Fusion zum grössten AgrarchemiekonzernSyngenta wird nun noch chinesischer
Der Konzern wird stärker auf China ausgerichtet. Das sind die fünf wichtigsten Punkte.
Nach der Übernahme durch China kommt nun der operative Zusammenschluss: Der Basler Agrochemiekonzern Syngenta wird mit dem Agrargeschäft von Chemchina und Sinochem fusioniert wie auch mit Israels Spritzmittelunternehmen Adama, das ebenfalls zu Sinochem gehört. Damit entsteht die Syngenta Group: der grösste Agrarchemiekonzern der Welt mit einem Umsatz von mehr als 23 Milliarden Dollar.
Der Einfluss von China
Die Übernahme von Syngenta durch Chemchina für 43 Milliarden Dollar war 2017 die bislang teuerste durch Chinesen im Ausland überhaupt. Sie feuerte die Debatte über den Ausverkauf westlicher Firmen durch China an. In der Schweiz soll es daher ein neues Gesetz geben mit dem Ziel, dass der Staat in Zukunft ausländische Übernahmen prüft, wie der Nationalrat diesen März entschieden hat.
China versuchte die Ängste zu besänftigen. «Syngenta bleibt Syngenta», sagte Chemchina-Chef Ren Jianxin. Inzwischen verändert sich indes viel: Der Konzern wird nun neu geformt. Syngenta spannte schon in den letzten Jahren mit dem chinesischen Agrargeschäft sowie mit der auf Pestizide spezialisierten Adama zusammen. Der Vertrieb vermarktete wo möglich auch die Produkte der anderen. Auch die Beschaffung erfolgte mehr und mehr gemeinsam, um durch die neue Grösse Preisvorteile zu generieren.
Die Zusammenarbeit über die Gruppe hinweg soll nun noch intensiver werden, wie sich Syngenta-Chef Erik Fyrwald in der Medienmitteilung zur Gründung der Syngenta Group zitieren lässt. China wird dabei allerdings nur als Absatzmarkt eine entscheidende Rolle spielen. Es gehe nicht darum, die Spritzmittel und Kunstdünger von Chemchina und Sinochem über die Gruppe auch weltweit zu vertreiben, erklärt Syngenta-Sprecher Christoph Sieder. Zu Sinochem gehört etwa ein Pestizidhersteller, der wie Syngenta auch Spritzmittel mit dem umstrittenen Giftstoff Paraquat produziert.
Die Arbeitsplätze
Die neue Syngenta verdoppelt die Zahl ihrer Mitarbeitenden fast, und zwar auf neu 48’000 weltweit. Sie sitzen in über 100 Ländern. In der Schweiz bleibt es bei 2800 Angestellten. Der Hauptsitz der Gruppe ist weiterhin in Basel, wie das Chemchina 2017 bei der Übernahme garantiert hatte. «Ein Jobabbau ist mit dem Zusammenschluss zur Gruppe nicht verbunden», versicherte Syngenta-Sprecher Christoph Sieder. Es gehe nicht um eine Fusion, bei der es zu einer Verkleinerung der Mitarbeiterzahl kommen soll. Sondern um den Ausbau des Geschäftsfeldes.
Auch der Hauptsitz der neuen Gruppe – und damit die personalintensive Verwaltungszentrale – dürfte über die zugesicherten fünf Jahre weiterhin in Basel bleiben. Syngenta-Chef Erik Fyrwald hatte im Interview im Januar gesagt: «Derzeit gibt es keine Pläne, die Schweiz zu verlassen.» Damals war der Zusammenschluss schon angekündigt gewesen.
Die Zukunft der neuen Gruppe
Allein brachte es die alte Syngenta auf einen Umsatz von 13 Milliarden Dollar, die Basler verkauften so viel Pestizide wie kein anderer Konzern der Welt. Zusammen mit dem chinesischen Agrochemiegeschäft sowie dem israelischen Hersteller Adama, der Spritzmittel mit abgelaufenem Patentschutz (Generika) verkauft, kommt es nun praktisch zu einer Umsatzverdoppelung.
Die neue Gruppe wird auch weiter organisch kräftig wachsen: China wird als Markt immer wichtiger werden. Dank der Fusion kann sich Syngenta dieses riesige Agrarland leicht erschliessen, zuvor hatte er für die Basler nur rund 5 Prozent des Umsatzes ausgemacht. Durch die Übernahme und auch die jetzt erfolgte Fusion hat China den Zugang zum «Heimmarkt» voll geöffnet. Das Wachstum soll künftig im zweistelligen Prozentbereich liegen. Der Umsatz dort liegt momentan deutlich unter einer Milliarde Dollar, das dürfte sich rasant ändern. Wichtigstes Absatzland auch für die Syngenta Group bleibt dennoch Brasilien.
Die Folge für Konsumenten
Für Konsumenten ändert sich erst mal nichts. Denn Pestizide und Saatgut müssen ähnlich wie Medikamente national zugelassen sein. Das heisst, die Syngenta Group kann Spritzmittel oder Samen von Chemchina, Sinochem oder Adama nicht automatisch in Europa oder anderswo verkaufen. Bei uns verbotene Pestizide können jedoch durch den Import von Nahrungsmitteln auch bei uns auf dem Teller landen. Denn auf den Pflanzen können Rückstände bleiben, die auch bei der Verarbeitung nicht verschwinden. Für Bauern bedeutet die weitere Konzentration in der Agrochemiebranche eine kleinere Angebotsauswahl und damit eine höhere Abhängigkeit und tendenziell höhere Preise.
Rückkehr an die Börse
«An den Plänen für unseren Börsengang hat sich nichts verändert», sagt Syngenta-Sprecher Sieder. Bei der Übernahme Syngentas 2017 wurde angekündigt, einen Teil des Kapitals innerhalb von fünf Jahren – also spätestens im Sommer 2022 – wieder an die Börse zu bringen. Bei der Übernahme durch die Chinesen war Syngenta von der Schweizer Börse dekotiert worden. Die neue Kotierung soll in China erfolgen sowie zusätzlich in Europa oder den USA. Die Marktkonditionen geben dabei den genauen Zeitpunkt vor, so der Syngenta-Sprecher. Die Verschuldung von Syngenta hatte nach der Übernahme deutlich zugenommen, die Chinesen hatten sich so den Milliardenkauf refinanzieren wollen. Erst vergangenen April hatte Syngenta Anleihen im Volumen von 600 Millionen Euro aufgelegt.
Auch die staatlich-chinesischen Mutter-Konglomerate Chemchina und Sinochem wollen fusionieren. Schon in den nächsten Wochen könnte es dazu Neuigkeiten geben, wie aus Industriekreisen zu hören ist. Beide zusammen würden auf einen Umsatz von über 150 Milliarden Dollar kommen. Der Chemieriese Chemchina hatte 2015 – noch vor Syngenta – den italienischen Reifenhersteller Pirelli übernommen. Sinochem ist gross im Petrochemiegeschäft und unter anderem in Ölanlagen in Kolumbien investiert. Eine Fusion der beiden müsste von Wettbewerbsbehörden weltweit geprüft werden.
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