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Streit in der Familie
Wie kann ich meinen Sohn enterben?

Ein distanziertes Verhältnis allein reicht nicht aus, um jemandem den Pflichtteil am Erbe verweigern zu können. 
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Bei einem zerrütteten Verhältnis kommt es immer wieder vor, dass Eltern einzelnen Kindern nicht einmal den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestanteil am Erbe – den sogenannten Pflichtteil – zukommen lassen wollen. Eine Leserin fragt beispielsweise, ob sie ihren Sohn enterben könne, der ihr schon mit dem Tod gedroht habe. Die wichtigsten Antworten zum Thema Enterbung.

Liegt eine schwere Straftat vor?

Es mag emotional viele nachvollziehbare Gründe geben, weshalb Eltern einem Kind eine Erbschaft verweigern wollen. Doch rechtlich werden nur wenige anerkannt. Ein zerrüttetes Verhältnis reicht nicht – selbst wenn der Kontakt seit vielen Jahren komplett abgebrochen ist. 

Eltern können aber einem Kind selbst den Pflichtteil eines Erbes verweigern, wenn dieses eine Straftat begeht. Die Straftat muss gegenüber Vater, Mutter oder anderen nahen Familienmitgliedern verübt worden sein. Zudem muss es sich um eine gröbere Straftat handeln. Beschimpfungen oder kleinere Sachbeschädigungen genügen nicht. 

Ein klarer Fall wäre, wenn ein Kind den Vater oder die Mutter vorsätzlich umbringt. Der überlebende Elternteil könnte dann den Täter oder die Täterin enterben. Bei vielen anderen Delikten muss jeweils der Einzelfall geprüft werden, weshalb meist keine generelle Aussage möglich ist. 

Im erwähnten Beispiel der Leserin gibt es durchaus triftige Gründe, um eine Enterbung rechtfertigen zu können. So hat ihr Sohn sie nachweislich mit dem Tod bedroht und Geld verlangt. Doch dieser Fall ist komplex, und es würde den Rahmen sprengen, hier auf die Details einzugehen. 

Gibt es eine schwere Verletzung von familienrechtlichen Pflichten?

Es ist auch möglich, Angehörigen das Erbe zu entziehen, wenn diese familienrechtliche Pflichten auf schwere Weise verletzen. Das mag theoretisch klingen, und das ist es tatsächlich auch. In der Praxis spielt diese Begründung heute kaum noch eine Rolle.

Gemäss einem alten Bundesgerichtsentscheid war das möglich, wenn die Tochter mit ihrem Liebhaber durchbrennt und den Ehemann mit den gemeinsamen Kindern sitzen lässt. Doch der gesellschaftliche Wandel hinterlässt in der Rechtsprechung Spuren: Gesetzeskommentatoren gewichten die Untreue in der Ehe heute längst nicht mehr derart schwer. Kommt es hingegen zu Gewalt in der Ehe, so kann dies aufgrund der erwähnten strafrechtlichen Folgen zu einer Enterbung führen.

Es gibt einige weitere Gründe für eine schwere Verletzung der familienrechtlichen Pflichten, die aber nur selten vorkommen und deshalb hier nicht weiter erläutert werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang: Eine Kontaktverweigerung des Kindes gilt nicht als schwere Verletzung dieser Pflichten. 

Kürzung des Erbes bei Schulden

Hat eine Tochter oder ein Sohn hohe Schulden und entsprechende Verlustscheine, so können ihm die Eltern die Hälfte des gesetzlichen Pflichtteilsanspruchs entziehen und dessen Kindern – also ihren Grosskindern – zuweisen. Das ist keine Enterbung im engeren Sinn – dieser Schritt hilft stattdessen, bei schwierigen finanziellen Verhältnissen zumindest einen Teil des Erbes in der Familie zu halten. 

