Vorsicht vor Fallen beim VererbenWie Sie die Übergabe des Eigenheims an die Kinder richtig planen
Viele Eltern überschreiben ihren Kindern frühzeitig Wohneigentum – im Glauben, Behörden könnten nach zehn Jahren keine Ansprüche mehr geltend machen. Das ist ein Irrtum.
Manch ein Vater oder eine Mutter treibt die Sorge um, dass sie ihr Eigenheim nicht an ihre Kinder weitergeben können, weil horrende Kosten für die Alterspflege alle Vermögenswerte verschlingen. Dieses Risiko bestehe vor allem bei Mittelstandsfamilien, die ihre Ersparnisse grösstenteils in ein Haus investiert hätten, sagt Michael E. Meier, Experte für Sozialversicherungsrecht und Oberassistent an der Universität Zürich.
«Wenn die Eltern im Pflegeheim auf Ergänzungsleistungen angewiesen sind, bleibt in acht von zehn Fällen ausser dem Eigenheim vom Erbe kaum noch etwas übrig», erläutert Meier. Anspruch auf Ergänzungsleistungen besteht erst, wenn das Vermögen unter 100’000 Franken fällt (bei Ehepaaren unter 200’000). Selbstbewohntes Wohneigentum wird nicht angerechnet.
Meist sind es Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen, die Ergänzungsleistungen geltend machen müssen. Vor allem wegen der Alterspflege seien die Ausgaben für Ergänzungsleistungen seit dem Jahr 2000 von rund zwei auf über fünf Milliarden gestiegen, sagt Meier.
Umstrittene Rückerstattungspflicht
Und mit neuen Bestimmungen, die Anfang 2021 in Kraft getreten sind, können Behörden von den Erben verlangen, dass sie aus dem geerbten Vermögen Ergänzungsleistungen zurückerstatten, die ihre Eltern während der letzten zehn Jahre vor dem Tod bezogen haben.
Doch diese Rückerstattungspflicht umfasst nur das noch vorhandene Erbe mit einem Freibetrag von 40’000 Franken, wie Sozialversicherungsexperte Meier betont. Alle Zuwendungen, die vor dem Tod erfolgt sind, werden nicht berücksichtigt. Diese Forderung lässt sich also vermeiden, indem Eltern rechtzeitig Vermögenswerte an ihre Kinder oder Enkel übergeben.
Die Rückerstattungspflicht ist umstritten. Meier kommt zum Schluss, dass Aufwand und Ertrag in keinem günstigen Verhältnis stehen. Und Sozialrechtsexpertin Karin Anderer hält es für «systemwidrig», dass rechtmässige Leistungen der Sozialversicherung nachträglich zurückgefordert werden können.
Vorsicht vor dem Vermögensverzicht
Doch Achtung: Wer meint, mit Zuwendungen eine Kostenbeteiligung an Pflegekosten einfach vermeiden zu können, liegt falsch. Denn solche Geschenke gelten als Vermögensverzicht. Wenn ein Vater seiner Tochter beispielsweise 100’000 Franken schenkt, so werden die Ergänzungsleistungen so berechnet, als ob dieses Vermögen immer noch beim Vater wäre.
Im schlimmsten Fall hat der Vater also Folge davon keinen Anspruch auf Ergänzungsleistungen und muss trotzdem mit einer Rente auskommen, die unter dem Existenzminimum liegt. Das strebt gewiss niemand in der Familie an.
«Es ist erstaunlich, wie verbreitet diese falsche Annahme ist und wie hartnäckig sie sich hält.»
Viele Eltern überschreiben ihr Haus oder die Eigentumswohnung frühzeitig an ihre Kinder. Dahinter steht die Idee, dass Behörden spätestens zehn Jahre nach der Überschreibung nicht mehr darauf zugreifen können.
Doch dies ist ein Irrtum. «Es ist erstaunlich, wie verbreitet diese falsche Annahme ist und wie hartnäckig sie sich hält», sagt Karin Anderer. Tatsächlich ist auch dies ein Vermögensverzicht. Und für dessen Anrechnung an allfällige Ergänzungsleistungen gibt es keine Verfallsfrist.
Die Vorteile des Vorbezugs
Abgesehen von diesem Irrtum, hat der Vorbezug des Erbes durchaus Vorteile. Wenn das Kind das Elternhaus schon früh erhält, gilt für den Vermögensverzicht der Marktwert zum Zeitpunkt der Übergabe. Spätere Wertsteigerungen werden nicht mehr berücksichtigt. Zudem dürfen vom Vermögensverzicht jährlich 10’000 Franken abgezogen werden. Wenn also das Haus eine halbe Million Franken wert ist, werden nach zehn Jahren noch 400’000 Franken als Vermögensverzicht angerechnet.
Bleiben die Eltern mit einem Nutzniessungsrecht im Haus, so hat das zwei Vorteile. Erstens mindert ein solches Nutzniessungsrecht den Wert der Liegenschaft, sodass die Tochter oder der Sohn die Liegenschaft zu einem etwas günstigeren Preis erhält. Und wie zweitens Rechtsexperte Michael E. Meier erläutert, können die Eltern für das damit verknüpfte Aufenthaltsrecht Kosten anrechnen.
«Je länger die Nutzniessung andauert, umso höher ist der anrechenbare Wert, was es schwieriger macht, die Schenkung als Vermögensverzicht zu qualifizieren», erläutert Meier. Mit anderen Worten: Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass die Eltern Ergänzungsleistungen beanspruchen und die Kinder gleichzeitig das Haus behalten können.
Damit die Vorteile der Weitergabe an die Kinder sich auszahlen, empfiehlt Meier, dies schon sehr früh umzusetzen: «Idealerweise geschieht das mit fünfzig Jahren oder etwas später – doch zu diesem Zeitpunkt planen noch die wenigsten Eltern, wie sie mit ihrem Nachlass umgehen wollen.»
Fallstricke bei der Erbteilung
Geht es darum, das Erbe frühzeitig zu regeln, raten Anwälte öfter, dass Eheleute sich in Ehevertrag und Testament gegenseitig begünstigen. So kann festgehalten werden, dass das gesamte gemeinsam erwirtschaftete Vermögen beim überlebenden Partner bleibt, wenn einer der beiden stirbt.
Diese häufig gewählte Lösung dient der Absicherung des Elternteils, der länger lebt. Der Nachteil: So muss, falls nötig, das gesamte Vermögen für Pflegekosten aufgewendet werden. Hätten hingegen die Kinder beim Tod des ersten Elternteils ihren Pflichtteil bereits erhalten, so könnte man ihnen diesen nicht mehr wegnehmen.
Damit der überlebende Elternteil das Erbe an die Kinder nicht auszahlen muss, können diese dafür eine Nutzniessung vereinbaren. Doch das funktioniert laut Meier nur bei verheirateten Paaren und nur bei Erbschaften, die von Eltern an deren Kinder gehen.
Rechtsexperte Meier geht mit seinem Vorschlag noch einen Schritt weiter: Wenn der Vater stirbt, kann auch gleich das ganze Eigenheim in seinem Besitz an die Kinder gehen. Die überlebende Mutter darf weiterhin im Haus wohnen (Nutzniessung). In diesem Fall liegt laut Meier auch kein Vermögensverzicht der Mutter vor. Ihr wird der Wert der Nutzniessung am Eigenheim jedoch als Einkommen angerechnet.
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