Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Kanzler Scholz unter Druck  
Widerstand gegen Hamburger Hafendeal mit China steigt

Das Terminal Tollerort im Hafen von Hamburg: Es soll bald chinesischen Investoren gehören – trotz starker Opposition. 
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Zunächst verursachte die Mitteilung keine grosse Aufregung: Man habe sich mit dem chinesischen Staatskonzern Cosco auf eine Beteiligung am Terminal Tollerort im Hamburger Hafen geeinigt, vermeldete die Betreibergesellschaft vor einem Jahr. Damals schien es nur eine Randnotiz zu sein, dass auch andere Stellen bei dem Deal noch ein Wörtchen mitzureden haben. Mittlerweile allerdings ist aus eben dieser Randnotiz etwas Grosses geworden: ein Politikum, das sich immer weiter zuspitzt.

Denn innerhalb der Bundesregierung gibt es einen handfesten Streit über das Gesuch von Cosco, den Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit der Brechstange beenden will: Obwohl ein halbes Dutzend Ministerien, der Bundesnachrichtendienst und auch die EU-Kommission dagegen sind, der Volksrepublik Zugriff auf einen weiteren Teil kritischer Infrastruktur in Deutschland zu gewähren, ist das Kanzleramt offenbar fest entschlossen, den Deal passieren zu lassen. Die Entscheidung soll in den nächsten Tagen fallen, wie diverse Medien berichten. 

Das Interesse Chinas an einem Einstieg bei der Hamburger Hafen- und Logistik AG (HHLA) wirft Fragen auf, die weit über den Einzelfall hinausgehen. So hat die Corona-Pandemie gezeigt, wie gefährlich es ist, wenn ein Staat potenziell überlebenswichtige Produkte wie Masken oder Medikamente beinahe zu 100 Prozent aus einem einzigen Land bezieht.

Das gilt umso mehr, wenn es sich um ein Land handelt, das offenbar auch vor Industriespionage und Nötigung nicht zurückschreckt. So berichten die deutschen Sender NDR und WDR unter Berufung auf deutsche Wirtschaftskreise, die chinesische Botschaft in Berlin habe hiesige Firmen aufgefordert, sich für Cosco in Hamburg einzusetzen – ansonsten drohten Folgen für das eigene Geschäft.

Scholz’ Vorgehen dürfte auch mit seiner Vergangenheit zu tun haben

Bei der Bundesregierung will man sich nicht offiziell zum Thema äussern. In Regierungskreisen hiess es nur, die Abstimmung laufe noch. Das Kanzleramt habe aber beim Wirtschaftsministerium kritisch nachgefragt, warum es dort Bedenken gebe.

Dass Scholz das Geschäft offenbar gegen alle Widerstände durchsetzen will, dürfte einerseits mit seiner Vergangenheit als Hamburger Bürgermeister zu tun haben. Geht es dem Hafen gut, geht es auch Hamburg gut, lautet ein geflügeltes Wort in der Hansestadt, schliesslich hält die Kommune 69 Prozent der Anteile an der HHLA. 

Cosco mischt längst bei Europas grössten Häfen mit, hält 35 Prozent an einem Terminal in Rotterdam, 20 Prozent an einem in Antwerpen. An jenen Konkurrenten also, die Hamburg im Containerumschlag enteilt sind.

Hamburg macht sich Hoffnungen, mit der Cosco-Beteiligung bevorzugter Umschlagplatz in Europa zu werden. «Eine Absage an die Chinesen wäre eine Katastrophe nicht nur für den Hafen, sondern für Deutschland», sagt Axel Mattern, Vorstand der Hafen Hamburg Marketing.

Die HHLA selbst gibt zu Protokoll, sie habe in dem seit mehr als einem Jahr laufenden Verfahren keine sachlichen Gründe vernommen, die gegen eine Freigabe der Investition sprächen. Eine Zusammenarbeit mit Cosco «stärkt die Lieferketten, sichert Arbeitsplätze und fördert Wertschöpfung in Deutschland».

Kritik am Alleingang des Kanzlers 

Kritik an dieser Sicht gibt es jedoch nicht nur innerhalb von Regierung und Koalition, sondern quer durch alle Parteien. Die Union kritisierte den Alleingang des Kanzlers als «sicherheits- und wirtschaftspolitisch fragwürdig», die Linksfraktion monierte, Scholz «sollte inzwischen bewusst sein, dass es niemals sinnvoll ist, kritische Infrastruktur zu verscherbeln». Bedeutsamer allerdings war eine andere Wortmeldung: Ein Cosco-Einstieg wäre «ein schwerer Fehler», weil Chinas Kommunistische Partei Einfluss auf alle grossen EU-Häfen erhielte, twitterte FDP-Vizechef Johannes Vogel. Wichtiger noch: Vogels’ Wortmeldung wurde vom Parteivorsitzenden Christian Lindner umgehend retweetet.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Dagegen verweisen die Befürworter des Cosco-Deals darauf, dass der Konzern ja nur mit 35 Prozent bei einem einzigen von vier Terminals einsteigen wolle. Eine strategische Einflussnahme auf die Anlagen sei damit ausgeschlossen. 

Die Befürworter setzen nun auf den Faktor Zeit. Das Aussenwirtschaftsgesetz nämlich schreibt vor, dass die Regierung Bedenken gegen das Kaufangebot eines ausländischen Investors binnen vier Monaten geltend machen muss. Die letzte reguläre Möglichkeit, die Frist einzuhalten, hat das Kabinett nächsten Mittwoch – wenn sich Kanzleramt und alle Ministerien denn einig sind. Sind sie es nicht, kommt der Deal schlicht durch Fristablauf zustande.

Debatte um «Lex China» in der Schweiz

Internationale Übernahmen sind auch in der Schweiz ein heisses Eisen. Angefeuert durch die Übernahme des Agrochemiekonzerns Syngenta 2017 durch Chem China. Der Staatskonzern zahlte 43 Milliarden Dollar dafür – die bis dato teuerste Übernahme durch Chinesen im Ausland überhaupt.

Sie veranlasste den Walliser Mitte-Ständerat Beat Rieder zu einer Motion, die eine Bewilligungspflicht für potenziell schädliche Übernahmen durch staatliche oder staatsnahe Akteure fordert – die «Lex China». Die eidgenössischen Räte hatten die Motion im März 2020 an den Bundesrat überwiesen, welcher einen entsprechenden Gesetzesentwurf ausarbeitete.

Der Bundesrat sieht ein zweistufiges Verfahren vor: Eine erste kurze Prüfung soll abklären, wie notwendig ein vertieftes Verfahren bei Firmenübernahmen ist. Falls Zweifel aufkommen, wird die Prüfung erweitert. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) soll die Hauptrolle dabei innehaben.

Am 9. September 2022 endete die Vernehmlassung zum Gesetzesentwurf. Nun läuft die Evaluation, wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) auf Anfrage sagt.