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Schweizer Physio-Imperium
Dieses Ehepaar schafft die Therapie hinterm Vorhang ab

Sie überrollen die Schweiz mit Physiozentren: Christoph und Martina Landolt.

Martina Landolt hat es geschafft, aus der Physiotherapie so etwas wie eine McDonald’s-Kette zu machen. Mit einem Junk-Angebot hat das aber nichts zu tun. Denn so wie Kunden immer den gleichen Big Mac erhalten, bei dem der Schmelzkäse über dem Salat im untersten Brötliteil liegt, und sich der Burger bauchwehfrei verspeisen lässt, egal ob in Zürich oder Tegucigalpa, zieht die 37-jährige Landolt mit ihrer grössten Schweizer Physiopraxiskette neue Standards auf. Was heisst das?

Alle Dinge, die sie als angestellte Physiotherapeutin schrecklich fand, hat Landolt in ihren inzwischen 25 Filialen mit dem Namen Physiozentrum verändert. Das fängt bei der Abtrennung der einzelnen Behandlungskabinen an. Als sie früher mit einer Patientin arbeitete, hörte sie, wie ihr Chef, der gerade Pause machte, in dem nur durch einen Vorhang abgetrennten anderen Bereich seine Nägel knipste.

Bei der Konkurrenz nicht unbedingt beliebt

Laut dem Verband Physioswiss ist die Abtrennung der Kabinen durch feste Wände keine Pflicht, aber Landolt macht sie in ihren Filialen zum Standard. Genau wie Umkleide- und Pausenräume fürs Personal und Putzpersonal zum regelmässigen Staub- und Bodenwischen. Vor allem aber gibt es in jedem Physiozentrum grosse Flächen mit Fitnessgeräten für die aktive Therapie, das heisst einen gezielten Muskelaufbau, wie er etwa bei chronischen Rückenschmerzen nötig ist. Andere Physiopraxen bieten das nur zum Teil. 

Die zierliche und sehr schnell redende Landolt ist bei der Konkurrenz nicht unbedingt beliebt. Kein Wunder, denn der Expansionshunger der Mutter von drei kleinen Kindern nimmt kein Ende. Dieses Jahr öffnen zwei bis drei weitere Filialen, sie ist in allen grösseren Schweizer Städten präsent und überlegt, ob sie nun ihr Netz auch auf Städte mit nur 10’000 Einwohnerinnen ausdehnen soll. Die Filialdichte ist zwar noch nicht so hoch wie die von McDonald’s, aber sie nimmt stetig zu. Zugleich wächst auch der Bedarf, die Behandlungszahlen legen in der Branche stetig zu. 

Die Filialen der 2011 gegründeten Kette sind immer an zentraler Lage, meist in Bahnhofsnähe. «Sie befinden sich nicht immer an den Top-Top-Lagen, aber die Lokale sind sehr gut zugänglich, und sie liegen oft dort, wo die Beschäftigungsdichte sehr hoch ist», analysiert Robert Weinert von der Immobilienfirma Wüest Partner. Die Physiozentren hätten den Vorteil, dass sie grössere Flächen mieteten und dadurch die Quadratmetermietpreise sänken.

Die knapp 300 Angestellten bekommen bis zu 20 Prozent höhere Löhne.

Landolts Mann Christoph bringt nicht nur die Kinder in die Kita und holt sie wieder ab, sondern teilt sich mit ihr den CEO-Posten und ist für die Expansion zuständig. Er war es auch, der durch einen Zufall das Riesenprojekt ins Rollen gebracht hat. Christoph Landolt arbeitete als Journalist und rief für einen Artikel den Mitgründer der Kette Zahnarztzentrum.ch an. Die Idee, eine Physiokette aufzuziehen, hatte das Paar da schon, im Gespräch mit Christoph Hürlimann zeigte sich schnell, wie gross die Parallelen der beiden Geschäftsmodelle sind. Aus dem Rechercheanruf wurde ein Geschäftsgespräch. Die Hürlimanns – hinter den über 40 Zahnarztzentren steckt ebenso ein Ehepaar, Sara Hürlimann ist Zahnärztin, er Ökonom – sicherten zudem die Finanzierung und sind bis heute zu 50 Prozent beteiligt. 

Trotz des Erfolgs lebt Familie Landolt nach wie vor in einem Wohnblock in Rapperswil-Jona, der Expansionstrieb reicht nicht unbedingt bis ins Private. Ihre Ferien verbringen sie meist mit Wandern und Skifahren im Bündnerland. 

Zum Kettenkonzept gehört, den knapp 300 Physiotherapeutinnen, Masseuren und Praxisassistentinnen höhere Löhne zu zahlen, etwa 10 bis 20 Prozent über dem üblichen Niveau. «Bei der immer schwieriger werdenden Suche nach neuen Mitarbeiterinnen ist der Lohnvorteil aber nicht entscheidend», sagt Christoph Landolt. «Viel wichtiger sind Faktoren wie der Teamgeist oder dass sich die Mitarbeitenden fachlich weiterentwickeln können.»  

Die Einnahmen für eine Physiositzung sind jedoch immer gleich, die Krankenkassen zahlen pro Sitzung etwa 50 Franken. Das Geheimnis hinter den höheren Löhnen: «Unsere Mitarbeiter sind fleissig und behandeln mehr
Patienten pro Tag als andere Therapeuten», sagt Landolt. Das sei ohne Qualitätsabstriche möglich, weil die Kette Praxisassistentinnen beschäftige, die ihnen Telefone, Terminvereinbarungen und die gesamte Administration abnähmen.

Ein kleiner Teil des Lohns der Therapeutinnen ist abhängig vom erzielten Umsatz. Martina Landolt sieht das als Qualitätszeichen: «Wer gut mit seinen Patienten arbeitet, bringt sie auch dazu, dass sie zeitnah einen Folgetermin vereinbaren, das füllt nicht nur den Behandlungskalender, sondern sorgt vor allem auch dafür, dass die Therapie erfolgreich durchgezogen wird.»

Umsatz von 40 Millionen Franken

Doch wie oft soll überhaupt eine Behandlung erfolgen? Physioswiss-Präsidentin Mirjam Stauffer sieht das so: «Der Rhythmus ist von verschiedenen Faktoren abhängig und kann darum nicht pauschalisiert werden.» Die Häufigkeit der Behandlung allein sage noch nichts über den Therapieeffekt aus. In jedem Fall müsse jede Therapie die drei klassischen Kassenkriterien erfüllen, nämlich wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein.

«Wir haben keine Erkenntnisse darüber, wie sich die Etablierung von Praxisketten auf die Qualität der Physiotherapie auswirkt», sagt Stauffer. Generell bestehe eine sehr hohe Behandlungsqualität in der Physiotherapie. «Praxisketten könnten in erster Linie Versorgungslücken schliessen, allerdings leider nur in städtischen Zentren», betont sie.

Der Markt wächst stark. Ein Ende ist nicht in Sicht. «Früher gingen 80-jährige Männer am Stock, heute bekommen sie ein künstliches Hüftgelenk, brauchen danach aber einige Termine beim Physio», sagt Martina Landolt. Der Umsatz der Physiozentren beläuft sich zurzeit auf 30 bis 40 Millionen Franken.