Fotovoltaik fürs EigenheimWer mit anpackt, bekommt das Solardach billiger
Das Prinzip klingt verlockend: Wer bei der Installation der Solaranlage selber anpackt, kann Kosten sparen. Funktioniert das? Besuch auf der Baustelle von SVP-Nationalrätin Andrea Geissbühler.
Er wuchtet das Solarpanel auf die Schulter. Dann schreitet Dario Kaufmann langsam übers Dach des Reiheneinfamilienhauses. Ganz oben am Giebel wartet Andrea Geissbühler. Sie hilft, das bereitliegende Kabel einzustecken und das Panel auf dem Unterbau zu platzieren. Dann zieht sie die erste Schraube an, bis die Modulklemme fest sitzt.
Auf dem Dach des Hauses – idyllisch gelegen auf einem Hügel ganz am Rand des Berner Dörfchens Bäriswil – entsteht eine Fotovoltaikanlage. Dabei legt die SVP-Nationalrätin Andrea Geissbühler selbst Hand an, angeleitet vom Fachmann der Energiewendegenossenschaft und unterstützt durch andere Laien.
Doch weshalb kraxelt die viel beschäftigte Politikerin und Mutter für Handlangerarbeiten auf dem Dach ihres Hauses herum? «Weil es mich interessiert», sagt sie und lacht. Dank den Gesprächen mit dem Profi lerne sie viel über ihre neue Solaranlage und über die Energiewende.
«Dank den Mitarbeitsangeboten können sich auch Leute eine Solaranlage leisten, die über kein allzu grosses Budget verfügen.»
Nein, sie versuche ihr Image damit nicht grünzuwaschen, stellt die Nationalrätin klar, die bei den nächsten Wahlen wegen der Amtszeitbeschränkung ihrer Partei nicht mehr antreten wird. Sie habe schon immer versucht, umweltbewusst zu leben. Ihr gehe es einzig um die Sache: «Ich bin begeistert von solchen Mitarbeitsangeboten. Dank diesen können sich auch Leute eine Solaranlage leisten, die über kein allzu grosses Budget verfügen.»
Das Prinzip bei Selbstbaugenossenschaften: Wer eine Solaranlage will, arbeitet bei der Installation selber mit. So können die Kosten gedrückt werden. Wer wenig Zeit hat oder ungelenk ist, kauft mehr Arbeiten ein und bezahlt 50 Franken pro Stunde. Dass sich mit dem Selbstbau sparen lasse, komme vielen gelegen, sagt Dario Kaufmann, der seit vielen Jahren für die Genossenschaft tätig ist. «Viele Leute geniessen es aber auch einfach, wenn sie selber Hand anlegen können.»
Ohne Fachpersonen gehts nicht
Die Laien werden für einfache und repetitive Arbeiten eingesetzt. Oder wenn jede Hand gefragt ist. Heute etwa bei den Vorbereitungsarbeiten: Bauleiter Kaufmann hievt das Panel zwischen den Stangen des Gerüstes hoch, Geissbühler übernimmt und übergibt es dem kurzerhand eingespannten Journalisten.
In den vergangenen Tagen wurde die Unterkonstruktion montiert: Ziegel wurden angehoben, Haken eingesetzt, Halteschienen angeschraubt. Auch da waren Laien mit von der Partie: Leute, die zuvor eine eigene Anlage installieren liessen und die dort bezogenen Stunden nun mit der eigenen Mitarbeit abgelten.
Einen Teil der Arbeiten macht aber besser die Fachperson: Diese plant die Anlage, holt die Bewilligungen ein, überwacht alle Arbeitsschritte. Dafür gibt es auch Vorschriften. Der Wechselrichter im Keller etwa muss zwingend von einer Elektrikerin oder einem Elektriker ans Stromnetz angeschlossen werden.
Er habe in der Zusammenarbeit mit Laien «viel mehr positive als negative Erfahrungen gemacht», sagt Solarfachmann Dario Kaufmann. Weil er sich auf einfache Anlagen konzentriert, bei denen Standardbauteile eingesetzt werden. Und auch, weil er die Leute sehr gezielt einsetzt. «Wer nicht trittsicher ist, kommt nicht aufs Dach. Es gibt auch am Boden viel zu tun – vom Transport des Materials bis zum Kaffeekochen.»
«Was wir lange herbeigesehnt haben, wird jetzt Realität: Die Energiewende beginnt jetzt.»
Auch wenn manche Kunden aus Angst vor einer Energieknappheit wegen des Ukraine-Kriegs lieber heute als morgen eine Anlage installiert sähen: So schnell geht es nicht. Derzeit muss man mit Wartezeiten von rund drei Monaten rechnen. Die Bewilligungsverfahren benötigen Zeit.
