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Digitale Tricks
Wie Onlinehändler uns zum Schnellkauf treiben

VIAGOGO STOCK, Viagogo s website is seen on a computer screen in Sydney, Thursday, April 18, 2019. The Swiss-based ticket marketplace was found by a judge on Thursday to have broken several consumer laws when falsely claiming tickets were about to sell out and masquerading as an official ticket seller. ( !ACHTUNG: NUR REDAKTIONELLE NUTZUNG, KEINE ARCHIVIERUNG UND KEINE BUCHNUTZUNG! SYDNEY NSW AUSTRALIA PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: xSTEVENxSAPHOREx 20190418001395694558
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Der Konsumentenschutz Schweiz hat eine Strafanzeige gegen Viagogo eingereicht. Das Unternehmen tritt im Internet als Wiederverkaufsplattform für Tickets auf. Grund für die Anzeige seien deren Websites, auf denen «der Bestellprozess manipuliert» werde, um die Konsumentinnen und Konsumenten zum Kauf von «meist überteuerten Tickets» zu verführen, so die Stiftung für Konsumentenschutz.

Viagogo wurde 2006 in London gegründet und hat heute den Hauptsitz in Genf. Auf den Plattformen der Firma können Händler Tickets wieder verkaufen und angemeldete Person diese erwerben. Viagogo wird oft für seine undurchsichtigen Praktiken oder falsche Behauptungen kritisiert. 2021 bestätige das Bundesgericht ein vorgängiges Urteil, dass der Händler Viagogo Schindluder mit Tickets des Circus Knie betrieben hatte. Konkret: Auf der Website wurden Vorstellungen als «ausverkauft» bezeichnet, obwohl es noch Tickets gab – um danach höhere Preise verlangen zu können. Ausserdem hatte das Portal Tickets für Kategorien im Sortiment, die nicht existierten.

Im Februar 2024 willigte das Genfer Unternehmen zudem ein, 100’000 Franken in einen Fonds für geschädigte Kundinnen und Kunden einzuzahlen. Basis dafür war eine Strafklage der Westschweizer Konsumentenorganisation FRC von 2017.

Mit Dark Patterns wird die Kundschaft subtil beeinflusst

Grundlage für die neue Klage des Deutschschweizer Konsumentenschutzes ist eine Analyse von 300 Websites mit Inhalten, die als Dark Patterns beschrieben werden. Damit sind digitale Anwendungen gemeint, die die Personen vor dem Bildschirm manipulieren und in einen Kaufabschluss drängen. Also etwa zu suggerieren, eine Veranstaltung sei ausverkauft, auch wenn dies gar nicht der Fall ist. «Viagogo setzt gemäss unserer Untersuchung eindeutig am meisten dieser Methoden ein, und das in einer sehr aggressiven Art und Weise», sagt Geschäftsleiterin Sara Stalder. «Bei der Anwendung der Dark Patterns verhält sich das Unternehmen skrupellos.»

«Die Viagogo-Website weist zum Teil sehr subtil, zum Teil auch sehr penetrant darauf hin, dass Tickets für ein bestimmtes Konzert gerade sehr gut verkauft werden und man etwas verpassen könnte», erklärt Lucien Jucker, der beim Konsumentenschutz für die Abteilung Datenschutz und IT leitet. Dabei nutze Viagogo – wie auch viele andere Onlinehändler – Tricks und Kniffe, die sich aus der Verhaltenspsychologie erschlössen.

Beispielsweise wird auf deren Websites darauf hingewiesen, dass gerade eine grosse Zahl anderer Personen das Angebot anschaut. Andernorts machen farbige Sätze darauf aufmerksam, dass nur noch eine sehr begrenzte Zahl der Produkte erhältlich sei – oft ausgezeichnet durch Blinken oder «Countdowns». Überprüfen lassen sich solche Angaben nie.

Der Konsumentenschutz hofft, dass die Strafanzeige in Genf erfolgreich sein wird: «Auch wenn das Problem bei den Behörden keine grosse Priorität geniesst», sagt Sara Stalder. Sie habe das Gefühl, es sei wenig Wille zur Abhilfe gegen die digitalen Beeinflussungswerkzeuge zu erkennen. Auch nicht beim Bundesrat: Dieser hat vor drei Wochen einen Bericht zum Thema veröffentlicht, der das Problem ausführlich beschreibt – und dennoch keinen Handlungsbedarf erkennt.

Bericht des Bundes spricht von «besonderem Gefährdungspotenzial»

So heisst es im Bericht etwa: «Dark Patterns sind (…) ein Phänomen, das im digitalen Kontext auftritt und dort besonderes Gefährdungspotenzial entfaltet.» Die Manipulationsmethoden der Onlinehändler bezweckten zum einen die «Beeinflussung, Irreführung oder Täuschung», zum anderen die «Ausübung von Druck oder Zwang». Trotzdem würden die vorhandenen gesetzlichen Mittel reichen, um gegen Verbrauchertäuschungen vorzugehen, schliesst der Bericht.

Der Konsumentenschutz will nun vor dem Genfer Gericht aufgrund eines externen Rechtsgutachtens nachweisen, dass Viagogo mittels «zahlreicher Hinweise im Bestellprozess in ihrer Gesamtheit eine besonders aggressive Verkaufsmethode» anwendet. Und dass diese auch nach dem aktuellen UWG unlauter sei.

Sollte die Strafanzeige des Konsumentschutzes keinen Erfolg haben, so setzt er darauf, dass die Gesetzgeberinnen und Gesetzgeber in Bern das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verschärfen, um Fälle von Dark Patterns einzuschränken. Auch wenn der Bundesrat eine Verschärfung erst gerade abgelehnt hat.

Viagogo hält gegenüber dieser Redaktion fest, dass sich das Unternehmen «vollumfänglich an das Schweizer Recht» halte. Es weist die Vorwürfe und Behauptungen der Stiftung für Konsumentenschutz «respektvoll zurück» und sei «bestrebt, sich mit diesen im Rahmen des Rechtsverfahrens vollumfänglich und kooperativ auseinanderzusetzen».*

* Dieser Abschnitt wurde dem Artikel einen Tag nach der ursprünglichen Veröffentlichung angefügt.