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Fachkräftemangel in der Schweiz
Für die Energiewende fehlen Tausende von Handwerkern 

Der Bedarf an zusätzlichen Fachkräften ist allein schon im Solarbereich beträchtlich.
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Was nützen Pläne der Politik, wenn sie an der Umsetzung scheitern? In dieser Ausgangslage befindet sich, zugespitzt formuliert, ein Megaprojekt des Bundes: die Energie- und Klimawende. Dem Gebäudesektor kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu, auf ihn entfällt etwa ein Drittel der CO₂-Emissionen der Schweiz. Doch just in diesem Bereich gibt es zu wenige Fachkräfte. 

«Die Lage spitzt sich zu», sagt Kornelia Hässig, die beim Bundesamt für Energie (BFE) den Dienst Aus- und Weiterbildung Energiebereich leitet. Das BFE befürchtet, dass es zu wenige und zu wenig kompetente Fachkräfte geben wird, um die notwendigen Massnahmen rechtzeitig umzusetzen. Dazu gehört etwa, Fotovoltaik-Anlagen zu installieren, Öl- oder Gasheizungen durch Wärmepumpen zu ersetzen oder Wände und Fenster von Gebäuden besser zu dämmen. 

Illustrieren lässt sich das Problem anhand der Fotovoltaik-Branche. Dort arbeiten Personen im Umfang von rund 5500 Vollzeitstellen. Bis 2030 müssen es laut BFE aber mindestens 12’000 sein, damit der geplante Ausbau der Solarenergie gelingen kann. 2020 hat die Fotovoltaik knapp 3 Terawattstunden Strom geliefert, also etwa 5 Prozent des Gesamtverbrauchs in der Schweiz. 2030 sollen es gemäss den Plänen des Bundes 8,4 Terawattstunden sein, 2050 gegen 34. 

Gespräche mit Branchenvertretern bestätigen den Befund. «Uns fehlen Fachkräfte», sagt zum Beispiel Samuel Summermatter der BE Netz AG in Luzern. Die Firma ist spezialisiert auf Strom aus Wärme und Sonne sowie Heizungsersatz. Sie zählt rund 75 Mitarbeiter. Das Interesse der Hauseigentümer ist zuletzt stark gestiegen, pro Woche gehen 50 Anfragen ein. Und diese sind zudem komplexer geworden, geben also mehr zu tun, zum Beispiel weil heute vermehrt Lösungen gefragt sind, bei denen die Hausbesitzer den Strom der eigenen PV-Anlage direkt für das eigene Elektroauto brauchen wollen. Die Auftragsbücher seien für ein halbes Jahr voll, so Summermatter. 

Erste Lehrlinge schon ab 2023?

Eines der Probleme: Es gibt heute keine eigene Berufslehre für den sogenannten Solarteur, also jene Fachleute, die von der Planung bis zur Installation der Solaranlagen alles übernehmen. Meist sind es Dachdecker oder Elektroinstallateure, die sich weiterbilden.

Das soll sich nun aber ändern, wie der Branchenverband Swissolar bestätigt. «Wir arbeiten mit Partnern mit Hochdruck daran, eine Berufslehre aufzubauen», sagt Geschäftsführer David Stickelberger. Swissolar will in den nächsten drei Monaten beim Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) den Antrag auf Schaffung der neuen Berufslehre stellen. Erste Gespräche haben bereits stattgefunden. Stickelberger rechnet damit, dass die ersten Lehrlinge im August 2024 starten können. Falls die Zusammenarbeit mit dem SBFI reibungslos klappe, vielleicht schon ein Jahr früher. 

Das Problem beschränkt sich nicht nur auf den Solarbereich. Der Gebäudepark braucht einen umfassenden Erneuerungsschub. Zum Beispiel müssen gegen eine Million fossiler Heizungen durch erneuerbare Heizungssysteme ersetzt und Hunderttausende von Gebäuden besser isoliert werden. Zwar gibt es fast überall genügend Hilfskräfte, um solche Arbeiten auszuführen. Laut Branchenvertretern fehlt es aber oft an ausgebildeten Fachkräften und Kaderleuten. Solche Mitarbeiter wenden sich oft vom Baugewerbe ab und wechseln in andere Branchen. Quereinsteiger können diese Abwanderung nicht aufwiegen, was den Fachkräftemangel weiter verstärkt. Zudem ist die Branche mit einem Frauenanteil von weniger als 15 Prozent nach wie vor eine Männerdomäne. 

«Da es sich um eine Wachstumsbranche handelt, ist die Beschäftigung garantiert.» 

Kornelia Hässig, Bundesamt für Energie 

Der Bund hat deshalb unlängst eine Bildungsoffensive gestartet. Vertreter des Bundes erarbeiteten letztes Jahr mit Akteuren der Gebäude- und Bildungsbranche eine Roadmap mit 32 Massnahmen. Am 20. Januar erfolgte der Startschuss zur Umsetzungsphase. Erklärtes Ziel ist es, neue Fachkräfte zu gewinnen, bestehende Fachkräfte im Beruf zu behalten und die Kompetenzen der Fachkräfte zu stärken.

Dabei gibt es viele Probleme zu lösen, wie der Bericht «Bildungsoffensive Gebäude» des Bundes offenlegt: Die Branche kämpft mit «hohen Durchfall- und Abbruchquoten in der beruflichen Grundbildung». Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei schlecht, die Berufe körperlich anstrengend, das Arbeitsklima sei «generell frauenunfreundlich», die Löhne eher tief, das Arbeitspensum überdurchschnittlich hoch. Hier müsse die Branche ansetzen, sagt BFE-Expertin Hässig. «Sie muss wirksame Massnahmen umsetzen und damit ihr Image verbessern.» Die Branche biete durchaus attraktive Arbeitsplätze mit Karrieremöglichkeiten. Da es sich um eine Wachstumsbranche handle, sei auch die Beschäftigung garantiert. 

Risiko Papiertiger

Die Roadmap hat keinen verbindlichen Charakter. Der Bund stellt rund eine Million Franken zur Verfügung. Das Geld soll helfen, Projekte in der Branche zu initiieren. Die Hauptlast muss aber die Branche tragen. Die verschiedenen Akteure müssen also gewillt sein, personelle und finanzielle Ressourcen zur Verfügung zu stellen sowie branchenübergreifend zusammenzuarbeiten. 

Das birgt Risiken. «Die Herausforderung wird sein, ein kontinuierliches Engagement der Gebäudebranche aufrechtzuerhalten», heisst es im Bericht des Bundes. Schlimmstenfalls bleibe die Roadmap ein Papier und werde nicht umgesetzt. Hässig vom BFE zeigt sich aber zuversichtlich: «Es ist klar der Wille spürbar, dass die verschiedenen Branchenakteure in Zukunft stärker zusammenarbeiten und die Probleme mit vereinten Kräften angehen wollen.»