Weitere Möglichkeiten

Eine Enterbung bedeutet, dass gewisse Angehörige den gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtteil nicht erhalten. Da nur Kinder und Ehepartner Anspruch auf einen Pflichtteil haben, tangiert dieses Thema keine anderen Angehörigen.

Erblasser haben neben der Enterbung auch die Möglichkeit, das frei verfügbare Vermögen zu streichen und somit den Nachlass auf das gesetzliche Minimum zu reduzieren. Das ist ohne Einschränkungen möglich. Der pflichtteilsgeschützte Erbe erhält dann nur das gesetzlich vorgeschriebene Minimum. Das muss aber im Testament festgehalten werden, da sonst der höhere gesetzliche Erbteil gilt.

Ab kommendem Jahr steigt der frei verfügbare Teil. Bei einem Ehepaar haben beispielsweise Kinder ab dem Jahr 2023 Anspruch auf einen Pflichtteil von insgesamt 25 Prozent des Vermögens (bisher 37,5 Prozent). Stirbt der zweite Elternteil, beträgt der Pflichtteil neu insgesamt 50 Prozent (bisher 75 Prozent). 

Wer nur ein Kind hat und diesem nicht viel hinterlassen möchte, darf das Leben geniessen und sich etwas mehr leisten. Aber Achtung: Was nicht geht, ist, Geld zu verschenken, damit ein Pflichtteil nicht ausbezahlt werden muss. Zuwendungen und Legate werden grundsätzlich für die Berechnung der Pflichtteile zum Nachlass hinzugezählt – insbesondere, wenn dies geschieht, um einen Pflichtteil zu verletzen. Und auf diesem Nachlass können Angehörige ihren Pflichtteil geltend machen.

Die richtige Vorgehensweise

Wer jemanden enterben will, muss das im Testament festhalten. Entscheidend ist, dass der Grund für die Enterbung klar und nachvollziehbar beschrieben wird. Je detaillierter das geschieht, desto besser. Wichtig ist, überzeugende Beweismittel beizulegen oder aufzubewahren. Sonst kann die Enterbung erfolgreich angefochten werden.

Da in der Regel der Einzelfall beurteilt wird, sollte rechtlich präzise argumentiert werden. Deshalb ist es empfehlenswert, für das Testament eine Fachperson beizuziehen. Das kann eine Anwältin, ein Anwalt, eine Notarin oder ein Notar mit Erfahrung im Erbrecht sein – beispielsweise ein Fachanwalt SAV Erbrecht. 

Was können Angehörige gegen eine Enterbung unternehmen?

Angehörige können eine Enterbung mit einer Klage vor Zivilgericht anfechten. Grundsätzlich haben sie dafür ab Kenntnisnahme ein Jahr Zeit. Bei einer solchen Anfechtung versuchen Betroffene die Gründe für die Enterbung zu entkräften oder grundsätzlich zu bestreiten. In der Regel sind das keine angenehmen Verfahren, da schmutzige Wäsche gewaschen wird. Zudem besteht das Risiko einer Niederlage und der damit verbundenen Übernahme von regelmässig sehr hohen Verfahrenskosten.

Es gibt auch einen eleganteren Weg, eine Enterbung aufzuheben: Sie wird hinfällig, wenn der Erblasser dem Erben verziehen hat und dieser dafür einen Nachweis vorlegen kann.

Wer profitiert von der Enterbung?

Nach einer Enterbung steht grundsätzlich mehr Vermögen für andere Angehörige zur Verfügung. Es kann aber auch sein, dass das nächste Umfeld des Enterbten davon profitiert. So auch bei der Leserin im eingangs erwähnten Beispiel: Der Sohn, den sie enterben will, hat aus einer früheren Beziehung eine Tochter. Wird eine Person enterbt, so wird das rechtlich behandelt, als ob sie vorverstorben wäre. Das bedeutet, dass bei einer Enterbung die Tochter Anspruch auf den gesetzlichen Pflichtteil hat. Im vorliegenden Beispiel würde also die Enkelin der Leserin profitieren.