Untergetauchter VerschwörungstheoretikerWie Attila Hildmanns Verstecke in der Türkei aufflogen
Auf der Flucht vor der deutschen Justiz hält sich der Rechtsextremist in türkischen Luxusvillen auf. Wo genau haben nun Anonymous und Twitter-Gruppen aufgedeckt.
![Hat sich in die Türkei abgesetzt: Attila Hildmann an einer Demonstration gegen die Corona-Massnahmen in Berlin (29. August 2020).](https://cdn.unitycms.io/images/FimrbaRYK298tUKdEAwY7u.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=xdpq7jjtdOE)
Der zum Verschwörungsprediger mutierte Vegankoch Attila Hildmann wird seit Ende Februar per Haftbefehl von der deutschen Justiz gesucht (wir berichteten). Doch der Holocaustleugner war zu diesem Zeitpunkt bereits untergetaucht. Vor rund zwei Wochen gab die Berliner Generalstaatsanwaltschaft bekannt, dass sich der 39-Jährige, der in den Medien auch als Hirsen-Hitler oder Gemüse-Göbbels bezeichnet wird, in die Türkei abgesetzt hatte. Nun hat sich herausgestellt, dass Hildmann bereits deutlich früher in seine zweite Heimat geflüchtet ist, als bislang öffentlich bekannt war.
Der Verschwörungsideologe soll sich bereits Anfang Januar in einer Villa im Südwesten der Türkei niedergelassen haben, wie «T-Online» berichtet. Dies und seine exakten Aufenthaltsorte im Exil haben unter anderem die Gruppe Anonymous und eine antifaschistische Twitter-Gruppe aufgedeckt. Nach deren Ermittlungen soll er mehrmals seine Unterkunft gewechselt haben und von Luxusvilla zu Luxusvilla gezogen sein.
Nachfolgend die minutiösen Recherchen, die Hildmanns Aufenthaltsorte aufdeckten:
«Altes» Ferienfoto aus der Türkei
Am 23. Februar, wenige Tage nachdem Hildmann selbst verbreitet hatte, dass es einen Haftbefehl gegen ihn gibt, meldete er sich in den sozialen Medien mit einem Ferienfoto. Im Hintergrund sind sein Husky Akira und eine historische Ruine zu sehen. «Haftbefehl wegen Fluchtgefahr», schrieb der 39-Jährige höhnisch. Er werde «bald» wiederkommen aus dem «wohlverdienten Urlaub». Denn sein Lebensmittelpunkt sei Berlin, schrieb Hildmann, der dort eine vegane Snackbar besitzt.
Das Foto ist ein gefundenes Fressen für Faktenchecker wie ZDF-Journalist Oliver Klein, die Hildmanns Standort schnell aufspüren: Das Felsengrab befindet sich bei Kayakoy, im Südwesten der Türkei. Klein twitterte: «Die Frage ist – wann wurde das Foto aufgenommen?»
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Nach dieser Enthüllung versuchte der Flüchtige die Öffentlichkeit in die Irre zu führen. Hildmann erklärte in seinen Kanälen, dass das verhängnisvolle Foto von seinen letzten Ferien stamme. Um sein Täuschungsmanöver zu untermauern, montierte er sich auch noch in ein Bild aus China. Am 5. März postete er in seinem Kanal ein Video, das ihn in einem Laubwald zeigt. Er schicke Grüsse von der Ostsee, schrieb der Vegankoch. Der Bluff flog bereits am nächsten Tag auf.
Niemand Geringeres als die Gruppe Anonymous liess Hildmann mit einem Köder in die Falle tappen. Das Hacker-Kollektiv schickte ihm in einer Nachricht einen Tracking-Link. Der Verschwörungstheoretiker klickte darauf und lieferte Anonymous somit die nötigen Internetdaten, um ihn zu lokalisieren. Nun war eindeutig klar: Hildmann befand sich am 6. März definitiv in der Türkei, um genau zu sein, in der Umgebung von Izmir.
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Hildmann gab infolgedessen das Versteckspiel ein Stück weit auf und postete ein Video von sich im Bett mit seinem Hund und schrieb: «Grüsse aus Izmir». Dann richtete er sich an Anonymous: «Weiss die jüdische Antifa etwa, wo ich bin? Wo denn?»
Erste Luxus-Villa
Nachdem Hildmanns Aufenthalt in der Türkei gesichert war, nahm eine Twitter-Gruppe jeden Hinweis unter die Lupe, um seinen exakten Standort ausfindig zu machen. Beim Twitter-Account namens «Hildbusters» handelt es sich um eine Gruppe von Antifaschisten, die Hildmanns gefährliche Hetze und Radikalisierung anprangern. Der Name des Accounts ist eine Anspielung auf den Film «Ghostbusters», der von einer Gruppe von Geisterjägern handelt.
