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Kaum Platz für Velos im Zug
Wie die Bahnen das Velo-Chaos verhindern wollen

Immer mehr Velos: Selbst in den Zügen mit den grosszügigen Stellplätzen im Familienwagen wird es oft eng.
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Die Stimmung ist gereizt. Die ganze Gruppe müsse raus, ruft eine Frau im Radlerdress quer durch den Wagen. Es gebe zu wenig Platz für die Velos. Während immer mehr Leute in den Zug strömen, drängeln sich einige Velofahrerinnen und Velofahrer die Treppe hinunter. Einige Minuten später wurde offenbar eine Lösung gefunden: Der Interregio 15 verlässt Luzern am Sonntag nach Auffahrt mit einer Abfahrtsverspätung von unter zwei Minuten. 

Wie schwierig die Situation war, lässt die Durchsage des Zugbegleiters erahnen: So viele Velos könnten nur ausnahmsweise transportiert werden, sagt er. Zulässig sei dies nur, weil es auf dieser Strecke keine heiklen Tunnels gebe. Und er sagt: «Wir danken Ihnen, wenn Sie an weiteren Wochenenden möglichst zu Randzeiten nach Hause fahren.»

Wer oft mit dem Zug fährt, hat Ähnliches wohl auch schon erlebt. Insbesondere rund um die Feiertage im Frühling sowie bei schönem Wetter an Wochenenden kommt es auf einigen Strecken zu Engpässen. Im Eingangsbereich ist jeweils fast kein Durchkommen. Velos und Kinderwagen versperren den Weg. Bei einigen Reisenden liegen die Nerven blank, und es kommt zu gehässigen Wortwechseln. 

Die vielen Velos, die an Spitzentagen ein- und ausgeladen werden, verursachen Verspätungen und Sicherheitsprobleme.

Noch aufgeladener ist die Stimmung, seit die SBB für bestimmte Züge eine Reservation von Veloplätzen vorschreiben. Nicht nur bei den Reisenden, wenn sie den gebuchten Platz von einem anderen Gefährt besetzt vorfinden. Auch die Interessenvertreter der Velofahrer wurden aktiv: Pro Velo und der VCS reichten eine Petition gegen die Reservationspflicht ein. 

Auch in den nationalen Räten gibt die Veloproblematik immer wieder zu reden. Delphine Klopfenstein Broggini, Nationalrätin der Grünen, fordert in einer soeben eingegebenen Motion «angemessene Bedingungen für den Transport von Fahrrädern». Das Thema bewegt unabhängig von der politischen Couleur: Barbara Steinmann von der SVP zeigte sich erstaunt, dass es zu wenige Veloplätze gibt. Und dass einige nur am Schalter, nicht aber per App reserviert werden konnten. «Wie und in welchem Zeitraum wird das Problem der fehlenden Velokapazitäten gelöst?», fragte sie den Bundesrat. Und sie wollte wissen, ob die SBB für den Velotransport «nicht einfach einen ehemaligen Viehwagen anhängen» könnten. 

So reagieren die Bahnen

Die vielen Velos, die an Spitzentagen ein- und ausgeladen werden, verursachen Verspätungen und Sicherheitsprobleme, wie SBB-Mediensprecher Martin Meier bestätigt. Ab und zu können Züge nicht abfahren, weil die Durchgänge und Fluchtwege verstellt sind. In solchen Fällen müssen die Velos zuerst umplatziert werden. Oder die Zugbegleiter bewegen Reisende dazu, auf eine andere Verbindung auszuweichen.

«Die Sicherheit aller Reisenden und des Personals steht an erster Stelle.» Dabei müssen auf einigen Strecken besonders strenge Auflagen eingehalten werden. Etwa jener durch den Gotthard: Wenn die Wege versperrt sind, darf der Zug nicht abfahren. «An Spitzentagen kann es zum Velostau im ÖV kommen, ähnlich wie auf der Autobahn», so Meier.

