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Mamablog: Gedanken zum Tod
«Mama, wenn du gestorben bist …»

Der Tod ist unendlich schwer zu fassen: Daher tun wir gut daran, uns mit ihm auseinanderzusetzen.
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Die Landschaft fliegt an uns vorbei, Häuser, Strassen, Autos. Ein ruhiger Moment, es rattert fast hörbar im Hirn des Jüngsten. Vierjährig ist er jetzt, sein Kopf auf Hochtouren. Die Welt, ein wenig beschriebenes Blatt, das sich jeden Tag ein bisschen mehr füllt. Sein Blick wandert zu mir, ich spüre ihn über die Schulter, wir sind im Auto. «Wenn du gestorben bist, pflanze ich Schneeglöckchen auf dein Grab.» Er sagt es mit einer ruhigen Stimme, als hätte er sich das lange und reiflich überlegt.

Ich schlucke.

Sofort ein Bild vor mir, meine Kinder vor meinem Grab. Die Horrorvorstellung aller, die die Verantwortung mit der Geburt kleiner, völlig hilfloser Geschöpfe auf sich geladen haben. Eine uneingeschränkte Liebe, an der nichts rütteln kann. Ein Kloss wächst in meinem Hals. Stellt er sich das Leben ohne mich so einfach vor?

Was jetzt?

Ich könnte beleidigt sein, dass er das einfach so dahin sagt, so wie andere über das Wetter reden. Mein Tod, schön, dass wir darüber geredet haben.

Ich könnte mich ärgern, dass er diesen Satz nicht mit der gebührenden Trauer sagt, die doch dabei sein sollte, stellt man sich seine Mutter im Grab vor. Schliesslich kümmere ich mich seit seiner Geburt um ihn, wir sind uns doch so nah. Die Vorstellung, meine Kinder loslassen zu müssen, bevor sie auf eigenen Beinen stehen, macht mich fertig. Stelle ich mir den Tod eines meiner Kinder vor, kann ich nicht mehr denken. Mein Hirn blockiert, das Gefühl übernimmt, nur schon die Vorstellung: ein Schrecken mit einem gewaltigen Ende. Emotionales Feuerwerk, das sich selbst entzündet.

Wir sprechen hin und wieder darüber, dass auch wir sterben werden. Hoffentlich noch lange nicht, aber wir werden. Punkt.

Dann aber rattert auch mein Hirn. Und spukt gemeinsame Zeit aus, die zu eben diesen Schneeglöckchen führen. Wir waren bei Bekannten, sie sind neu in unsere Strasse gezogen. Es war ein sehr schönes Treffen. Wir waren im Garten, wo nach der Kältephase mit viel Schnee die erdige, noch blassgrüne Fläche an diesem unwahrscheinlich warmen Tag gespickt war mit weissen Punkten. Schneeglöckchen. Ich freute mich sehr darüber und rief ihm zu: «Oh, schau! Schneeglöckchen! Der Frühling kommt!» Und wir entdeckten diese Pflänzchen, die mit hängenden Glöckchen leise den Frühling einläuten. Er sah mich lachen und freute sich mit mir über die Blumen, die er in seinem Leben wohl noch nie aktiv mit einem Namen verbunden hat.

Vierjähriges Wissen über das Leben

«Wenn du gestorben bist, pflanze ich Schneeglöckchen auf dein Grab.» Die Endlichkeit des Lebens ist eine der grössten und weitreichendsten Entdeckungen auf Kinderbeinen. Mein Mann und ich haben uns immer bemüht, diese Tatsache im Lauf des Lebens nicht auszuklammern. Nicht beim Tod meines eigenen Vaters, nicht beim Tod des Urgrossvaters unserer Kinder. Wir weinten und erklärten, was uns traurig macht. Wir lachten genauso über Erinnerungen und redeten darüber, was schön und lustig war. Wir sprechen hin und wieder darüber, dass auch wir sterben werden. Hoffentlich noch lange nicht, aber wir werden. Punkt.

Schöne Gedanken: Wer sagt denn, dass alles rund um den Tod nur traurig sein muss?

Mein Sohn hat diese Unabwendbarkeit vielleicht langsam akzeptiert und ist dabei, seinen Umgang damit zu finden. Er geht mit kleinen Schritten eines Vierjährigen auf einen Zustand zu, den ich jedem Menschen wünschen würde. Hin zu einem respektvollen und zugleich feinfühligen Umgang mit dem Tod, der allen Unterschieden trotzt, weil er Teil eines jeden Lebens ist und zu uns gehört. Zumindest im Moment hat er für sich einen Umgang damit gefunden, der sich entspannt anhört und keine Angst macht. Er hat sich zudem überlegt, was mich freuen würde. Schneeglöckchen. Ich drehe mich zu ihm. «Das ist eine schöne Idee», sage ich. Und wir lachen uns an.