Die Hinweise zu seinem Aufenthaltsort gab Hildmann – erneut – selbst. Der mitteilungsbedürftige Flüchtige hatte in seinem Exil weiterhin munter in seinem Telegram-Kanal gepostet, wo ihm rund 100’000 Menschen folgen. Darin hat der Vegankoch in einem Jahr 20’000 Bilder, 4500 Videos und 1100 Sprachnachrichten verschickt. Hildmann wettert meist gegen Corona-Massnahmen, Bill Gates, seine politischen Feinde und die Medien. Nach seiner Flucht wird er noch extremer.
Er postet offenkundig antisemitische und nationalsozialistische Inhalte. Nachdem er immer von einem «zionistischen Feind» geschrieben hatte, twittert er am 6. März: «Nur noch Klartext, ich brauch keine Umschreibungen mehr für den Feind! Alle Völker haben keine Zeit mehr!» In seinem Kanal finden sich Hakenkreuze, er schreibt «die Juden sind das Virus» und ruft zu deren Ermordung auf.
Während seiner rechtsextremen Hasstiraden, die er auch auf Videos aufnimmt, sind im Hintergrund immer wieder auffällige Merkmale zu sehen. Die Twitter-Gruppe beginnt, die Aufnahmen zu analysieren. Rückblickend stellen die «Hildbusters» fest, dass der 39-Jährige am 10. Januar sein erstes Video aus der Türkei postete. Darin steht er vor einer beigen Wand mit einem markanten Muster.
Als er am 24. Januar aus dem Badezimmer aus seine Follower dazu auffordert, sich einen Bunker und Notvorräte anzulegen sowie Stromgeneratoren zu kaufen, sind im Hintergrund dunkelgraue, marmorierte Platten an der Wand zu sehen. Später filmt er sich vor einer Eingangstür. Es ist der entscheidende Hinweis, der zur eindeutigen Identifikation seiner Mietvilla führt.
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Am 30. März posten die «Hildbusters», dass es sich beim ersten Aufenthaltsort Hildmanns um die «Villa Aspendia 3» in Kayakoy handle. Die Villa samt Pool, zwei Schlafzimmern, zwei Bädern und Sauna kostet knapp 150 Euro pro Nacht.
Zweite Luxus-Villa
Doch Hildmann hatte sein Domizil inzwischen wieder gewechselt. Die «Hildbusters» schworen, auch diesen Standort herauszubekommen. «Wir kriegen dich», schrieb die Gruppe und nahm die neuen Hintergründe in Hildmanns Video unter die Lupe. Sie sahen, dass die neue Unterkunft ein Vordach, blaue und braune Rollos, Fliesen und schwarze Lichtschalter hat.
Durch minutiöse Recherchearbeit fanden die «Hildbusters» heraus, dass sich Hildmann in Hisarönü befindet. Genauer gesagt in der «Angel Hisar Prestige Villa A», welche 110 Euro pro Nacht kostet. Die dreistöckige Villa ist nur sechs Kilometer von seinem ersten Domizil entfernt. Rund vier Kilometer weiter befindet sich das Felsengrab bei Kayakoy.
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Doch wieso passiert Hildmann trotz der beachtenswerten Nachforschungen von Anonymous und den «Hildbusters» nichts? Das grösste Problem: Der Flüchtige besitzt die deutsche und türkische Staatsangehörigkeit, wie die Generalstaatsanwaltschaft Berlin auf Twitter schrieb. Mit einer zeitnahen Vollstreckung des Haftbefehls wegen dringenden Verdachts der Volksverhetzung, der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sei «nicht zu rechnen».
Dennoch geben die «Hildbusters» nicht auf. Nachdem Hildmanns Standort erneut aufgeflogen war, stand die «Angel Hisar Prestige Villa A» am 1. April wieder zur Vermietung frei. Die «Hildbusters» schrieben darauf: «Wir haben derzeit keine genaue Ahnung, wo er ist – noch nicht.»
Die Berliner Staatsanwaltschaft hatte bereits im November vergangenen Jahres die Ermittlungen gegen Hildmann übernommen. Zuvor waren laut Medienberichten über Monate hinweg an Hildmanns Wohnort in Brandenburg Anzeigen gegen den 39-Jährigen gesammelt worden. Hildmann war bei der Eskalation von Protesten am Reichstagsgebäude in Berlin im August 2020 festgenommen worden. Im Juli vergangenen Jahres soll Hildmann ausserdem den Grünen-Politiker Volker Beck bedroht haben. Wenn er «Reichskanzler wäre» solle für Beck die Todesstrafe «durch Eiertreten» eingeführt werden, sagte er laut Presseberichten.
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