Ein Teil des Problems ist indes hausgemacht: Die Dosto-Züge, die die SBB neu gekauft haben, sind nicht velofreundlich: Der IC1, der von St. Gallen zum Flughafen Genf fährt, verfügt trotz seiner Länge von 400 Metern lediglich über 24 Veloabstellplätze. Und auf der Strecke ins Tessin können bloss 28 Velos mitgeführt werden. Der SBB-Mediensprecher weist darauf hin, dass diese Plätze «von morgens bis abends» zur Verfügung stünden. Die SBB erwarten also, dass zeitlich flexibel ist, wer ein Velo mitführt. 

«Wir haben mit der Velo-Reservationspflicht überwiegend gute Erfahrungen gemacht.»

Martin Meier, Mediensprecher SBB

Die SBB versuchen den Andrang deshalb zu lenken. «Wir haben mit der Reservationspflicht überwiegend gute Erfahrungen gemacht», sagt der SBB-Sprecher. Insbesondere im Freizeitverkehr am Wochenende könnten die Velos gleichmässiger auf verschiedene Züge sowie auf die Plätze im Zug verteilt werden. Trotz der Kritik der Veloverbände werde die Reservationspflicht in den Intercitys weitergeführt, «solange die Nachfrage nach Veloplätzen das Angebot übersteigt».

Andere Bahnunternehmen verzichten hingegen bewusst darauf – und nehmen in Kauf, dass es zum Andrang auf dem Perron kommen kann. «Uns ist wichtig, dass unsere Kundinnen und Kunden ihre Reise spontan gestalten können», sagt BLS-Mediensprecher Stefan Locher.

Untätig bleiben die Bahnunternehmen nicht. Sie schicken Entlastungszüge auf die Reise. Und sie schaffen, wo möglich, zusätzliche Veloplätze. Die SBB etwa auf der Strecke zwischen Zürich und Chur: An Tagen, an denen viele Velofahrende erwartet werden, wird der Gepäckwagen für Velos geöffnet. Geplant ist dies bei rund 1000 Zügen im Jahr. Zum Ein- und Ausladen wird zusätzliches Personal eingesetzt.

Ähnlich verfahren andere Bahnunternehmen wie die BLS sowie die Südostbahn. Wenn möglich werden auch dort die Züge mit zusätzlichen Fahrzeugen verstärkt. Die Planung ist aber nicht einfach: Die Velofrequenz kann sich kurzfristig ändern – etwa abhängig von der Wettersituation. 

Ein Transportbus begleitet den Zug

Die Südostbahn setzte im letzten Sommer auf gewissen Verbindungen am Wochenende zusätzlich zum Zug einen Velobus ein. Allerdings ohne Erfolg: «Die Entlastungswirkung und damit der Nutzen war deutlich geringer als erwartet», sagt Mediensprecher Conradin Knabenhans. Mögliche Gründe: Der Bus brauchte länger. Und man musste umsteigen. Weil die Nachfrage kaum prognostizierbar war, verkehrte der Bus oft fast leer.

Deshalb probiert es die Südostbahn nun mit einem aufwendigen Manöver: Sie setzt auf einzelnen Verbindungen südwärts eine zusätzliche Einheit ein. Allerdings ist die Perronkante in Göschenen zu kurz, als dass der verlängerte Zug halten dürfte. Deshalb wird der Zugteil in Erstfeld abgetrennt – und wenige Minuten später als Extrazug nachgeschickt. 

Die Südostbahn probiert zudem in einem Forschungsprojekt aus, ob sich in bestehende Wagen Module einbauen lassen, die sich im Handumdrehen von Sitzplätzen zu Multifunktionsflächen umbauen lassen. «Ziel ist es, Ende des kommenden Jahres einen Prototyp in ein Fahrzeug einbauen zu können», sagt Mediensprecher Knabenhans.

Ähnlich die BLS: Da die Velomitnahme ein Bedürfnis sei, werden auch im neuen Zug Multifunktionszonen eingerichtet, die sich für Velos, aber auch für Ski und Kinderwagen nutzen lassen.