Zudem sind derzeit zu wenig Solarpanels lieferbar. Und die Fachleute sind stark ausgelastet. «Wir haben viel mehr zu tun als noch vor einem Jahr», sagt Dario Kaufmann. «Was wir lange herbeigesehnt haben, wird jetzt Realität: Die Energiewende beginnt.» Er macht aber auch klar: Wir stehen erst am Anfang.
Von der «Selbsthilfegruppe» zum Vorzeigemodell
Die Energiewendegenossenschaft ist eine Selbstbaupionierin. Gegründet wurde sie vor sieben Jahren durch den jungen Elektroingenieur Syril Eberhart in Spiez. Seither hat sie bereits 600 Anlagen gebaut. 18 Planer und Bauleiter arbeiten mit. «Zu Beginn waren wir als Selbsthilfegruppe verschrien», sagt Dario Kaufmann. «Inzwischen werden wir ernst genommen.»
Die Idee hat sich breit durchgesetzt: In der Schweiz existieren heute 16 Selbstbaugenossenschaften. «Ohne sie wären viele Solaranlagen nicht gebaut worden», sagt Walter Sachs, Präsident des Verbands unabhängiger Energieerzeuger (Vese), der unter Selbstbau.ch eine Liste der Genossenschaften publiziert und jeweils im Herbst Tagungen zu Selbstbaugenossenschaften durchführt.
Zwischen den einzelnen Anbietern gebe es grössere Unterschiede: Einige bauen ausschliesslich auf Kundenwunsch, andere suchen aktiv nach geeigneten Dächern. Einige klinken sich aus, sobald die Anlage läuft, andere vermarkten den produzierten Strom selbst.
Das Interesse an der Fotovoltaik sei derzeit gross, sagt Sachs. «Mit den richtigen Anreizen könnten wir das Potenzial der Sonnenenergie aber noch viel besser nutzen.»
Das Problem: Wer heute eine Anlage baut, weiss nicht, wann sich die Investition auszahlt. Zwar kann die Anlage subventioniert werden; derzeit erhalten Bauherren rund ein Viertel der Anlagekosten zurückerstattet. Aber es gibt keine Regeln, wie viel die Energieversorger für den eingespeisten Strom bezahlen müssen.
«Wir brauchen Investitionssicherheit.»
Die Vergütung kann stark schwanken, wie das Beispiel der BKW zeigt: Während der Energieversorger, der ganz auf Markt- statt auf Fixpreise setzt, noch 2017 unter 5 Rappen pro Kilowattstunde vergütete, sind es jetzt über 26 Rappen. Doch der Preis kann auch wieder einbrechen.
«Wir brauchen Investitionssicherheit», fordert Walter Sachs. Und er schlägt zwei Modelle vor: Die Energieversorger sollen einen fixen Abnahmepreis über 20 Jahre garantieren. Zudem sollen sie ein flexibles Modell anbieten, bei dem der Abnahmepreis abhängig von Angebot und Nachfrage schwankt. «Sobald der Abnahmepreis stimmt, braucht es auch keine zusätzlichen Förderungen mehr.»
Solar wird spannend für Unternehmen
Zurück zu Geissbühlers Haus: Macht es überhaupt Sinn, solch kleine Dächer mit Solarpanels zu bedecken? Jedes Dach sei ein wichtiger Beitrag zur Energiewende, entgegnet Anlagenplaner Dario Kaufmann. Er räumt aber auch ein: Der Beitrag ist klein und der Aufwand gross. Mehr Sinn machen grosse Anlagen. Doch bislang galt: Kleine Anlagen auf Wohnhäusern rechnen sich rasch. Denn ein Teil des Stromes wird direkt genutzt, was die Stromrechnung drückt. Grosse Anlagen etwa auf Ställen können hingegen selten wirtschaftlich betrieben werden, da die Einspeisevergütung zu tief ist.
Das könnte sich nun ändern. Wenn die Energie knapp ist, legt der Strompreis zu. Unternehmen, die auf dem freien Markt Strom beziehen, müssen mit markant höheren Kosten rechnen. Derzeit gebe es viele Anfragen von Unternehmen, sagt Kaufmann, bevor er zur nächsten Baustelle fährt – ein grosses Dach einer Schreinerei, welche das umliegende Industriequartier mit Strom versorgen soll. Solche grossen Flächen lieferten 50-mal so viel Strom wie die paar Panels auf dem Wohnhaus hier. «Das sind die Anlagen, die für die Energiewende wirklich wichtig sind.»
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