des Schachspiels Sissa ibn Dahir, die veranschaulicht, wie wenig wir Menschen dazu in der Lage sind, exponentielles Wachstum kognitiv zu erfassen. Um einen tyrannischen Herrscher zur Vernunft zu bringen, ersann Sissa das Spiel und den König als zentrale, aber extrem hilfsbedürftige Figur. Als Belohnung bat er sich eine Menge Weizenkörner aus, die pro Schachfeld verdoppelt werden sollte. Erst eins, dann zwei, dann vier, dann acht und so weiter. Klingt nicht nach viel, dachte und denkt man sich. Nur lägen am Ende auf dem Brett über 18 Trillionen Weizenkörner mit einem Gesamtgewicht über 730 Milliarden Tonnen.

Wir werden Gesichter und Stimmen von Menschen so perfekt klonen können, dass wir nicht zwischen Original und Fälschung unterscheiden können.

Prozesse, die exponentielles Wachstum beinhalten, übersteigen zumeist unsere Vorstellungskraft. Der Ausstoss von Treibhausgasen zum Beispiel. Das Coronavirus. Und die Lernkurve von künstlicher Intelligenz. Während ich zusammen mit meiner ältesten Tochter vor ein paar Wochen eine Präsentation mit einer mittlerweile veralteten Version von Chat GPT erstellt habe, entwickelt sich KI rasant weiter. Wir mögen, um in der Schachbrettanalogie zu bleiben, erst auf Feld 11 sein. Aber schon jetzt ist in Ansätzen erkennbar, wie die Reise zu Feld 64 aussehen wird. Wir werden in der Lage sein, die Gesichter und Stimmen von Menschen so perfekt zu klonen, dass wir am Ende nicht zwischen Original und Fälschung unterscheiden können.

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Virtualisierte Abbilder schaffen

Firmen werden sich die Markenrechte an virtualisierten Personen sichern. Und ein paar Felder weiter wird man auf trauernde Angehörige zukommen und ihnen anbieten, aus der gesamten Datenmenge einer Person ein Abbild zu schaffen, mit dem sie weiterhin umgehen können.

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Auf noch recht ungelenke Art und Weise tut man das schon heute. 2020 wurde in Südkorea eine Fernsehsendung ausgestrahlt, in der eine Mutter mit dem virtuellen Abbild ihrer vier Jahre zuvor verstorbenen siebenjährigen Tochter wiedervereint wurde.

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Das Ganze wirkt zwar noch sehr weit entfernt davon, nicht von der Realität unterscheidbar zu sein, wurde aber eben auch nur auf Feld 9 realisiert. In Zukunft werden es nicht mehr Menschen sein, die sich mit verbesserter Technologie daran machen, die Ergebnisse zu optimieren. Es werden selbstlernende Maschinen sein, die bei immer umfangreicherer Ausgangsdatenlage entsprechende Modelle unermüdlich so lange trainieren, bis sie vom Original kaum bis gar nicht mehr zu unterscheiden sind.

Wir müssen unsere empfindlichsten Stellen schützen

Wie werden wir dann trauern? Wie werden wir in der Lage sein, Abschied zu nehmen, wenn die Versuchung, es nicht zu tun, immer grösser wird? Und wie werden wir verhindern können, dass sich immer mehr Menschen von der Realität abwenden, wenn sie ihre Zeit mit den virtualisierten Repräsentationen von geliebten Verstorbenen verbringen können? All das mag nach vollkommen überzogener Science-Fiction klingen. Aber wir nehmen es so wahr, weil wir auf Feld 11 stehen und exponentielles Wachstum nicht begreifen können. Deshalb wäre es wichtig, hier und heute Regeln für die nächsten Felder aufzustellen. Denn Liebe ist verwundbar. Verletzlich. Manipulierbar.

Wenn wir nicht anfangen, viel freier über Tod, Trauer und Verlust zu sprechen, wird man uns an unseren empfindlichsten Stellen treffen und aus ihnen Kapital schlagen.

Wie würden Sie und ich reagieren, wenn eine Firma beispielsweise ungefragt aus den in die Cloud hochgeladenen Mediendateien über unsere verstorbene siebenjährige Tochter ein täuschend echtes Modell generiert und uns zum Kauf anbietet? Würden wir das wollen? Könnten wir uns dagegen wehren? Gäbe es für diesen Prozess ethische Standards? Wenn wir uns nicht alle miteinander über die Themen verständigen, mit denen wir uns für gewöhnlich lieber nicht beschäftigen, werden sie uns überrollen. Wenn wir nicht anfangen, viel freier über Wahrheit, Tod, Trauer und Verlust zu sprechen, wird man uns an unseren empfindlichsten Stellen treffen und aus ihnen Kapital schlagen. In diesem Sinne: Während ich diesen Text geschrieben habe, ist die KI auf Feld 12 vorgerückt. Was wollen wir tun?